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Was macht eigentlich der Verwaltungsgerichtshof?

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Neben Präsident:in und Vizepräsident:in sind 66 Richter:innen am Verwaltungsgerichtshof tätig, insgesamt hat der VwGH rund 130 Mitarbeiter:innen.
© Illustration: WZ

Sei es ein Strafzettel oder ein Baubescheid: Wenn Bürger:innen gegen Entscheidungen von Behörden vorgehen wollen, ist in letzter Instanz der Verwaltungsgerichtshof zuständig. Dessen Spitze wurde gerade neu besetzt – ein Anlass, um näher hinzuschauen.


Ist ein Bobby Car, wenn es mit einem Motor und straßentauglichen Reifen getunt wurde, ein Fahrzeug? Auch diese auf den ersten Blick skurrile Frage rund um ein bekanntes Kinder-Rutschauto kann vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) landen. Der Lenker eines solcherart umgebauten Spielzeugs wurde nämlich eines Nachts von der Polizei auf einem Rad- und Gehweg aufgehalten und erhielt mehrere Strafen. Ebenso wegen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung – konkret wegen Alkohol am Steuer – bestraft wurden ein E-Rollstuhlfahrer sowie der Lenker eines Golfcarts auf öffentlicher Straße. In allen Fällen entschied der VwGH nach teils unterschiedlichen Folgerungen der jeweils zuvor angerufenen Verwaltungsgerichte, dass es sich bei allen drei Fortbewegungsmitteln um Fahrzeuge handelt – und die Strafen damit korrekt sind.

Anhand dieser drei Fälle lässt sich bestens nachvollziehen, wann und wofür der VwGH mit seinen 66 Richter:innen, angeführt vom Präsidium (Präsident:in, Vizepräsident:in) zuständig ist. Grundsätzlich hat er die Aufgabe, „die Gesetzmäßigkeit der österreichischen Verwaltung sicherzustellen“, sagt Richter Peter Chvosta im Gespräch mit der WZ. Als oberste Instanz in der Verwaltungsgerichtsbarkeit prüft er aber nur zuvor erfolgte Entscheidungen von Verwaltungsgerichten. Pro Bundesland gibt es ein Verwaltungsgericht, darüber hinaus auf Bundesebene das Bundesfinanzgericht und das Bundesverwaltungsgericht.

Aber der Reihe nach: Um als Bürger:in in Verwaltungsangelegenheiten ein vermeintlich verletztes Recht einzufordern, muss zuvor für gewöhnlich eine offizielle Behördenentscheidung – einen Bescheid vorgelegt werden. Das kann ein Asylbescheid sein, ein Strafzettel, eine Baubewilligung beziehungsweise -abweisung, ein Einkommenssteuerbescheid und so weiter – kurz gesagt alles, wofür man vom Staat eine offizielle Bestätigung bekommt. Wer sich auf einem Amt unhöflich oder unfreundlich behandelt fühlt, aber etwa nur eine Auskunft eingeholt hat, kann sich im Regelfall (Ausnahmen gibt es in engem Rahmen) nicht an die Verwaltungsgerichte wenden – das wäre allenfalls ein Fall für die Volksanwaltschaft (https://www.wienerzeitung.at/a/was-macht-eigentlich-ein-volksanwalt-oder-eine-volksanwaeltin).

In erster Instanz ohne Anwält:in, in zweiter nur mit

Hat man einen Bescheid – und sei es, wie in den zuvor genannten Fahrzeug-Fällen, eine Polizeistrafe – so kann man diesen bekämpfen, und zwar direkt bei der Behörde, die den Bescheid ausgestellt hat. „Ziel der Errichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, den Rechtsschutz möglichst einfach zu gestalten“, sagt Chvosta. „Deshalb können Bürger:innen ihre Beschwerde gleich direkt der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, übermitteln. Diese legt den Akt dann dem zuständigen Verwaltungsgericht vor“. Für solche Einsprüche braucht es also nicht einmal einen Anwalt. Im Falle des alkoholisierten Golfcart-Lenkers entschied auch das Verwaltungsgericht, dass es sich um ein Fahrzeug handelt, und bestätigte die Strafe. Das führte den Alko-Lenker zum VwGH, denn dieser kommt eben dann zum Zug, wenn Bürger:innen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte für rechtswidrig halten.

Für den Gang zum VwGH „herrscht allerdings Anwaltspflicht“, erklärt Chvosta, „und Entscheidungen beim VwGH sind auf grundsätzliche Rechtsfragen beschränkt, wir prüfen also nur, ob die Verwaltungsgerichte die Rechtsprechung eingehalten haben, oder dann, wenn es in einer Rechtssache noch keine Rechtsprechung gibt“. Das Rechtsmittel beim VwGh nennt sich Revision, unterschieden wird auch noch zwischen ordentlicher und außerordentlicher Revision. Grundsätzlich legt jedes Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auch fest, ob dagegen ein Gang zum VwGH zulässig ist – etwa, weil es sich eben um eine bisher gerichtlich nicht behandelte Rechtssache handelt – oder nicht. Wird die Revision vom Erstgericht ausgeschlossen, dann ist sie in einem sogenannten außerordentlichen Verfahren dennoch möglich – nur der Ablauf ist dann etwas anders, sagt Chvosta.

Im Grunde langen alle Revisionen beim Verwaltungsgerichtshof-Präsident oder der -Präsidentin ein und werden dort einem Berichter, einer Berichter:in zugeteilt. Diese:r Richter:in prüft den Akt und bereitet einen Entscheidungsentwurf vor, der dann im zuständigen Senat beraten wird. Es gibt 22 Senate mit unterschiedlichen Rechtsbereichen, somit haben auch die Richter:innen unterschiedliche Zuständigkeiten. Sie werden unterstützt von 45 wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen.

Zu tun haben sie einiges: In den Vorjahren wurden jeweils rund 7000 Verfahren entschieden, berichtet Chvosta, die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 2024 rund 5,5 Monate. Und die Erfolgsquote? „In 15 Prozent der Fälle wurde der Revision stattgegeben, 43 Prozent waren sonstige Erledigungen“, sagt er, rund ein Drittel wurde zurückgewiesen – etwa weil bereits Rechtsprechung des VwGH vorliegt und das Verwaltungsgericht von ihr nicht abgewichen ist.

Der Gang zum Höchstgericht steht freilich nicht nur Bürger:innen zu: Auch die Behörden können gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte über ihre Bescheide den VwGH anrufen. Das ist etwa im Fall des Bobby-Cars und des E-Rollstuhls passiert, wo die jeweiligen Verwaltungsgerichte eine Klassifizierung als Fahrzeug verneinten und die Polizei zum VwGH ging Erst der VwGH entschied, dass diese ebenso wie das Golfcart als Fahrzeug zu sehen seien – und traf damit eine wesentliche Rechtsentscheidung, weil eben zum ersten Mal eine weiter reichende Festlegung des Begriffs „Fahrzeug“ getroffen wurde.

Neue Spitzenpositionen: Von ÖVP und SPÖ besetzt

Und wie wird man eigentlich Richter:in am Verwaltungsgerichtshof? Wird ein Posten frei, erstellt der VwGh in Vollversammlung einen Dreier-Vorschlag für die Nachbesetzung, die Regierung muss einen der drei Genannten zur Bestellung durch den Bundespräsidenten auswählen. Nur die Besetzung der Spitze liegt, wie an allen Höchstgerichten, in den Händen der Regierung. Was das konkret bedeutet, haben sich ÖVP, SPÖ und Neos im Koalitionsabkommen ausgemacht. Demnach hat die ÖVP gerade den Nachfolger von VwGh-Präsidenten Rudolf Thienel bestimmt, die SPÖ hat eine Nachfolgerin für die zur Justizministerin aufgestiegene Vizepräsidentin Anna Sporrer ausgewählt. Albert Posch übernimmt im September von Thienel, der in den Ruhestand tritt – er ist Leiter des Verfassungsdiensts und war zwischenzeitlich auch Kabinettschef bei Ex-Minister Gernot Blümel; Richtererfahrung hat Posch nicht. Die neue Vizepräsidentin Bettina Maurer-Korba, die im Juli beginnt, kennt den VwGH dagegen bereits: Sie ist derzeit Hofrätin dort. Die Aufgaben beschreibt Chvosta so: Der oder die Chef:in vertritt den VwGH nach außen, „leitet den Dienstbetrieb und die Dienstaufsicht, ist also in organisatorischer Hinsicht für das Funktionieren zuständig und führt in der Regel in einem der Senate den Vorsitz“.

In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.


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Infos und Quellen

Gesprächspartner

  • Peter Chvosta, Richter am Verwaltungsgerichtshof

Daten und Fakten

  • Der Verwaltungsgerichtshof wurde 1875 gegründet, 1876 nahm er seine Arbeit auf. Die Möglichkeit für Bürger:innen, ihr Recht in der Verwaltung auf dem Gerichtsweg umzusetzen, war vor fast 150 Jahren revolutionär, der österreichische Verwaltungsgerichtshof galt später vielen anderen Ländern als Vorbild. 2014 gab es eine große Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, seitdem ist der Weg zum Recht wie beschrieben.
  • Neben Präsident:in und Vizepräsident:in sind 66 Richter:innen am Verwaltungsgerichtshof tätig, zusätzlich hat der VwGH rund 130 Mitarbeiter:innen.
  • Das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Richter:innen liegt bei der Bundesregierung, formal ernannt werden sie vom Bundespräsidenten oder der Bundespräsident:in.
  • Einmal im Jahr legt der VwGH seinen Tätigkeitsbericht vor, der für das Jahr 2024 wird Ende Juni veröffentlicht.

Quellen

Das Thema in anderen Medien