Zum Hauptinhalt springen

Was wurde aus der politischen Taylor Swift?

5 Min
Wo ist die „Aktivistin" in Taylor Swift hin?
© Illustration: WZ / Katharina Wieser

Sich gegen rechte Politik einzusetzen, scheint Taylor Swift aktuell nicht so wichtig zu sein. Stattdessen schwebt sie mit Travis Kelce auf Wolke sieben und lässt sich von der MAGA-Manosphere instrumentalisieren.


„Die Geburt einer Aktivistin“: So beschrieb das US-Entertainment-Magazin Variety die 2020er-Netflix-Dokumentation „Miss Americana”, die Taylor Swift so vermeintlich echt zeigt wie noch nie. In dem Film äußerte sich Swift erstmals politisch, teilte ihren Struggle, sich als stets lieb grinsende Country-Pop-Sängerin liberal positionieren zu wollen. Ihr Vater und ihr Team waren aus Sicherheits- und Business-Gründen vehement dagegen, aber Taylor setzte sich durch. „Wenn ich schlechte Presse bekomme, weil ich sage ‚Wählt keinen homophoben Rassisten ins Office‘’, dann bekomme ich eben schlechte Presse”, sagte sie da unter anderem. Der Rest ist Geschichte: Taylor Swift zementierte mit der „Eras”-Tour ihren Status als Weltstar und wurde mit ihrer neu gefundenen politischen Entschlossenheit zur Hoffnungsträgerin der US-Demokrat:innen.

Hauptsache, das Branding stimmt

Ein paar Jahre, viele verdiente Millionen und einen Verlobungsklunker später fragen sich viele: Wo ist diese „Aktivistin“ hin? Seit dem Release von „Miss Americana“ ist viel passiert. Swift trennte sich 2023 von ihrem damaligen Freund Joe Alwyn und verliebte sich in den Football-Star Travis Kelce. Und so ganz nebenbei verschlimmerte sich auch noch die weltpolitische Lage, nicht zuletzt dank Donald Trump. Aber wer will das schon so genau nehmen, wenn wir Wichtigeres zu besprechen haben (zum Beispiel, wie viele Varianten von Taylor Swifts kommendem Album „The Life of a Showgirl“ es geben wird)?

Auf meiner TikTok-For-You-Page landen derzeit immer wieder Videos von Swifties, die es genau nehmen wollen. Sie finden, dass Taylor Swifts politische Positionierung in der letzten Zeit zu wünschen übrig lässt. Nicht nur, weil es viele Anliegen gäbe, über die man als Superstar sprechen könnte, wenn sie einem wirklich am Herzen liegen. Sondern auch, weil Taylor sich mit ihrer Beziehung zu Travis Kelce in eine – sagen wir – interessante Bubble begeben hat. Vorweg: Travis Kelce selbst ist eher kein Trump-Wähler. Er gilt als „liberal“ und sorgte zum Beispiel 2017 für Aufsehen, als er während der US-Hymne gemeinsam mit seinem Kollegen Colin Kaepernick auf dem Spielfeld kniete, um ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeibrutalität zu setzen. Auch dass er sich für die Covid-Impfung stark machte, sorgte nicht gerade für seine Beliebtheit unter MAGA-Fans (kurz für Trumps Slogan „Make America Great Again“). Aber er ist ein freundlicher Kerl, der genauso wie Taylor Swift weiß, wie man sich eine Marke aufbaut.

Applaus von MAGA und fragwürdige Markendeals

In der National Football League (NFL) gibt es zahlreiche MAGA-Connections. Eine Untersuchung zeigte, dass die politischen Spenden der Besitzer:innen der NFL-Teams eher zugunsten der Republikaner:innen ausfallen. Der Besitzer von Travis Kelces Team (Kansas City Chiefs) ist ebenso Republikaner. Auch viele der prominenten Zuschauer:innen, mit denen Taylor Swift bei ihren Stadionbesuchen abhängt, sind MAGA: Viel Kritik musste sie vor allem für ihre Freundschaft mit Chiefs-Quarterback-Ehefrau Brittany Mahomes einstecken, bei der sich Donald Trump öffentlich für ihren Support bedankte.

Verschärft wurde der ganze Diskurs schließlich durch die Verlobung von Taylor und Travis. Die zeitlich perfekt an den Album-Rollout-Plan angepasste Ankündigung sorgte nicht nur bei Fans für Schnappatmung, sondern auch bei Rechten. So kommentierte der mittlerweile verstorbene Charlie Kirk, dass ihre Ehe die beiden bestimmt „konservativer machen“ und „deradikalisieren“ werde, wobei er nicht erklärte, was genau an den beiden „radikal“ sei. Auch sei ihre Ehe ein tolles Zeichen gegen die sinkende Geburtenrate in den USA. Die Verlobung sei ein „harter Schlag für das Woke-Movement“, hieß es weiter. Auch Trump wünschte den beiden „viel Glück“, nachdem er in den letzten Jahren nicht müde geworden war, über Swift herzuziehen. Hinzu kommt, dass Travis kurz nach der Verlobung einen Markendeal mit „American Eagle“ verkündete – der Brand, die sich nach einer Kampagne mit Sydney Sweeney erst kürzlich Vorwürfe gefallen lassen musste, die Gene weißer Menschen als „besser“ geframed zu haben.

Mr. & Mrs. Americana

Nun kann Taylor Swift natürlich nichts dafür, was die rechte Manosphere über sie sagt. Genauso wie man zu ihrer Verteidigung sagen könnte: Nur weil sie bei einem Footballspiel mit jemandem feiert, muss das noch nichts mit den politischen Ansichten dieser Person zu tun haben. Beides: Fair enough, aber auch ein bisschen zu kurz gedacht. Swift ist bekannt für ihre raffinierten Easter Eggs, ein popkulturelles Markenerlebnis, in dem jeder noch so kleine Fussel etwas bedeutet. Da fällt es schwer, ihre neu gefundene Stille oder die Freundschaft zu Brittany Mahomes als bedeutungslos abzutun. Die viel wahrscheinlichere Erklärung: Politik ist Taylor und Travis egal, weil sie ihnen egal sein kann. Sie sind reich, weiß, privilegiert – und sind gerade dabei, sich gemeinsam ein „Tayvis-Imperium” aufzubauen. Da hilft es, sich mit allen gut zu stellen.

Taylor Swift könnte sich sehr wohl dagegen wehren, von MAGA-Männern zur großen Trad-Wife-Hoffnung stilisiert zu werden, zur „bekehrten Woke-Anhängerin”, die nur den richtigen Mann brauchte, der ihr den rechten (Pun intended) Weg zeigt. Sie könnte sich gegen Trump äußern oder feministische Initiativen unterstützen. Taylor Swift und Travis Kelce sind vielleicht keine dezidierten MAGA-Anhänger:innen, aber sie tun auch nichts gegen all diejenigen, die es ihnen nachsagen. Stattdessen liefern sie weiterhin die perfekten American-Dream-Paarbilder, befeuern die Fantasie des weißen Power-Couples, das die USA, wie Trump, Kirk & Co. es sich vorstellen, noch retten kann. Aus „Miss Americana & The Heartbreak Prince” wurden „Mr. & Mrs. Americana”. Und nicht allen Fans gefällt das. Und ich selbst bin eine von ihnen.

Die freie Journalistin, Autorin und Popkultur-Expertin Verena Bogner schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne für die WZ.


Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen, dir ist ein Fehler aufgefallen oder du hast Hinweise für uns - sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.


Infos und Quellen

Ähnliche Inhalte