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Wie der Staat uns zu Anleger:innen machen will

5 Min
36 Prozent der Männer besitzen Aktien, Anleihen oder Fonds, allerdings nur 19 Prozent der Frauen.
© Illustration: WZ

Österreicher:innen sind bei der Geldanlage noch zögerlich, obwohl sie zur Altersvorsorge beitragen kann. Der Staat will jetzt den Einstieg in den Handel mit Wertpapieren mit einem eigenen Finanzprodukt erleichtern.


Sparbuch, Bausparvertrag oder Immobilien: Österreicher:innen sind bei der Geldanlage tendenziell konservativ und gelten im internationalen Vergleich als Aktienmuffel. 2021 hatten laut einer Untersuchung des Finanzministeriums 9,1 Prozent der Befragten einen Teil ihres Geldes in Wertpapieren angelegt. Zu einem deutlich höheren Anteil kommt die Wiener Börse bei ihrem Aktienbarometer. Laut diesem besaßen 2022, dem ersten Jahr der Studie, 25 Prozent Wertpapiere, ein Jahr später waren es bereits 27 Prozent.

Wer in Aktien und Wertpapiere investiert

Auch wenn die zwei Studien nicht vergleichbar sind, zeigen sie einen Trend nach oben. Es gibt aber noch Aufholbedarf, wie das Finanzministerium in seinem Bericht festhält. Oftmals fehlt es an Finanzbildung und Wissen zu den unterschiedlichen Anlageformen. Das Aktienbarometer verdeutlicht außerdem die demografischen Unterschiede: 36 Prozent der Männer besitzen Aktien, Anleihen oder Fonds, allerdings nur 19 Prozent der Frauen. Anleger:innen mit Uni-Abschluss machen mit 45 Prozent den höchsten Anteil aus, bei Menschen mit Pflichtschulabschluss haben nur 14 Prozent ihr Geld in Wertpapieren angelegt.

Wer finanziell abgesichert sein will, sollte aber bei der Geldanlage nicht allein auf Sparzinsen vertrauen. Um sich nicht auf die staatliche Pension verlassen zu müssen, raten Expert:innen zur persönlichen Altersvorsorge – je früher, desto besser. Online-Broker und Trading-Apps haben den Start mit der Wertpapieranlage in den vergangenen Jahren vereinfacht. Die österreichische Regierung will jetzt einen Schritt weitergehen: Sie hat im April ein Anlageprodukt eingeführt und verspricht damit einen Abschluss in wenigen Minuten.

Wie der Bundesschatz funktioniert

Dieses Angebot heißt Bundesschatz und ähnelt Staatsanleihen. Letzteres ist ein Finanzinstrument, mit dem sich Staaten Kapital von Anleger:innen holen. Diese Wertpapiere haben einen festen Zinssatz, und je höher die Laufzeit einer Anleihe ist, umso höher sind meist auch die Zinsen. Anleihen gelten deshalb im Vergleich zu Aktien als weniger riskant. Der Bundesschatz hat im Vergleich zu Anleihen eine kürzere Laufzeit und wird auch nicht an der Börse gehandelt. „Im Unterschied zu Bundesanleihen weist der Bundesschatz keinerlei Kursrisiko auf und orientiert sich in der Ausgestaltung eher an einem Online-Sparbuch”, erklärt Markus Stix, Geschäftsführer der zuständigen Oesterreichischen Bundesfinanzierungsagentur. In Bezug auf die Sicherheit sagt Stix: „In Österreich gibt es keinen Emittenten, also Schuldner, der über eine bessere Bonität verfügt als der Staat.” Kurz gesagt: Solang Österreich eine sehr gute Kreditwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit hat, kann der Staat das geliehene Geld an die Anleger:innen zurückzahlen.

Während Staatsanleihen meist zwischen fünf und zehn Jahren laufen, gibt es den Bundesschatz zu einer Laufzeit von einem Monat. Außerdem braucht es dafür kein Wertpapierdepot, die Bundesschätze werden direkt von der Republik Österreich ausgegeben. Damit fallen auch keine Gebühren für das Investment an. Im Selbstversuch dauerte die Eröffnung des Bundesschatz-Kontos tatsächlich nur einige Minuten. Die Anmeldung läuft über die ID Austria, danach erhält man eine Kontonummer. Um das Geld anzulegen, muss auf dieses Konto der gewünschte Betrag für den gewünschten Bundesschatz überwiesen werden.

Die Bundesschätze unterscheiden sich in der Laufzeit und Zinshöhe, aber auch darin, wie der Staat das geliehene Geld verwenden will: Im Gegensatz zu den klassischen werden grüne Bundesschätze für die Finanzierung von nachhaltigen Projekten eingesetzt. „Die grünen Projekte werden dabei von einem eigens dafür eingerichteten Gremium, dem Green Bond Board, ausgewählt“, erläutert Stix. Wie das Geld angelegt wurde, veröffentlicht die Agentur im jährlichen „Green Investor Report”. Laut dem jüngsten Bericht ist ein großer Teil des Geldes in Infrastrukturmaßnahmen geflossen.

Unterschied zum Online-Sparen

Beim Start des Bundesschatzes im April lag der Zinssatz für die einmonatige Geldanlage bei 3,5 Prozent, bei der Laufzeit von zehn Jahren bei 2,75 Prozent. Nachdem die Europäische Zentralbank im Juni den Leitzins gesenkt hat, hat auch die Republik die Zinsen für das Finanzinstrument angepasst: Für den einmonatigen Bundesschatz gibt es aktuell nur noch 3,35 Prozent, für den zehnjährigen dafür 2,75 Prozent.

Für wen eignet sich der Bundesschatz als Anlageform? „Für Personen, die nach einer sicheren Geldanlage mit fairen Zinsen suchen“, sagt Stix. Dabei ist zu beachten, dass der Bundesschatz im Gegensatz zum Online-Sparen der Kapitalertragssteuer unterliegt. Diese beträgt 27,5 Prozent und wird automatisch abgezogen, wenn das Geld an die Anleger:in zurückgezahlt wird. Im Bundesschatz-Konto kann vorab ausgerechnet werden, wie viel am Ende der Laufzeit tatsächlich ausgezahlt wird. Um die Versteuerung müssen sich die Bundesschatz-Nutzer:innen also nicht selbst kümmern. Bisher wurden laut Finanzierungsagenturchef Markus Stix 450 Millionen Euro angelegt, ein Viertel davon in grüne Bundesschätze. „Das durchschnittliche Alter der rund 25.000 Nutzer:innen liegt bei 49 Jahren.

Der Bundesschatz spricht also nicht unbedingt ein junges Publikum an. Auf diese Zielgruppe konzentrieren sich besonders Online-Broker wie Flatex, Scalable Capital oder Trade Republic. Die Depoteröffnung wird auch bei diesen Anbietern immer effizienter und schneller gestaltet, und das Angebot ist weitaus größer. Mit dem Bundesschatz hat die Regierung aber eine Alternative für all jene geschaffen, die sich nicht zu viel mit Geldanlage beschäftigen und wenig Risiko haben wollen.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Gesprächspartner

  • Markus Stix, Geschäftsführer der Oesterreichischen Bundesfinanzierungsagentur

Quellen

Daten und Fakten

  • 9,1 Prozent der Österreicher:innen haben laut einer Befragung des Finanzministeriums 2021 in Aktien oder Wertpapiere investiert

  • Die heimischen Anleger:innen sind laut unterschiedlichen Studien vor allem männlich und gut gebildet

  • Mit dem Bundesschatz hat die Regierung im April ein Finanzprodukt gestartet, das ohne Wertpapierdepot funktioniert

  • Bisher wurden 450 Millionen Euro in die unterschiedlichen Bundesschätze investiert

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