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Welchen Stellenwert hat die Wirtschaft bei der US-Wahl?

4 Min
Die Wirtschaft ist das wichtigste Thema bei der Wahl, zeigte eine Umfrage der New York Times und des Siena College unter mehr als 1.300 Personen.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Die US-Wirtschaft steht gut da, doch die Bürger:innen sind besorgt. Arbeitsmarkt, Verbraucherpreise und Entlastungen werden zu zentralen Themen, andere Baustellen verschweigen beide Präsidentschaftskandidat:innen lieber.


Der Wahlkampf um die US-Präsidentschaft zwischen Kamala Harris und Donald Trump geht mit einer guten Nachricht ins Finale: Die Wirtschaft wächst solide, im dritten Quartal stieg die Wirtschaftsleistung um 2,8 Prozent. Die Stimmung bei den Verbraucher:innen ist positiv, die Ausgaben steigen und die Inflation sank im September auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren. Der scheidende US-Präsident Joe Biden verbuchte diese Zahlen als seinen Erfolg: „Der Bericht zeigt, wie weit wir seit meinem Amtsantritt gekommen sind – von der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression zur stärksten Wirtschaft der Welt.“ Tatsächlich erreichte die Wirtschaftsleistung 2023 einen Rekordwert.

Was Wähler:innen beschäftigt

Für den oder die neue Präsident:in wäre es also eine angenehme Ausgangsposition. Doch die Wähler:innen beschäftigt die aktuelle Lage trotzdem: Die Wirtschaft ist das wichtigste Thema bei der Wahl, zeigte eine Umfrage der New York Times und des Siena College unter mehr als 1.300 Personen. Bei der Frage, welche:r Kandidat:in bei der Wirtschaftspolitik mehr vertraut wird, gaben 52 Prozent Trump an, 45 Prozent Harris. Die Befragten bewerten die aktuelle Lage außerdem eher negativ. In einer Gallup-Umfrage gaben 52 Prozent der Befragten an, dass es ihnen und ihrer Familie schlechter geht als vor vier Jahren. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Inflation wahrscheinlich der Wahrnehmung der Amerikaner zugrunde liegt, dass die Wirtschaft schlecht ist, selbst vor dem Hintergrund einer allgemein niedrigen Arbeitslosigkeit, eines stetigen Wirtschaftswachstums und von Rekordwerten bei Aktien und Immobilien“, kommentiert Gallup die negative Entwicklung des sogenannten „Economic Confidence Index“.

In Trumps erster Amtszeit von 2017 bis 2021 war die wirtschaftliche Entwicklung aber nicht besser – natürlich war sie auch geprägt von der Pandemie. In den ersten drei Jahren seiner Präsidentschaft wuchs die Wirtschaftsleistung durchschnittlich um 2,8 Prozent pro Jahr, seit Bidens Amtsantritt um 3,2 Prozent jährlich. Dafür war Bidens Präsidentschaft nicht nur von der wirtschaftlichen Erholung, sondern auch von der hohen Inflation geprägt. Die Teuerungsrate nähert sich mittlerweile dem Zwei-Prozent-Ziel, die Arbeitslosenrate befand sich im September auf 4,1 Prozent. Aber einen Grund für Besorgnis bei den Bürger:innen gibt es: Die Zahl der offenen Stellen war im September so niedrig wie zuletzt Anfang 2021, und die Entlassungen steigen seit Vorjahresbeginn.

Teure Wahlversprechen

Die Skepsis der Bürger:innen über die wirtschaftliche Entwicklung machen sich beide Präsidentschaftskandidat:innen zunutze. Kamala Harris sprach bei ihrer Abschlussrede in Washington, D.C., die hohen Lebenskosten an. Sie warnte davor, dass die von Trump geplanten Importzölle als Mehrkosten bei den Endverbraucher:innen landen könnten. Und einmal mehr erinnerte die Demokratin daran, dass ihr Gegner die Superreichen entlasten wolle. Trump wiederum bezeichnete seine Konkurrentin bei seiner Abschlussrede in New York als „linke Marxistin“ und versprach seinen Wähler:innen die beste Wirtschaft aller Zeiten.

Ein Thema lassen beide außen vor – die Staatsschulden. Diese liegen aktuell bei 35,85 Billionen US-Dollar, das Budgetdefizit wird dieses Jahr 1,8 Billionen US-Dollar betragen. 2023 lag die Defizitquote im Vergleich zur Wirtschaftsleistung schon über sechs Prozent. Zum Vergleich: Österreich, wo das Budgetloch bereits auf der politischen Agenda gelandet ist, liegt aktuell über dem Richtwert der EU von drei Prozent. Doch wie schon bei der österreichischen Nationalratswahl halten sich die US-Spitzenkandidat:innen zur budgetären Situation des Landes bedeckt. Mit den in ihren Wahlprogrammen geplanten Maßnahmen würden die Ausgaben weiter steigen. Trumps Plan würde laut einer Analyse der Nonprofit-Organisation „Committee for Responsible Federal Budget“ 7,5 Billionen US-Dollar kosten, Harris’ Plan hingegen 3,5 Billionen Dollar.

Wie schon in Österreich könnte sich der Diskurs nach der Wahl möglicherweise auch stärker um Einsparungen drehen. Die USA sind die größte Wirtschaftsmacht der Welt, die neue Präsidentschaft wird versuchen, diese Position vor allem gegen China zu verteidigen – egal, wer der oder die Sieger:in ist.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

  • Das Wirtschaftswachstum in den USA betrug 2023 2,3 Prozent, die Wirtschaftsleistung erreichte einen Höchststand.

  • In einer Gallup-Umfrage sagt mehr als die Hälfte der Befragten, dass sich die persönliche Situation in den letzten vier Jahren verschlechtert hat.

  • Die Staatsschulden stehen aktuell bei 35,85 Billionen US-Dollar.

  • Donald Trump will mehr Einnahmen durch höhere Importzölle generieren, Kamala Harris wiederum durch höhere Steuern für Unternehmen.

Quellen