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Was macht eigentlich ein:e Bezirksvorsteher:in?

6 Min
Gewählt werden die Bezirksvorsteher:innen von den Wiener:innen indirekt.
© Illustration: WZ

Bei der Wien-Wahl am 27. April werden Landtag und Gemeinderat gewählt, aber auch über ihre Bezirksvertreter:innen stimmen die Wiener:innen ab. Bezirkskaiser oder vorwiegend Titel ohne Mittel – was sind die Bezirksvorsteher:innen eigentlich?


Nicht nur die Spitzenkandidat:innen der Parteien, die um den Einzug ins Wiener Rathaus rittern, lächeln derzeit in der Bundeshauptstadt von vielen Wahlplakaten. Dazwischen hängen auch Werbebotschaften mit Bildern von Menschen, die in der Regel nur kennt, wer im jeweiligen Bezirk lebt: Es posieren die Bezirksvorsteher:innen – oder jene, die das werden wollen.

Sie sind – fast – ein österreichisches Unikum, lediglich in Graz gibt es die Funktion auch, allerdings in etwas anderer Ausgestaltung. Die Bezirksbürgermeister:innen in Deutschland sind wieder etwas anderes. Gewählt werden die Bezirksvorsteher:innen von den Wiener:innen ebenso wie der oder die Bürgermeister:in indirekt. In der Bezirksvertretung sitzen je nach Bezirksgröße 40 bis 60 Personen, formal hat die bei der Bezirksvertretungswahl stimmenstärkste Partei das Nominierungsrecht für den oder die Bezirksvorsteher:in. Das war bei der Wahl 2020 in 17 der 23 Wiener Bezirke die SPÖ, drei Bezirksvorsteher:innen stellte die ÖVP, drei stellten die Grünen.

Die Ergebnisse der Bezirksvertretungswahlen in Wien aus dem Jahr 2020 anhand einer Wienkarte visualisiert.
Die Ergebnisse der Bezirksvertretungswahlen in Wien aus dem Jahr 2020.
© Illustration: WZ, Quelle: wien.gv.at

Präsent sind sie nicht nur vor der Wahl: Ob es eine neue Parkbank zu bejubeln gibt, irgendwo ein Baum gepflanzt wird oder bei allen möglichen Festivitäten im Bezirk – sie lassen sich meistens blicken, geben gern den oder die „Bezirksbürgermeister:in“, so manche haben sogar den Ruf als Bezirkskaiser:in. Trotz vieler roter Bastionen ist dabei Adi Tiller unerreichbar: Der ÖVP-Mann trat 2018 nach 40 Jahren als Vorsteher von Döbling (19. Bezirk) in den Ruhestand.

Wie viel Macht haben sie?

Doch entspricht ihre Rolle tatsächlich der Machtfülle, die oft suggeriert wird? Formal eher nicht. Denn auch wenn die Liste der „Eigenzuständigkeiten“ in der Wiener Stadtverfassung lang ist, so bedeutsam ist die tatsächlich damit verbundene Entscheidungsbefugnis nicht. Wirkliche Kompetenzen haben Bezirksvorsteher:innen etwa bei Musikschulen, Jugend- und Senioreneinrichtungen, kleineren verkehrsorganisatorischen Maßnahmen oder öffentlichen WC-Anlagen. Die Verantwortung für Pflichtschulen und Kindergärten beschränkt sich hingegen auf „Instandhaltung und Instandsetzung“ sowie „Anschaffung von Einrichtungsgegenständen“. Bei wichtigen Entscheidungen, sei es die Errichtung von Bildungseinrichtungen oder sonstige Standortentscheidungen, kommt den Bezirken ein Anhörungs- und Mitwirkungsrecht zu. Was bedeutet, „dass sie im jeweiligen Entscheidungsprozess gehört werden müssen, aber nicht entscheiden können“, wie Erwin Streimelweger vom Geschäftsbereich Recht der Wiener Magistratsdirektion gegenüber der WZ erklärt.

Wie ausgeprägt diese Rechte in der Realität gelebt werden, hängt aber nicht allein von den Buchstaben des Gesetzes ab, sondern auch dem Verhältnis des oder der jeweiligen Bezirksvorsteher:in zum Bürgermeister. Und jeder Amtsinhaber tut realpolitsch gut daran, für seine Bezirksvorsteher:innen ein offenes Ohr zu haben. Denn sie sind nun einmal „der verlängerte Arm des Bürgermeisters in den Bezirken“, wie es selbst Streimelweger formuliert. So manche der mehrheitlich roten Bezirksvorsteher:innen, vor allem die langjährigen, sind in der Wiener SPÖ daher auch ein echter innerparteilicher Machtfaktor.

Die Bezirksvorsteher:innen kennen durch ihre Gespräche und Kontakte die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Bezirksbürger:innen besser als die meisten im Rathaus. Sie wissen, um ein paar wiederkehrende, bezirksunabhängige Aufreger zu nennen, welcher Park vielleicht verkümmert, wo Radfahrer:innen und Autofahrer:innen ständig aneinandergeraten und wie die Parkplatzsituation in den Grätzln ist. Entsprechend können sie – wieder ein fiktives Beispiel – die Errichtung neuer Radwege anstoßen oder auch verhindern, je nachdem, wo sie glauben, die Mehrheit der Bezirksbürger:innen hinter sich zu haben. Der schon erwähnte Adi Tiller wehrte sich lang vehement gegen die Einführung des Parkpickerls in Döbling und verzögerte diese dadurch tatsächlich – verhindern konnte er es letztlich nicht.

Die Ergebnisse der Bezirksvertretungswahlen in Wien aus dem Jahr 2020 in einem Säulendiagramm visualisiert.
Die Ergebnisse der Bezirksvertretungswahlen in Wien aus dem Jahr 2020.
© Illustration: WZ, Quelle: wien.gv.at

Jede:r hat ein eigenes Budget

Für die Erledigung der ihnen übertragenen Aufgaben bekommen die Bezirke - und damit auch die Bezirksvorsteher:innen - ein eigenes Budget. Knapp drei Prozent der Mittel der Stadt werden von den Bezirken verwaltet. Verteilt wird das Geld nach einem Schlüssel, der nicht nur die Einwohner:innenzahl, sondern unter anderem auch die notwendigen Einrichtungen im Bezirk (Verkehrsflächen, Schulen, Kindergärten, Bäder, WC-Anlagen etc.) berücksichtigt, erklärt Streimelweger. Diese sogenannte „Ober- und Unterverteilung“ führt dazu, dass der Pro-Kopf-Wert des Bezirksbudgets durchaus große Unterschiede aufweist: So entfielen 2024 auf eine:n Donaustädter:in rund 122 Euro vom Bezirksbudget – und damit nur wenig mehr als ein Drittel dessen, was ein:e City-Bürger:in wert war.

Das große Geld haben die Bezirksvorsteher:innen aber nicht zu verteilen, und schon gar nicht freihändig: Das Budget darf – und muss – für die ihnen übertragenen Angelegenheiten verwendet werden. Wenn also in einer Volksschule neue Tische und Stühle gebraucht werden, oder die Straßenbeleuchtung erneuert werden muss, kommt das aus dem Bezirksbudget. Bleiben wir in der Donaustadt: Für Schulen und Kindergärten sind für 2025 mehr als acht Millionen Euro reserviert, für Straßenbauprojekte fast gleich viel, bleiben vom Gesamtbudget, das für heuer veranschlagt wird, noch knapp elf Millionen für den Rest.

Eine visualisierte Darstellung der voraussichtlichen Ausgaben für Allgemein bildende Pflichtschulen in Wien und deren Aufteilung auf die verschiedenen Wiener Gemeindebezirke.
Voraussichtliche Ausgaben für Allgemein bildende Pflichtschulen in Wien und deren Aufteilung auf die verschiedenen Wiener Gemeindebezirke.
© Illustration: WZ, Quelle: wien.gv.at

Zahlen ja, bestimmen nein

Straßenangelegenheiten sind freilich so eine Sache: Bezahlt werden Sanierungen aus dem Bezirksbudget, formal bestimmen dürfen die Bezirksvorsteher:innen oder -vertretungen darüber nicht, das erfolgt auf übergeordneter Ebene. Was immer wieder zu kuriosen Diskussionen führt, wer denn nun zum Beispiel den neuen Radweg im Bezirk umgesetzt hat – oder verhindert, und damit Parkplätze gerettet hat.

So manche finanzielle Entscheidung, sofern es Projekte in der Eigenzuständigkeit betrifft, können Bezirksvorsteher:innen aber tatsächlich allein treffen – und zwar bis zu Ausgaben in Höhe von 179.000 Euro. Darüber muss entweder der Finanzausschuss des Bezirks oder sogar die versammelte Bezirksvertretung befasst werden, betont Streimelweger. Diese Wertgrenzen werden jährlich angepasst.

Eine visualisierte Darstellung der Bezirksmittel 2024 und deren Aufteilung auf die verschiedenen Wiener Gemeindebezirke.
Aufteilung der Bezirksmittel 2024 auf die verschiedenen Wiener Gemeindebezirke.
© Illustration: WZ, Quelle: wien.gv.at

Absolute Vorgaben, wie viel für welchen Budgetposten maximal oder minimal ausgegeben werden darf, gibt es nicht. Die Stadtverfassung regelt nur, dass es sich eben um „finanzielle Zuständigkeiten des Bezirks“ handeln muss – aber ob mehr Geld für Senior:innen oder Kinderspielplätze investiert wird, kann ein:e Bezirksvorsteher:in selbst entscheiden. Auch Öffentlichkeitsarbeit ist ein Budgetposten – für den im heurigen Wahljahr in fast allen Bezirken mehr veranschlagt wurde als im Vorjahr. Die Liste, wofür die Bezirke ihr Budget verwenden, ist öffentlich einsehbar.

In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.


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Infos und Quellen

Gesprächspartner:innen

  • Erwin Streimelweger, Geschäftsbereich Recht in der Wiener Magistratsdirektion

  • Andrea Leitner, Mediensprecherin der Magistratsdirektion

Daten und Fakten

  • Alle Regelungen rund um Aufgaben, Pflichten und Befugnisse der Bezirksvorsteher:innen finden sich in der Wiener Stadtverfassung. So sind die Eigenzuständigkeit, die Mitwirkungsrechte sowie die sonstigen Aufgaben der Bezirksvorsteher:innen und der Bezirksvertretungen in den §§ 103, 103a, 103f, 103g, 103h, 104, 104a, 104b, 104c WSt verankert. Die Anhörungsrechte der Bezirksvorsteher:innen und der Bezirksvertretungen sowie die Informationsrechte der Bezirksvorsteher:innen sind in den Verordnungen des Bürgermeisters festgehalten (V 1-180, V1-200 und V 1-220).

  • Die SPÖ stellte in Wien in der Zweiten Republik bisher nicht nur alle Bürgermeister, sondern noch immer auch die Mehrheit der Bezirksvorsteher:innen. Traditionell schwarz sind Döbling, Währing und der erste Bezirk, die Grünen haben in den vergangenen Jahrzehnten auch einige Bezirke erobert. Bei der vergangenen Wahl 2020 verloren hat die FPÖ ihre davor eroberten Bezirksvorsteher, jener von Simmering, Paul Stadler, probiert es heuer erneut.

Quellen

Das Thema in anderen Medien