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Weil WO wichtig ist

5 Min
Nunu Kaller schreibt zweimal im Monat eine Kolumne für die WZ.
© Illustration: WZ, Bildquelle: privat

Die Menschen sparen, und wenn sie sich etwas gönnen, kaufen sie meist online ein. Warum #buylocal so wichtig ist.


Kürzlich war ich ein paar Tage in München. Mitten im angesagten Schwabing sah ich immer wieder leerstehende Geschäftslokale, eine Bäckerei hatte nach 130 Jahren geschlossen, ein Buch-Antiquariat nach 140 Jahren. Es war nicht überraschend, die Mieten steigen immer weiter und weiter, die Umsätze sinken – aber es gab auffällig viel Leerstand. Viele Menschen sparen. Ein bedrückendes Gefühl.

Der Buchhandel leidet

Zurück in Wien traf ich eine meiner liebsten Buchhändlerinnen, Petra Hartlieb. Petra ist wohl die bekannteste und erfolgreichste Buchhändlerin der Stadt, was heißt, des Landes! Sie führt nicht nur ihre Buchhandlung, sie schreibt selbst, sie macht Podcasts, sie ist eines der Herzen der Wiener Buchwelt. Und sie erzählte mir etwas, was mich sehr überraschte: Ihr Laden läuft nicht mehr so gut wie früher. Die Menschen, die in den Laden kommen, kaufen zwar – aber es kommen immer weniger Menschen.

Da gibt es jetzt zwei Erklärungen: Erstens – es wird allgemein weniger konsumiert. Wir alle ächzen unter der Inflation der letzten Jahre. Meine Miete ist beispielsweise um 150 Euro gestiegen, meine Fixkosten insgesamt locker um 400 Euro – und damit steh ich nicht allein da. Und das muss man erst mal verdienen! Egal ob Mieten, Versicherungen, Energiekosten oder im Supermarkt: Alles ist teurer. Klar sind da so Späße wie schnell mal ein neues Buch nicht drin. Im Vergleich zu 2021 sind Lebensmittel und Getränke um etwa 44 Prozent (!) teurer geworden, die Einkommen sind nicht im selben Ausmaß gestiegen, sondern weniger, wenn überhaupt.

Die Inflation frisst alles auf

Es gibt in Österreich 2024 schrägerweise eine Rekord-Kaufkraft. Fast 30.000 Euro (genau: 29.266 Euro) haben die Österreicher:innen pro Person 2024 zur Verfügung – allerdings, und das ist der große Haken, nicht preisbereinigt. Effektiv hat die Bevölkerung in den letzten zwei Jahren insgesamt zehn Milliarden an Kaufkraft VERLOREN. Heißt: Es ist mehr Geld denn je im Umlauf, aber die Inflation frisst alles, was mehr im Umlauf ist, auf – und noch mehr.

Die zweite Begründung: Bei allem Sparen – es wird dennoch immer noch viel gekauft. Doch die Art des Konsums hat sich verändert. Es begann schon vorher, doch die Pandemie hat da nochmal fest angeschoben: Wir kaufen viel mehr online. Zwar merken Untersuchungen auch da im letzten Jahr einen Rückgang, weil Inflation, aber insgesamt ist der Onlinehandel der große Sieger der letzten Jahre. Im Jahr 2022 kauften 57 Prozent aller Menschen, die in Österreich wohnen, bereits online – und beim Onlinehandel geht immer noch mehr als die Hälfte der Wertschöpfung ins Ausland, also an Amazon, Zalando und Co.

Das Kartenhaus stürzt ein

Ich finde: Den ersten Grund kann man niemandem vorwerfen (außer Putin). Jemandem vorzuwerfen, dass das eigene Geld plötzlich dank externer Faktoren nur noch für das Nötigste reicht, ist sinnlos und außerdem ziemlich gemein. Sollte man nicht tun. Aber man merkt, was für ein Kartenhaus dieses Leben im Kapitalismus ist: Ich kann mir keine neuen Bücher mehr leisten, also kaufe ich nicht mehr bei meiner Buchhändlerin. Die kann sich vielleicht irgendwann ihre Angestellte nicht mehr leisten, weil viel weniger gekauft wird, also kündigt sie sie. Diese Angestellte schafft es dann nur noch mit Ach und Krach, ihre Wohnung weiterhin zu finanzieren, also kauft die sich keine neuen Hosen aus der Boutique am Eck, die ihr so gut gefallen. Die Besitzerin der Boutique schafft es nicht mehr, kostendeckend zu arbeiten, also schließt sie die Boutique und der Teufelskreis geht weiter und weiter. Es ist ein Strudel, bei dem ganz viele Menschen gerade am Rand stehen, voller Angst versuchen, nicht reingezogen zu werden, und gleichzeitig spüren: Irgendwann erwischt’s mich auch. Ergo: Wir sitzen alle im gleichen Boot.

Aber der internationale Onlinehandel, der sitzt in einem ganz anderen Boot. Das ist kein Boot, das ist eine Luxusyacht. Und ganz ernsthaft: Wollen wir den Oligarchen auf ihren Yachten noch mehr Geld in den Rachen schieben, oder wollen wir uns gegenseitig unterstützen? Petra Hartlieb hat es letztens sehr deutlich ausgedrückt: Wenn wir wollen, dass es in zwei Jahren noch stationäre Buchhandlungen gibt, dann müssen wir auch dort unsere Bücher kaufen. Gleiches gilt für regional produzierte Mode, bunte Boutiquen, die es nur einmal gibt, oder heimisches Handwerk. Nachhaltigkeit heißt nicht nur, dass alles bio oder fair produziert sein muss, manchmal heißt es einfach, vor Ort zu kaufen und dafür zu sorgen, dass der heimische Handel gestärkt wird. Gibt es in der heimischen, in der lokalen Wirtschaft kein Geld, gibt es auch weniger Mut für neue Angebote – und somit steigt die Gefahr der nächsten Filiale einer internationalen Kette statt des lokalen Händlers oder der lokalen Händlerin. Auch wieder so ein Teufelskreis, weil dann noch mehr Geld unserer Kaufkraft ins Ausland geht.

Wollen wir, dass es diese Vielfalt, aber auch den Mut und die Kreativität heimischer Selbstständiger in unseren Straßen weiterhin gibt, müssen wir unser Geld dorthin tragen. Wir werden damit nicht die Weltwirtschaft verändern, aber vielleicht das Leben der Angestellten unserer Buchhändlerin. #buylocal ist wichtiger denn je. Weil WO wichtig ist.

Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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