Wien schmückt seine öffentlichen Gebäude am 1. Mai mit der rot-weiß-roten Fahne, auf Bundesgebäuden gibt es keine einheitliche Festbeflaggung.
Eine Spurensuche über die Gründe dafür und Regeln zur Fahne führt unter anderem zur überraschenden Erkenntnis, dass die Nuance des staatlichen Rots eine Ermessensfrage ist.
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Den „Tag der Arbeit“ politisch besetzt hat die SPÖ in ihrer Tradition als Arbeiterpartei. Bei ihren traditionellen Maiaufmärschen schwenken einige Genoss:innen auch rot-weiß-rote Fahnen, häufiger zu sehen ist aber ein weißer Kreis mit drei Pfeilen auf rotem Hintergrund. Dieses Fahnenmotiv war einst Gegenentwurf zum Hakenkreuz der Nazis und symbolisiert den Kampf gegen Faschismus, Klerikalismus und Kapitalismus.
Rot-weiß-rote Fahnen sind am 1. Mai anderswo Usus: Nicht nur in Wien, sondern im ganzen Land präsentieren sich viele öffentliche Gebäude in Festbeflaggung. Wer in der Bundeshauptstadt genau hinschaut, merkt: Es sind vor allem städtische Gebäude, von Amtshäusern über Schulen bis hin zu den Gemeindebauten, das Bundeskanzleramt dagegen trägt nur reguläre Beflaggung, sprich Österreich- und EU-Fahne am Dach. Und auch in Städten und Dörfern im Land kann es durchaus Unterschiede im Ausmaß der offiziellen Beflaggung geben. Das liegt daran, dass es in Österreich keine Pflicht zur Fahne gibt – weder am 1. Mai, der ja auch Staatsfeiertag ist, noch am 26. Oktober, dem Nationalfeiertag, einst sogar als „Tag der Fahne“ tituliert. Wo, was, wie und für wie lang beflaggt wird, legen die jeweils politischen Verantwortlichen fest.
Pantone 186 C
Es gibt einige Spielregeln – wobei ausgerechnet eine der scheinbar logischsten Fragen nicht geregelt ist: die der Farbe. Rot ist nicht gleich Rot, doch wer sich auf die Suche nach dem offiziellen Rotton der Staatsflagge macht, stößt zunächst auf wenig befriedigende Antworten. In der Bundesverfassung, wo Aussehen von Fahne und Bundeswappen samt allen Details des Wappenadlers geregelt sind, bleiben die Angaben erstaunlich vage: Lediglich von drei „gleich breiten, waagrecht angeordneten Streifen“ in Rot-Weiß-Rot ist die Rede.
Verlass ist, zumindest in der Fahnenfrage, auf das Bundesheer: „Pantone 186 C“ ist laut einem Erlass des Verteidigungsministeriums die Farbe, die die Republik in Kombination mit Weiß repräsentiert.
Auch im Bundeskanzleramt ist „Pantone 186 C“ der Standard für die Österreich-Flagge, wie Helga Bandion, Leiterin der Protokollabteilung, bestätigt. Sie ist Expertin für alle Fragen rund um offizielle Beflaggung, und als solche in ständigem Austausch mit der Präsidentschaftskanzlei, dem Außenministerium und dem Parlament, um ein möglichst einheitliches Flaggenbild der höchsten staatlichen Institutionen zu garantieren. Eine Dauerbeflaggung bestimmter öffentlicher Gebäude ist gesetzlich nicht festgelegt, hat sich aber durchgesetzt – als Repräsentation der Republik, aber auch als Zeichen der Zugehörigkeit zur Europäischen Union. Im Wesentlichen wehen Österreich- und EU-Fahne ständig beim Bundeskanzleramt, bei der Präsidentschaftskanzlei, bei den Ministerien, den Höchstgerichten oder am Dach des Parlaments. Das Hohe Haus trägt noch eine zusätzliche Dauerbeflaggung: aktuell die Niederösterreich-Fahne, entsprechend dem Vorsitz im Bundesrat, der halbjährlich wechselt. Sind auch die beiden großen, roten Fahnenmasten am Vorplatz beflaggt, so tagt im Parlament National- oder Bundesrat.
1.500 Fahnen im Depot
Nicht gesetzlich geregelt ist eine Standard-Größe für die Österreich-Fahne, lediglich das Verhältnis ist mit 2:3 festgelegt. Auch bei sogenannten Knatterfahnen, bei denen die Streifen vertikal angeordnet sind, gibt es keine Maßvorgaben. Es soll sich vor Jahren einmal zugetragen haben, dass frühmorgens am Ballhausplatz eine solche Längsfahne gehisst wurde, die am Boden streifte. Ein Fauxpas, der von einem hohen Kanzleramtsbeamten entdeckt und rasch behoben wurde. Der „Bockerer“ lässt grüßen.
Ist ein Staatsgast zu Besuch, wird in der Regel die Fahne seines Landes auf dem Bundeskanzleramt und/oder auf der Präsidentschaftskanzlei gehisst, auch bei Empfängen, offiziellen Gesprächen, Fototerminen oder Pressekonferenzen ist die Fahne des Gastlandes dabei. Hüter der Fahnen aller Länder von Tisch- über Stand- bis zu Hissflaggen ist das Kanzleramt: Im Fahnendepot im Keller lagern rund 1.500 Fahnen und Flaggen unterschiedlicher Größe, auf Rollen oder in Kisten, fein säuberlich beschriftet, die von Kanzleramt, Außenministerium und Hofburg verwendet werden. Verwechslungsgefahr wird weitgehend minimiert: Jede Kiste ist nicht nur mit dem Namen des Landes, sondern auch einem Bild der jeweiligen Fahne versehen, mehrmals im Jahr wird Inventur gemacht und kontrolliert.
Halbmast als würdevollste Trauerbeflaggung
Gute Abstimmung erfordert es, wenn (ehemalige) Amtsträger:innen der Republik sterben, denn bei der Trauerbeflaggung gibt es unterschiedliche Varianten, erklärt Bandion. Möglich ist eine schwarze Trauerfahne, ein schwarzes Band zusätzlich zur Österreich-Fahne oder das Setzen dieser auf Halbmast. „Halbmast ist die würdevollste Form der Trauerbeflaggung“, sagt Bandion. Neben Kanzleramt, Außenministerium, Parlament und den obersten Behörden gibt es vom Bund auch Empfehlungen an die Länder für eine entsprechende Beflaggung. Ein Trauerfall „ist immer mit Emotion verbunden“, daher müsse man hier Fingerspitzengefühl zeigen, so Bandion. Klar ist, dass bei einem Todesfall während der Amtszeit offizielle Gebäude Trauerbeflaggung haben, wenn jemand lang nach seiner Amtszeit stirbt, ist es eine Ermessensfrage – Im Fall des früheren Kanzlers Bruno Kreisky etwa wurde es wie zu Amtszeiten gehandhabt.
Festbeflaggung wird bundesseitig sparsam eingesetzt: Hintergrund für den Verzicht einer Sonder-Beflaggung am 1. Mai dürfte wohl sein, dass es sich um keinen Gedenktag handelt. Jährlich festlich beflaggt wird nur am 26. Oktober, an dem des Beschlusses der Neutralität gedacht wird. Alle zehn Jahre wird am 27. April mit Festbeflaggung der Befreiung Österreichs gedacht, am 15. Mai ebenfalls alle zehn Jahre der Unterzeichnung des Staatsvertrags.
Festbeflaggung am 1. Mai für alle Dienststellen
In Wien sind am 1. Mai alle Dienststellen per Erlass angewiesen, Festbeflaggung anzubringen, die Wiener:innen aufgerufen, ebenfalls Flagge zu zeigen. Neben der rot-weißen Wien-Fahne, die üblicherweise auf Amtshäusern weht, hängt auch Rot-Weiß-Rot auf 36 Wiener Amtsgebäuden, rund 700 Schulen und 1.100 Gemeindebauten. Letztere werden von den Hausbesorger:innen beflaggt.
Für Dauer-, Trauer- und anderweitige Festbeflaggung gibt es Richtlinien der Präsidialabteilung im Rathaus. Die sieht unter anderem vor, dass das Rathaus neben den Farben Wiens und Österreichs auch die EU-Flagge trägt, die Bezirksämter wiederum dürfen ihre Bezirksfahnen verwenden.
Die anderen Bundesländer regeln die Beflaggung ebenfalls mit eigenen Erlässen und Richtlinien – und rufen bisweilen auch ihre Bürger:innen auf, Flagge zu zeigen – müssen tut niemand.
Und wie sieht es mit freiwilliger privater Beflaggung im öffentlichen Raum aus? Jede:r darf sein/ihr Haus, seine/ihre Wohnung oder sein/ihr Unternehmen sichtbar mit der Österreich-Fahne schmücken. Verboten ist jedwede Verwendung, die „dem Ansehen des Landes“ schaden könnte. Eigentlich nur hohen Amtsträger:innen vorbehalten ist das Führen der Dienstflagge, also einer durch den Wappenadler geschmückten Österreich-Fahne. Doch mittlerweile werden auch in Fußballstadien derartige Fahnen geschwenkt, man kann wohl von einem Gewohnheitsrecht sprechen. Heikel könnte es allerdings werden, wenn man seinen Ärger über das Ergebnis der Nationalmannschafft an der Flagge auslässt.
In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.
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Infos und Quellen
Über die Autorin
Jasmin Bürger blickt auf fast zwei Jahrzehnte Erfahrung als Innenpolitik-Redakteurin zurück. Sie kennt die politischen Verhältnisse, Österreichs demokratisches System und die Besonderheiten der heimischen Politik bestens. In der Serie „Was macht eigentlich ein: e…?“ beschreibt sie als freie Journalistin für die WZ alle 14 Tage die Schaltstellen der Republik. Ämter, Funktionen, Personen und auch Dinge, die in und abseits der öffentlichen Wahrnehmung eine Rolle im politischen System spielen, werden darin vorgestellt.
Gesprächspartner:innen
Helga Bandion, Leiterin Protokollabteilung des Bundeskanzleramts
Christoph Herbert Gabriel, verantwortlich für Beflaggungen im Präsidialabteilung im Wiener Rathaus
Harald Dossi, Parlamentsdirektor
Daten und Fakten
Der 1. Mai wird seit 1890 international als „Tag der Arbeit“ begangen, er ist in Österreich ein Feiertag, offiziell Staatsfeiertag. Die Geschichte dahinter ist bewegt. In der ersten Republik wurde der 1. Mai im Gedenken an den Kampf der Arbeiter:innen zum Feiertag ausgerufen, der Staatsfeiertag war damals am 12. November. Im austrofaschistischen Ständestaat sollte dann am 1. Mai der autoritären Maiverfassung gedacht werden, der Staatsfeiertag im November wurde abgeschafft.
Die Nationalsozialisten riefen den 1. Mai zum „Nationalen Tag des deutschen Volkes aus“, was zunächst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges revidiert wurde, seit 1949 ist der 1. Mai Staatsfeiertag ohne speziellen Gedenkhintergrund.
Der 26. Oktober wiederum ist seit 1955 Nationalfeiertag, damals wurde im Nationalrat die immerwährende Neutralität Österreichs beschlossen. Bis 1965 hieß er „Tag der Fahne“, diese Bezeichnung wurde dann abgeschafft.
Die rot-weiß-rote Ausgestaltung der Nationalflagge, das Breitenverhältnis und die Regelungen zum Führen als Dienstflagge samt Abbildung des Wappenadlers sind in der Bundesverfassung normiert, aber sonst nicht viel mehr. Auf der Plattform „Austria Forum“ gibt es eine auf Privatinitiative erstellte „Fahnen- und Flaggenordnung“, die alle Regelungen und Usancen zusammenfasst.
Quellen
Rechtsinformationssystem des Bundes: Rechtsvorschrift für Wappengesetz
Bundesministerium für Landesverteidigung: Flaggenordnung
rotbewegt.at: Drei Pfeile
Austria-Forum: Fahnen- und Flaggenordnung