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Wie macht man 21 Millionen Euro Schulden?

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Karl-Heinz Grassers Verbindlichkeiten bestehen zum Großteil aus einer Schadenszahlung an die Republik in Höhe von 12,1 Millionen Euro sowie 7,9 Millionen Euro Nachforderungen vom Finanzamt.
© Illustration: WZ

Der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat Privatkonkurs angemeldet. Seine Verschuldung ist exorbitant höher als die durchschnittlicher Bürger:innen in einer finanziellen Notsituation.


    • Karl-Heinz Grasser meldete Privatkonkurs mit 21 Millionen Euro Schulden an, größtenteils wegen des Buwog-Prozess.
    • Hauptgläubiger ist die Republik Österreich; angeboten werden 3 Prozent Rückzahlung, Restschuldverzicht ist ausgeschlossen.
    • Durchschnittliche Schulden in Österreich liegen 2024 bei 55.097 Euro, bei Selbstständigen deutlich höher.
    • Grassers Schulden: insgesamt 21 Millionen Euro
    • Schadenszahlung an Republik inkl. Zinsen: 12,7 Millionen Euro
    • Steuernachforderungen vom Finanzamt: 7,9 Millionen Euro
    • Privatkonkurse 2024 in Österreich: 8.835 Verfahren
    • Durchschnittliche Schuldenhöhe laut Schuldenreport: 55.097 Euro
    Mehr dazu in den Infos & Quellen

21 Millionen Euro: So viele Schulden hat ein Ex-Finanzminister und Absolvent eines BWL-Studiums angesammelt und damit ein Schuldenregulierungsverfahren, besser bekannt als Privatinsolvenz oder -konkurs, angemeldet. Es geht um den kürzlich verurteilten Ex-Politiker Karl-Heinz Grasser. Wer schon jemals mit einem Inkassobüro oder Nachforderungen beim Finanzamt oder der Sozialversicherung zu tun hatte, fragt sich: Wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Wem Grasser Geld schuldet

Sein größter finanzieller Fehler waren wahrscheinlich geheime Absprachen bei der Privatisierung von Bundeswohnungen der Buwog. Nach einem jahrelangen Prozess wurde Grasser Ende März nicht nur rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilt. Er und der Mitangeklagte Walter Meischberger müssen auch eine Schadenszahlung in Höhe von 9,8 Millionen Euro an den Staat leisten. Diese entspricht in etwa der Provision, die bei dem illegalen Deal geflossen ist. Dieser sogenannte Privatbeteiligtenzuspruch wird in der Anfang Mai veröffentlichte Eröffnung des Konkursverfahrens als hauptsächliche Insolvenzursache genannt. Inklusive Zinsen müssten Grasser oder Maischberger 12,7 Millionen Euro zahlen. Maischberger meldete schon 2023 Insolvenz an, weshalb diese Verbindlichkeiten jetzt offenbar bei Grasser gelandet sind.

Was mit Grassers Schulden passiert

Der zweite große Brocken der Grasser-Pleite sind Steuernachforderungen des Finanzamtes in Höhe von 7,9 Millionen Euro. Der Ex-Minister gibt an, wegen des 16 Jahre dauernden Strafverfahrens arbeitslos zu sein. Sein Vermögen beziffert er auf 300.000 Euro, seine in Liquidation befindliche Firma sei wertlos. Zur Entschuldung bietet er den Gläubigern drei Prozent der Schulden, also 630.000 Euro, an. Die Gläubiger müssen diesem Angebot mehrheitlich zustimmen, Hauptgläubiger ist in diesem Fall die Republik.

Weitere Gläubiger können ihre Forderungen bis zum 31. Juli anmelden. Die Abstimmung über den Zahlungsplan findet am 6. August statt. Sollten die Gläubiger das Angebot nicht annehmen, wird Grasser seine Schulden nicht so einfach los. Eine so genannte Restschuldbefreiung ist wegen seiner Verurteilung nicht möglich. Wie es mit Grassers Insolvenzverfahren weitergeht, wird sich erst im Sommer zeigen.

Ehemals Selbstständige höher verschuldet

Der Privatkonkurs von Karl-Heinz Grasser ist jedenfalls ein sehr ungewöhnlicher Fall. Die durchschnittlichen Schuldner:innen in Österreich haben weitaus geringere Verbindlichkeiten. Die durchschnittliche Schuldenhöhe lag 2024 bei 55.097 Euro, geht aus dem Ende April veröffentlichten Schuldenreport der Dachorganisation der staatlichen anerkannten Schuldenberatungen hervor. Bei den ehemals Selbstständigen, die die Schuldenberatung in Anspruch nehmen, ist die Verschuldung mit 97.535 Euro deutlich höher. Klient:innen der Schuldenberatung unter 30 Jahren haben mit durchschnittlich 32.767 Euro einen geringeren Schuldenstand.

Als häufigster Grund für die Überschuldung wird bei den Erstberatungen mit 36,9 Prozent Arbeitslosigkeit oder Einkommensverschlechterung genannt, 21,5 Prozent geben mangelnde Finanzbildung an. Ehemalige Selbstständigkeit ist mit 18,4 Prozent der dritthäufigste Grund.

Zahl der Privatkonkurse stagniert

Ein leicht positiver Trend ist bei den finanziellen Notlagen zu verzeichnen: Während die Privatkonkurse im Jahr 2023 mit einem Plus von 8,2 Prozent einen deutlichen Sprung nach oben machten, stagnierte die Zahl im Jahr 2024 bei 8.835 Verfahren. Voraussetzung für einen Privatkonkurs ist die Zahlungsunfähigkeit, das heißt, dass die verschuldete Person ihre Schulden nicht innerhalb einer angemessenen Frist begleichen kann.

Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer des Dachverbands der Schuldenberatungen, erklärte bereits vor einiger Zeit gegenüber der WZ, dass ein Privatkonkurs nicht „easy“ sei, aber eine zweite Chance für Menschen in einer finanziellen Notlage. Für Karl-Heinz Grasser findet diese zweite Chance in der Justizanstalt Innsbruck statt, wo er zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Zahlungsplan seine vierjährige Haftstrafe bereits angetreten haben wird.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

  • Karl-Heinz Grassers Verbindlichkeiten bestehen zum Großteil aus einer Schadenszahlung an die Republik in Höhe von 12,1 Millionen Euro sowie 7,9 Millionen Euro Nachforderungen vom Finanzamt.
  • 2024 wurden in Österreich 8.835 Privatkonkurse eröffnet.
  • Die durchschnittliche Verschuldung der Personen, die eine Schuldenberatung aufsuchen, liegt bei 55.097 Euro.
  • Bei den Klient:innen unter 30 Jahren sind Arbeitslosigkeit mit 40,6 Prozent und mangelnde Finanzbildung mit 31,7 Prozent die häufigsten Gründe für die Verschuldung.

Quellen

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