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Was macht eigentlich die UNO in Wien?

5 Min
Die Vereinten Nationen (UNO) wurden 1945 gegründet, um Friedensbemühungen weltweit zu unterstützen und voranzutreiben.
© Illustration: WZ, Fotocredit: REUTERS

Heuer jährt sich die Eröffnung des Wiener Standorts der Vereinten Nationen, der UNO-City, zum 45. Mal. Die dort ansässige Atomenergiebehörde (IAEO) ist vielen ein Begriff. Aber wer weiß schon, dass Wien auch Hub für Weltraum-Diplomatie ist?


Andrew Peebles und Rebecca Jovin: Der britische Star Trek-Fan und die deutsch-amerikanische Staatsbürgerin arbeiten beide bei den Vereinten Nationen (UNO kurz für United Nations Organisation, Anm.) in Wien. Oder eigentlich nicht, denn das Vienna International Center (VIC) ist extraterritorialer Boden, was so viel bedeutet, dass es zu keinem Staat gehört. Eine eigene Sicherheitsbörde, eine Feuerwache, Apotheke, Bank oder ein Kindergarten auf dem UNO-Gelände sowie eigene Briefmarken, die nur aus dem VIC verschickt werden können, sind Folgen dieses Status. Und doch ist die UNO-City seit ihrer Eröffnung am 23. August 1979 zu einem Wiener Wahrzeichen geworden.

Peebles und Jovin gewährten für die WZ einen Blick hinter die Kulissen ihrer Arbeit. Peebles arbeitet beim Büro für Weltraumfragen (UNOOSA), Jovin leitet das Büro für Abrüstungsfragen (UNODA). Ihre Aufgaben könnten unterschiedlicher nicht sein – und doch repräsentieren sie gerade deshalb gut, was die internationale Friedensorganisation in Wien macht.

Von New York aus in die ganze Welt

Denn die 1945 gegründete UNO ist, neben der von der Ägypterin Ghada Waly geleiteten Außenstelle des New Yorker Hauptsitzes, in Wien mit mehreren Unterorganisationen, die ganz unterschiedliche Aufgaben haben, präsent. Die größte und bekannteste mit rund 2.500 Mitarbeiter:innen ist die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO). Sie hatte auch schon lange vor dem Bau der UNO-City ihren Hauptsitz in Wien – von 1957 bis zur Eröffnung des VIC 1979 im Grand Hotel bei der Oper. Wichtigstes Ziel der IAEO ist die friedliche Nutzung von Kernenergie.

Ganz grundsätzlich ist die UNO mit all ihren Einrichtungen, Büros, Verbindungsstellen und Unterorganisationen weltweit darauf ausgerichtet, vier Hauptziele zu erreichen, die in der Gründungscharta von 1945 festgelegt sind, dazu kamen über die Jahre die sogenannten Milleniumsziele sowie Nachhaltigkeitsziele (siehe Transparenzseite):

Die Hauptziele der UNO

  • Frieden, Sicherheit und Abrüstung

  • Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Staaten

  • Förderung der Menschenrechte

  • Ein Zentrum zu sein, an dem die Staaten gemeinsam an diesen Zielen arbeiten

Wie erreicht die UNO ihre Ziele?

Doch nun zurück zu Peebles und Jovin. Peebles ist bei UNOOSA Referent für Außenbeziehungen, Jovin leitet das Büro für Abrüstungsfragen. Vergleichbar ist ihr Job insofern, als dass beide das Führen von Verhandlungen als Hauptteil ihrer Arbeit beschreiben. In Peebles Fall bedeutet das etwa: „Wien ist der internationale Hub für Weltraum-Diplomatie. Hier kommen Delegationen aus allen Ländern zusammen, die das All nutzen und versuchen, gemeinsame Standards dafür festzulegen“.

Das betrifft längst nicht nur die wenigen Länder, die Raketen oder Satelliten in den Orbit schießen, klärt Peebles auf. „Vom GPS, das für Navigation notwendig ist, über Wetterdaten oder das Internet – jeder von uns verwendet fast jeden Tag Dinge, die auf Daten aus dem Weltall basieren“. In den Verhandlungen kann es also darum gehen, die steigende Zahl an Satelliten so zu steuern, dass sie aneinander vorbeifliegen, in den vergangenen Jahren ist auch das Management von Weltraum-Schrott ein Thema geworden, sagt Peebles.

Der größte Erfolg UNOOSAs wurde vor seiner Zeit erreicht: Der 1967 unterzeichnete Outer Space Treaty ist ein Standard-Regelwerk für die friedliche Nutzung des Weltraums. Jüngeren Datums sind die „Space Longterm Sustainability Guidelines, die 2019 nach zehnjährigen Verhandlungen von mehr als 100 Ländern unterzeichnet wurden und auf eine langfristig nachhaltige Weltraum-Nutzung abzielen.

Langfristigkeit ist ein gutes Stichwort auch für Jovins Aufgabe in Sachen Abrüstung bei UNODA, dessen Hauptziel „die Beseitigung von Massenvernichtungswaffen und die Kontrolle konventioneller Waffen“ ist. Angesichts zuletzt zunehmender Konfliktherde auf der Welt – angefangen vom Ukraine-Krieg - sieht sich ihr Büro häufig mit Kritik konfrontiert, von Abrüstung könne keine Rede sein. Dem hält Jovin entgegen, dass nach oft jahrelangen Verhandlungen durchaus auch in jüngerer Vergangenheit einiges gelungen sei. Ein „Meilenstein“ ist für sie etwa, dass im Vorjahr die letzten international deklarierten Lager an Chemiewaffen zerstört wurden.

Wie auch Peebles UNOOSA ist aber das Abrüstungs-Büro keine Stelle, die den Mitgliedsländern etwas diktieren kann – vielmehr ist Hauptzweck der UNO, die Verantwortlichen der Staaten zusammenzubringen und gemeinsame Vereinbarungen zu erzielen, die dann legistisch in jedem einzelnen Land umgesetzt werden sollen.

Das breite Netzwerk der UNO

193 Länder der Erde sind aktuell UNO-Mitgliedsstaaten. Die Zahl der jährlichen Konferenzen und Tagungen in Wien ist vierstellig, 37.000 Delegierte wurden 2023 gezählt, rund 20 Veranstaltungen finden mit mehr als 500 Teilnehmer:innen statt – etwa die Generalkonferenz der IAEO, Großveranstaltungen sind auch die Jahrestagungen des Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung und das Komitee für die friedliche Nutzung des Weltalls.

Die muss man dann organisatorisch manchmal auf mehrere Konferenzräume aufteilen, denn die beiden größten fassen jeweils „nur“ 350 Personen. Macht nichts, wenn man Peebles glaubt: Denn zwar sind diese Säle und ihr 70er Jahre Charme mit den dunklen Holzwänden und Leder gepolsterten Sitzen für ihn „als Bühne der Diplomatie einer der coolsten Plätze“ im VIC, aber, „die echte Diplomatie findet in der Cafeteria statt, wenn Delegierte bei einem Kaffee direkt ins Gespräch kommen“.

In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.


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Infos und Quellen

Gesprächspartner:innen

  • Christine Dierk, Medienreferentin, UN-Informationsdienst Wien

  • Rebecca Jovin, Büroleiterin, Büro der Vereinten Nationen für Abrüstungsfragen (UNODA) Wien

  • Andrew Peebles, Referent für Außenbeziehungen, Büro der Vereinten Nationen für Weltraumfragen (UNOOSA)

  • Ines Gabsi, Tour Guide, Besucherdienst, Vereinte Nationen Wien

Daten und Fakten

  • Die Vereinten Nationen (UNO) wurden 1945 gegründet, um Friedensbemühungen weltweit zu unterstützen und voranzutreiben. Der Gründungsvertrag, die Charta der Vereinten Nationen, muss von allen Mitgliedsstaaten vor ihrer Aufnahme unterzeichnet werden. Er beinhaltet unter anderem die Hauptziele der UNO. Die UNO hat derzeit 193 Mitgliedsstaaten, der Hauptsitz in New York wird von UN-Generalsekretär Antonio Guterres geleitet, neben Wien gibt es auch Amtssitze in Genf und Nairobi.

  • 2001 wurden acht neue Ziele, die Milleniumsziele, hinzugefügt. Die Staatengemeinschaft hat sich darin unter anderem zum Kampf gegen Armut und Hunger in der Welt verpflichtet, dazu, allen Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen, schwere Krankheiten zu bekämpfen oder die Gleichstellung der Geschlechter weltweit zu fördern. Mit der Agenda 2030 hat die UNO außerdem 17 Ziele (https://unric.org/de/17ziele/) für eine nachhaltige Entwicklung der Welt festgelegt, darunter findet sich unter anderem Klimaschutz.

  • Am Wiener Standort, dem Vienna International Center (VIC) ist die UNO mit mehreren Unterorganisationen vertreten. Das Hauptbüro (UNOV), die Vertretung UN-Generalsekretär Antonio Guterres in Wien, leitet seit 2022 erstmals eine Frau, die Ägypterin Ghada Waly.

  • Rund 5.000 Mitarbeiter:innen, davon rund die Hälfte bei der IAEO, arbeiten in Wien bei den Vereinten Nationen. Etwas mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter:innen kommt nach Angaben der UNO aus Österreich (861). US-Amerikaner sind die zweitgrößte Nationalität in Wien (337), gefolgt von Franzosen und Briten mit Jeweils knapp mehr als 200 Mitarbeiter:innen. Rund hundert Nationalitäten sind am Standort tätig, Amtssprache ist Englisch.

  • Diplomatenstatus haben nur einige hochrangige UNO-Mitarbeiter:innen. Und obwohl das VIC offiziell auf extraterritorialem Boden geführt wird, und unter anderem eine eigene Sicherheitsbehörde hat, bedeutet das nicht, dass österreichisches Recht nicht gilt. Während der Pandemie etwa waren alle Mitarbeiter:innen angehalten, sich an die österreichischen und Wiener Vorschriften zu halten, heißt es seitens der Pressestelle. Allen UNO-Mitarbeiter:innen vorbehalten ist hingegen der internationale Supermarkt am Gelände, wo es vorwiegend Produkte aus den Heimatländern der Mitarbeiter:innen gibt.

  • Nicht nur die Frage, warum sich die Vereinten Nationen vor 45 Jahren überhaupt für Wien als dritten Standort – nach Genf und vor Nairobi – entschieden haben, auch die architektonische Geschichte ist durchaus spannend. Österreichs Neutralität und die damalige geopolitische Lage am Rande des Eisernen Vorhangs sind zwei Gründe, warum nach dem Hauptsitz in New York und der Außenstelle in Genf die Wahl für einen UNO-Standort auf Wien fiel. Dazu kam der Einsatz des damaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky (SPÖ), der Wien damit international eine positiv aufgeladene Bedeutung geben wollte. Weshalb sich Republik und Stadt Wien auch die Baukosten teilten und das VIC um eine symbolische Jahresmiete von damals einem Schilling für 99 Jahre an die UNO verpachteten. Vertraglich ungeregelt blieb, was 2078 passiert.

  • Trotz des erwähnten 70er Jahre Charmes, der sich etwa auch am teils exzessiven Einsatz der Farbe Orange bei Wand- und Fenstergestaltung im Inneren zeigt, ist das UNO-Ensemble erstaunlich visionär, denn Biegungen und unterschiedliche Höhe der insgesamt sechs Türme - die ein niedriges, rundes Gebäude, die Rotunde, verbindet – machen nicht nur optischen Sinn. Dadurch hat der österreichische Architekt Johann Staber sichergestellt, dass zu keiner Tageszeit ein Turm auf den anderen Schatten wirft. Auch haben alle Büros – dank einem der 22.000 Fenster - Tageslicht, was in einem Komplex derartiger Größe nicht selbstverständlich ist.

  • Einen neuen Anstrich hat die UNO-City Richtung Wagramer Straße zum 45er-Jubiläum bekommen: Das 50 Meter hohe Werk „Frau mit Taube – Unsere Zukunft gestalten“ ist das größte Street Art-Projekt in Wien.

    Wer sich das alles selbst aus der Nähe ansehen will: Der UNO-Besucherdienst bietet wochentags geführte Touren auf extraterritorialem Boden an.

Quellen

Das Thema in der WZ

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