Spitzelvorwürfe, Abberufung und Klagen: Die Affäre rund um den im Vorjahr abgesetzten Klagenfurter Magistratsdirektor bietet eine gute Gelegenheit, sich in dieser WZ-Kolumne den Job näher anzusehen – unter anderem am Beispiel Wiens.
Was sich im Klagenfurter Magistrat und Rathaus abgespielt hat, beschäftigte Medien weit über die Kärntner Landesgrenzen hinaus. Die Kurzzusammenfassung: Nachdem interne Unterlagen, darunter auch Überstundenabrechnungen von Magistratsdirektor Peter Jost, an die Öffentlichkeit gelangt waren, ließ er als Chef der Behörde alle E-Mail-Konten der Domain „klagenfurt.at“ – vom Bürgermeister abwärts – nach dem vermeintlichen Maulwurf durchforsten. Der als „Spitzelaffäre“ bekannt gewordene Vorgang führte zu Josts Abberufung durch den Gemeinderat, die er nun gerichtlich bekämpft. Pikanterie am Rand: Jost war 2010 schon einmal als Magistratsdirektor abberufen worden, hatte dagegen aber erfolgreich geklagt. Sein Verhältnis zu Bürgermeister Christian Scheider ist seither alles andere als friktionsfrei.
- Für dich interessant: Was werden Bundespolitiker:innen 2025 verdienen?
Schlechte Voraussetzung für den Job: Bürgermeister:in und Magistratsdirektor:in sollten idealerweise ein Vertrauensverhältnis haben. Denn der Magistrat ist zwar Verwaltungsbehörde, handelt aber im Auftrag der Politik.
Die Beschlüsse der politischen Organe sind umzusetzen.Dietmar Griebler, Wiener Magistratsdirektor
Dietmar Griebler, Wiener Magistratsdirektor, beschreibt seine Aufgabe so: „Die Beschlüsse der politischen Organe sind umzusetzen, dazu gibt es den Verwaltungsapparat.“ Formal ist der/die Bürgermeister:in sogar Chef:in des Magistrats und hat ein Weisungsrecht nicht nur gegenüber dem/der Magistratsdirektor:in, sondern gegenüber allen Magistratsbediensteten. Die diversen Magistratsabteilungen sind den fachlich zuständigen Stadträt:innen untergeordnet. Ist der/die Magistratsdirektor:in also eigentlich nur Befehlsempfänger:in?
So simpel ist das nicht, weder formal noch praktisch. Die Weisungskette gibt dem/der Magistratsdirektor:in durchaus Macht: Er oder sie kann jeden Akt jeder Abteilung an sich ziehen und erledigen, oder Vorgaben zur Erledigung machen. Und wenn die Dinge nicht gerade so laufen wie in Klagenfurt, berät der/die Magistratsdirektor:in die Politik. „Zu meinem tagtäglichen Geschäft gehört die Beantwortung von Anfragen und Anträgen, das Einholen von Gutachten, die Beauftragung des Verfassungsdienstes oder die Vorbereitung etwa von LH-Konferenzen. Und wenn es neue Dinge umzusetzen gibt, reden der Bürgermeister und ich vorher miteinander. Da sind auch alle zuständigen Abteilungen eingebunden und bringen ihre Erfahrung ein“, sagt Griebler. Für ihn ist das Weisungsrecht „ein Konfliktlösungsmechanismus, aber de facto kommt es nicht vor, dass zum Beispiel der Bürgermeister oder ich etwas ‚anschaffen muss‘“. Die Zusammenarbeit erleichtert, dass man in derselben Partei ist. Laut Griebler keine Voraussetzung für den Job – auf dem Papier stimmt das, da gilt „Jurist“ als Grundvoraussetzung. Aber weil der Job auch unbefristet ist, ist die Besetzung des Postens immer eine politische Frage, egal wo.
Winzige und riesige Magistrate
15 Magistrate gibt es in Österreich, in allen sogenannten Statutarstädten, mit Ausnahme von Bregenz. Vergleichbar sind sie nur bedingt und Wien ist sowieso ein Sonderfall, weil es nicht nur Stadt, sondern auch Bundesland ist. Weshalb der Magistrat zusätzlich Aufgaben übernimmt, die anderswo die Bezirksverwaltungsbehörden erledigen, und er überdies Amt der Wiener Landesregierung ist. Aber auch die schiere Größe macht Grieblers Job schwer mit dem anderer Magistratsdirektor:innen vergleichbar: Er hat in 56 Magistratsabteilungen 67.000 Mitarbeiter, weitere 23.000 arbeiten in den ausgelagerten Gesellschaften Wiener Wohnen, Wien Kanal und Gesundheitsverbund. Der Ruster Magistratsdirektor Matthias Szöke dagegen beschäftigt für die knapp 2.000 Einwohner zählende Stadt 40 Mitarbeiter:innen – dazwischen liegen je nach Größe der Stadt drei- bis vierstellige Beschäftigtenzahlen. Mit der Auslagerung mancher Aufgaben ist Wien nicht allein, das haben auch einige andere Städte so geregelt.
Was machen nun die Magistrate? Bewusst oder unbewusst hat jede:r Stadtbewohner:in im Leben nicht nur einmal Kontakt mit seinem oder ihrem Magistrat: Sie sind, grob gesagt, für die Grundversorgung einer Stadt zuständig – von der Müllabfuhr über das Meldewesen bis hin zu Verkehrs- und Stadtplanung oder Kindergarten- und Pflichtschulplätzen. Die Kontrolle sitzt auch im Haus: Kontrollamt oder Stadtrechnungshof sind Teil des Magistrats.
Sonderaufgaben haben die Magistrate in Krems und Waidhofen an der Ybbs übernommen: Dort ist der/die Bürgermeister:in, respektive Magistrat, auch Sicherheitsbehörde und damit unter anderem für den Vollzug von Sicherheitspolizei-, Versammlungs- und Waffengesetz zuständig. Das bedeutet aber nicht, dass Krems eine eigene Stadtpolizei hat, wie der Kremser Magistratsdirektor Karl Hallbauer erklärt, sondern, dass hier die Aufgaben der Landespolizeidirektion übernommen werden.
Viel Kritik in Wien
Je größer der Magistrat, umso mehr Managementaufgaben hat der/die Direktor:in. Chefsache ist die Leitung des Inneren Dienstes – das umfasst organisatorische, personelle und budgetäre Themen –, wobei die Vorgaben, Zuteilungen und Schwerpunktsetzungen von der Politik kommen. Griebler, seit Juni 2022 im Amt, gibt viel Verantwortung an die einzelnen Magistratsabteilungen ab. Seinen Job sieht er vor allem darin, für vergleichbare Standards bei der Erledigung von Aufgaben und Akten zu sorgen: „Ich bin ein Verfechter der dezentralen Verwaltung, die Abteilungen arbeiten eigenständig, jeder weiß, was zu tun ist. Ich bin nicht der, der sich permanent einmischt. Das ist auch nicht gut für die Kultur des Hauses“, sagt er.
Nicht gut, so lautete vielfach das Urteil über so manche Wiener Magistratsabteilung, und das gilt dann auch dem/der Chef:in. Die MA 35 steht seit Jahren in der Dauerkritik. Die Abteilung ist für Einbürgerungen zuständig. Die Fälle stauen sich, die Bearbeitung dauert zu lang. Zuletzt kritisierte der Stadtrechnungshof das millionenschwere Werbebudget der MA 48 (Abfallwirtschaft). „Ich kann nicht ausschließen, dass es da und dort Verbesserungspotenzial gibt, wir sind nicht perfekt“, gibt sich Griebler selbstkritisch, sagt aber auch: „Wir müssen uns als öffentliche Verwaltung manchmal prügeln lassen für Entscheidungen, die viel komplexer sind als zum Beispiel in einem privaten Unternehmen. Ich bin überzeugt, dass wir professionell verwalten und sehr gut aufgestellt sind. Wir machen nicht einfach irgendwas, wir denken uns auch etwas dabei.“
Der Kleingarten des Bezirksvorstehers
Beispiel MA 35: Diese sei zwar für die Vollziehung zuständig, die Gesetze mache aber der Bund, die hohe Zahl an anstehenden Einbürgerungen sei eine absehbare Folge der Flüchtlingswelle 2015 gewesen. Beispiel Werbebudgets: Hier verweist Griebler auf das seit heuer geltende Medienkooperations- und Fördertransparenzgesetz, das eine „Meldepflicht für alle Werbe- und Medienschaltungen der Dienststellen zentral über die zentrale Kommunikationsstelle KOM (vormals PID)“ vorsieht.
Dann ist da noch die Sache mit den Flächenwidmungen: Da gab es, wie von der WZ aufgedeckt, einige fragwürdige Umwidmungen, von denen SP-Bezirkspolitiker:innen profitiert haben. Dazu hält sich Griebler bedeckt: „Die Prüfung der internen Revision läuft noch. Außerdem sind eine RH- und eine Stadt-RH-Prüfung anhängig.“ Die Ergebnisse wird nicht nur er mit dem Bürgermeister besprechen müssen.
Und wo sieht Griebler selbst Verbesserungspotenzial im Magistrat? Neben dem papierlosen Büro ausgerechnet in der internen Kommunikation: „Informationen weiterzugeben ist nicht jedermanns Sache, weil dann glaubt man, vielleicht nicht so wichtig zu sein. Dieses Denken ist aber überholt.“ Wie das wohl in Klagenfurt gesehen wird?
In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.
Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns - sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.
Infos und Quellen
Zur Autorin
Jasmin Bürger blickt auf fast zwei Jahrzehnte Erfahrung als Innenpolitik-Redakteurin zurück. Sie kennt die politischen Verhältnisse, Österreichs demokratisches System und die Besonderheiten der heimischen Politik bestens. In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt sie als freie Journalistin für die WZ alle 14 Tage die Schaltstellen der Republik. Ämter, Funktionen, Personen und auch Dinge, die in und abseits der öffentlichen Wahrnehmung eine Rolle im politischen System spielen, werden darin vorgestellt.
Gesprächspartner
Dietmar Griebler, Wiener Magistratsdirektor
Karl Hallbauer, Kremser Magistratsdirektor
Daten und Fakten
Magistrate als Verwaltungsbehörde gibt es in den 15 Statutarstädten Österreichs, das sind Städte mit eigenem Statut nach Art. 117 Abs 7 B-VG. In allen anderen Gemeinden Österreichs nehmen die jeweiligen Bezirkshauptmannschaften die Aufgaben der Gemeindeverwaltung wahr. Die Magistrate sind somit für alles zuständig, was eine Stadt am Laufen hält: von Stadtplanung über Baupolizei bis zu Kindergärten, Pflichtschulen, Gesundheitsdienst oder Müllabfuhr. Als Beispiel findet ihr hier die Gliederung der Magistrate Wien und Krems.
Der/die Magistratsdirektor:in ist Leiter:in des Magistrats, das in mehrere Abteilungen und Geschäftsbereiche gegliedert ist. Allerdings untersteht der/die Magistratsdirektor:in dem/der Bürgermeister:in, die einzelnen Abteilungen sind den in fachlicher Sicht zuständigen Stadträt:innen unterstellt. Zwar kann der/die Magistratsdirektor:in jeden Akt an sich ziehen, um ihn selbst zu erledigen oder nach seinen/ihren Weisungen erledigen zu lassen und allen Magistratsbediensteten Weisungen erteilen. Gleichzeitig ist er/sie aber, so wie alle Mitarbeiter:innen eines Magistrats, dem/der Bürgermeister:in weisungsgebunden. In der Regel agiert der/die Magistratsdirektor:in aber durchaus in Vertretung des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin als Vorsteher:in des Magistrats. Seine/ihre Bestellung erfolgt durch den Stadtsenat.
In der Magistratsdirektion liegt üblicherweise die Geschäftsstelle „Innerer Dienst“ und die Verantwortung für Bereiche wie Recht, Personal, Organisation, Kommunikation. Teil des Magistrats ist auch der Stadtrechnungshof oder das Kontrollamt.
Der Wiener Magistrat hat eine Sonderstellung, da Wien gleichzeitig Stadt und Bundesland ist. Deshalb ist er selbst Bezirksverwaltungsbehörde, außerdem übt der Wiener Magistrat auch die Aufgaben des Amtes der Landesregierung aus. Zum Wiener Magistrat gehören die 15 magistratischen Bezirksämter; die Bezirksvertretungen und Bezirksvorsteher wiederum sind politische Organe und nicht Teil des Magistrats.