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Wenn der Campus hungrig bleibt

6 Min
In Österreich schließen immer mehr Mensen. Was bedeutet das für den Alltag der Studierenden?
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Die Schließung zahlreicher Mensen an Österreichs Universitäten hat nicht nur praktische, sondern auch symbolische Bedeutung. Sie stellt das soziale Miteinander und die Verpflegung der Studierenden vor neue Herausforderungen.


Vor der Mensa am Sonnenfelsplatz in Graz stehen einige Studierende und blicken auf geschlossene Türen. Normalerweise wäre diese um diese Zeit bereits geöffnet, doch heute bleibt die Küche kalt. Ein Zettel an der Tür der Mensa informiert die Studierenden über die Schließung.

Die Schließung der Mensa am Sonnenfelsplatz in Graz ist kein Einzelfall – auch in Innsbruck und Wien gab es einige Schließungen. Die Auswirkungen spüren vor allem die Studierenden. Denn was auf den ersten Blick nur nach dem Wegfall einer günstigen Essensmöglichkeit aussieht, hat tiefgreifende Folgen für die soziale Struktur der Universitäten.

Steigende Kosten, sinkende Nachfrage

„Wie jedes andere Unternehmen steht die Österreichische Mensen-Betreibergesellschaft (ÖMBG) im wirtschaftlichen Wettbewerb mit sich permanent ändernden Rahmenbedingungen, auf die entsprechend reagiert werden muss“, heißt es aus der ÖMBG auf Nachfrage der WZ. Wenn die Studierenden andere Angebote bevorzugen, bleiben die Mensen leer – das macht sie langfristig unrentabel.

„Die Entscheidung zur Schließung war wirtschaftlich unumgänglich“, so die ÖMBG. Tatsächlich finanziert sich die ÖMBG selbst – eine Subventionierung durch den Staat ist, wie das Unternehmen betont, aus EU-rechtlichen Gründen nicht möglich. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Mensen stärker subventioniert werden, müssten Studierende in Österreich für ein Menü oft bis zu 15 Euro zahlen. Das führt bei vielen zu Unverständnis.

Ein Modell mit Zukunft?

In Deutschland sind die Menüs an den Mensen viel günstiger, aber es sind auch die Bedingungen für Studierende deutlich anders. Das Bildungsministerium hält dagegen: „Die Situation in Deutschland ist mit der in Österreich nicht vergleichbar. In Österreich werden Sozialmenüs gezielt gefördert, um jenen Studierenden zu helfen, die es wirklich brauchen. Das Modell ist treffsicherer und sozial gerechter als in Deutschland, wo jeder – egal ob Hochschulprofessor oder Studierende – denselben Preis zahlt.“

In Österreich bekommen Studierende ein Mensapickerl von der ÖH, damit gibt es Rabatt auf die Speisen in der Mensa. Die Mensa im Neuen Institutsgebäude (NIG) gibt es schon seit einiger Zeit nicht mehr. Der Portier informiert freundlich: „Die Mensa ist jetzt in der Kolingasse.“ Ein Fußmarsch von etwa zehn Minuten, am Weg dorthin gibt es etliche Lokale, die mit günstigen Mittagsmenüs locken. In der Mensa Kolingasse erzählt eine Studentin: „Wir kommen eigentlich gern, mit dem Pickerl ist der Preis für das Essen dann auch voll ok.“

Riedler betont, dass es dabei um mehr als nur um Wirtschaftlichkeit geht: „Die Frage ist, ob man die Mensa dem freien Markt überlässt oder ob sie eine Leit- und Grundversorgungsfunktion für die Studierenden erfüllen soll.“ Dies ist eng mit der Frage verknüpft, wie sie das soziale Leben auf dem Campus fördern wollen. „Mensen sind nicht einfach nur Restaurants. Sie haben eine symbolische Funktion und fördern das Miteinander“, so Riedler.

Der soziale Faktor Mensa

Die Schließung von Mensen trifft vor allem jene, die sich das universitäre Leben ohnehin nur schwer leisten können. Das Bildungsministerium betont, dass es umfassende Fördermaßnahmen für Studierende gibt, die Unterstützung benötigen, darunter Studienbeihilfen und Sozialfonds: „Für Studierende in Härtefällen gibt es verschiedene treffsichere Fördermaßnahmen.“

Trotz dieser Maßnahmen bleibt die Mensa für viele ein sozialer Treffpunkt, der nun wegfällt. „Mensen haben sich über die Jahre zu einem wichtigen Ort der Vernetzung entwickelt“, sagt Simon Neuhold, Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH).

Dies bestätigt auch eine Gruppe Studierender in der Mensa Kolingasse. Am Tisch zwischen ihnen stapeln sich schon zu Semesterbeginn die Lernunterlagen. „Die Mensa ist öffentlich zugänglich. Wir kommen nicht nur zum Essen her, sondern auch, um Gruppenarbeiten oder ähnliches zu erledigen.“

Welche Alternativen gibt es?

Aktuell wird an einigen Universitäten über Alternativen diskutiert. So gibt es in Graz nun eine rein vegane Mensa, die von einem privaten Betreiber geführt wird. Auch in anderen Städten werden ähnliche Konzepte erwogen. Doch diese Lösungen sind nicht flächendeckend und oft ebenfalls kostenintensiv.

Die ÖMBG zeigt sich dennoch offen für alternative Modelle: „Wir sind in Gesprächen, um für jeden Standort eine adäquate Lösung zu finden.“

Die Alternativen sind für viele Studierende wenig attraktiv. „Unterwegs etwas kaufen – das ist keine langfristige Lösung, besonders für jene, die wenig Geld haben. Es ist auch nicht gesund“, sagt Neuhold. „Außerdem haben viele Studierende nicht die Zeit oder die Möglichkeit, jeden Tag selbst zu kochen.“

Viele haben nicht die Möglichkeit, jeden Tag selbst zu kochen.
Simon Neuhold, ÖH

Besonders betroffen sind Studierende, die ohnehin finanziell schwächer gestellt sind. „Viele müssen neben dem Studium arbeiten und können sich teure Alternativen schlichtweg nicht leisten“, erklärt Neuhold. „Die Schließung der Mensen ist ein weiterer Mechanismus, der den Zugang zu Bildung erschwert.“

Auch an den Fachhochschulen kämpfen die Mensen um das Überleben. Jene der FH WKW hat es nicht geschafft. „Restaurant geschlossen“ steht in großen Lettern auf einem Zettel. „Ich bin im ersten Semester, ich kenne es nicht anders. Ich besorge mir meistens in der Früh was bei einer Bäckerei oder nehme was von zuhause mit“, beantwortet eine Studierende die Frage, was das Fehlen einer Mensa für sie bedeutet. Ein anderer Student sagt: „Der Billa ist gleich ums Eck, für mich ist das kein Problem.“ Schade findet es hingegen eine Master-Studentin: „Ich hatte mich eigentlich sehr darauf gefreut, weil ich das von der Uni gar nicht kenne. Es war schon ein bisschen eine Enttäuschung.“

Forderungen an die Politik

Die ÖH fordert daher eine stärkere staatliche Subventionierung der Mensen. „Der Staat muss sich mehr einmischen und sicherstellen, dass Mensen leistbare Mahlzeiten anbieten können“, fordert Neuhold. „Wir wünschen uns von der kommenden Regierung, dass das Leben der Studierenden wieder in den Fokus gerückt wird.“ Es sei wichtig, das Bild des „Bummelstudenten“ endlich zu widerlegen: „Zwei Drittel der Studierenden arbeiten neben dem Studium und können sich das Leben trotzdem nicht leisten.“

Das Ende einer Ära?

Die Schließungen werfen auch die grundsätzliche Frage auf, welche Rolle Mensen in Zukunft an den Universitäten spielen sollen. „Es geht nicht nur darum, ob wir Menschen mit Essen versorgen“, sagt Riedler, „sondern auch um die Frage, ob eine Mensa eine institutionelle Funktion hat.“

Über viele Jahrzehnte hinweg waren die Mensen ein wichtiger Treffpunkt und Ort des Austausches für Studierende. Und erfüllten auch eine ganz einfache Funktion: eine warme Mahlzeit zu einem kleinen Preis. Dass sich das nun ändert, bedeutet auch, dass sich der gemeinsame Studienalltag ändern wird – an Universitäten wird zunehmend nach Mikrowellen gefragt, um sich die mitgebrachte Jause warm zu machen, oder nach konsumfreien Zonen.

Der Wegfall dieser Angebote stellt nicht nur die Studierenden, sondern auch die Universitäten selbst vor neue Herausforderungen. „Die Leitfunktion der Mensa muss neu gedacht werden“, fasst Riedler zusammen. „Wir müssen einen Weg finden, wie wir Studierende auch in Zukunft sozial gerecht und nachhaltig versorgen können.“


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Infos und Quellen

Gesprächspartner:innen

Daten und Fakten

  • Hochschulmensen gehören zu den größten Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung.

  • In Österreich werden die meisten Mensen von der Österreichischen Mensen Betriebsgesellschaft mbH betrieben, die dem Wissenschaftsministerium untersteht, jedoch nicht staatlich subventioniert wird.

  • In den USA ist das Mensa-Essen in den Universitäten Teil des „Room & Board“-Pakets, das eine zentrale Rolle in der Studienfinanzierung spielt.

Quellen

Das Thema in der WZ:

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