Wie Alfred Riedl ein Grundstück um 630 Euro kaufen konnte
Der Baukonzern Swietelsky verkaufte dem Grafenwörther Bürgermeister ein Stück Land weit unter dem Wert. Teurer ging nicht, sagt Swietelsky. Das hätte Riedl vor Jahren mit seinem Vorgänger vereinbart.
630 Euro kostet eine Waschmaschine, ein günstiges Fahrrad, ein teures Handy. In Grafenwörth kostet ein ganzes Grundstück 630 Euro.
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So viel hat Alfred Riedl (ÖVP) im Jahr 2020 für 4.779 Quadratmeter bezahlt. Der Bürgermeister besitzt außerdem das Kaufrecht der angrenzenden Gründe. Noch wird hier Kies abgebaut. 2027 soll der Betrieb – laut Vertrag – eingestellt werden. Danach darf Riedl 52.239 Quadratmeter um 5.746 Euro kaufen.
Zehn Fußballfelder zum Preis eines Gebrauchtwagens. Ein Grundstück für eine Waschmaschine. Wieso kommt Riedl derart günstig an Liegenschaften? Die Antwort des Bürgermeisters ist knapp. Der Vorbesitzer hätte weiterhin das Recht, hier Schotter abzubauen, schreibt er der WZ in einem Statement. Das Grundstück sei also nicht mehr wert als 630 Euro, weil hier Bagger Kies und Schotter fördern. Dem widerspricht ein anderes Dokument. Riedl hat es vor wenigen Monaten unterzeichnet. Am 18. März 2023 schenkte er das Grundstück seinen Kindern und Enkelkindern. Laut Schenkungsvertrag hat es einen „Verkehrswert von 190.000 Euro“.
Deutlich unter Verkehrswert
Riedl hat die Fläche deutlich unter diesem Wert gekauft. Verkauft hat sie ihm die Swietelsky AG. Der Baukonzern mit Sitz in Linz ist eines der größten Bauunternehmen des Landes. Wir haben die Swietelsky AG gefragt, warum sie dem Bürgermeister von Grafenwörth das Grundstück so billig verkauft hat.
Die kurze Antwort – sie musste. Für die lange Antwort müssen wir ausholen.
Wir schreiben das Jahr 1996. Ein gewisser Karl Sedlmayer verkauft eine 57.000 Quadratmeter große Fläche an die Kies-Union Vereinigte Kieswerke AG. Sedlmayer sichert sich, laut Swietelsky, vertraglich ein Rückkaufsrecht zu – um einen Schilling pro Quadratmeter. Acht Jahre später kauft die Swietelsky AG die Gründe. Das Rückkaufsrecht sei weiter bei Sedlmayer geblieben.
Der Deal mit dem Amtsvorgänger
Für Karl Sedlmayer steht ein Gedenkstein in Grafenwörth. Er war 16 Jahre lang ÖVP-Bürgermeister und Riedls Vorgänger in der Gemeinde. Die beiden verband die Vorliebe für die Jagd. 1991 übergab Sedlmayer das Amt an den damals 39-jährigen Riedl. Sedlmayer war nicht nur Bürgermeister. Er war auch selbständiger Bauunternehmer in Grafenwörth. Im Jahr 1999 verkaufte der schwerkranke Mann seine Firma an die Swietelsky AG. Bis heute ist sie als Niederlassung des Konzerns unter dem Namen Baumeister Karl Sedlmayer Ges.m.b.H. in Grafenwörth tätig. Karl Sedlmayer starb 2008.
Davor habe er das Rückkaufsrecht der 57.000 Quadratmeter großen Fläche an Alfred Riedl übergeben, sagt die Swietelsky AG. Riedl hätte das Recht – die Gründe am Schotterteich zum Schleuderpreis zu kaufen – von seinem Vorgänger im Bürgermeistersessel erhalten. Dem Konzern liege eine notarielle Bestätigung der Übertragung aus dem Jahr 2020 vor. Das Dokument kennt die WZ nicht.
Im historischen Grundbuchauszug steht nichts von einem Rückkaufsrecht Riedls. Hier – und im Kaufvertrag zwischen Sedlmayer und der Swietelsky AG – ist lediglich von einem Vorkaufsrecht Sedlmayers die Rede. 2007 wurde es von Karl Sedlmayer auf die Sedlmayer Privatstiftung übertragen. Die löste sich 2018 auf. Ein Vor- oder Rückkaufsrecht Riedls wird nirgends erwähnt.
Der große Kauf steht erst bevor
Das findet sich erst in jenem Vertrag, den Riedl mit der Swietelsky AG im Jahr 2020 abschloss. Die Swietelsky AG begründet das mit der vermeintlichen Übertragung der Rechte von Sedlmayer an Riedl – die ihr notariell bestätigt worden seien. Die genauen Hintergründe kenne der Konzern nicht.
Auf Grundlage dieser Bestätigung hätte die Swietelsky AG das Grundstück an Riedl verkauft – 4.779 Quadratmeter um 630 Euro und 83 Cent. „Das Grundstück musste zu den im Jahr 1996 festgelegten Konditionen an Herrn Riedl verkauft werden“, schreibt der Konzern der WZ. Doch der weitaus größere Deal steht erst bevor. Das Recht, auch die restlichen Gründe zu kaufen, hat Riedl – laut Swietelsky – ab 2027.
Riedl: „Hat nichts mit der Swietelsky AG zu tun“
Riedl antwortet auf unsere Anfrage überraschend. „Besagtes Grundstück habe ich vor zehn bis 15 Jahren von Herrn Sedlmayer gekauft“, schreibt er. Mit der Swietelsky AG hätte das Geschäft nichts zu tun. Der WZ liegt der Kaufvertrag vor, den Riedl mit dem Konzern abschloss. Er trägt seine Unterschrift – und die des damaligen Vorstandsvorsitzenden von Swietelsky, Karl Weidlinger.
Bei der Swietelsky-Niederlassung Baumeister Karl Sedlmayer Ges.m.b.H. in Grafenwörth, will man nichts von den Grundstücksverkäufen an den Bürgermeister wissen. „Alle Grundstücksverkäufe laufen über die Zentrale von Swietelsky in Linz“, sagt Franz Brunthaler, Baumeister bei der Sedlmayer Ges.m.b.H. Ob sein alter Chef, Karl Sedlmayer, das Rückaufsrecht der Flächen an Riedl übertragen habe, wisse er nicht.
Die Asphaltierung der Zufahrtsstraße
Fest steht, die Gemeinde Grafenwörth denkt darüber nach, den Güterweg zu dem 630-Euro-Grundstück der Familie Riedl nun zu asphaltieren. Vor zwei Wochen – am 12. Juli 2023 – fand die letzte Gemeinderatssitzung statt. Laut öffentlichem Teil des Protokolls holte die Gemeinde ein Angebot für die Asphaltierung des Weges bei der Swietelsky AG ein – gemeinsam mit drei anderen Angeboten für Asphaltierungsarbeiten und die Errichtung eines Gehsteiges. Die Summe aller Angebote beträgt 323.178 Euro.
Ob die Gemeinde die Angebote annimmt, wurde im öffentlichen Teil der Sitzung nicht besprochen. Das Gemeindeamt will uns das Protokoll der gesamten Sitzung nicht aushändigen. Auch die Frage, ob Angebote von anderen Firmen eingeholt wurden, bleibt unbeantwortet. Die Swietelsky AG beantwortet eine Anfrage zu den gelegten Angeboten nicht. Konkrete Hinweise, dass bei der Vergabe rechtliche Rahmenbedingungen nicht eingehalten wurden, liegen nicht vor.
Mikl-Leitner und der „Goldene Igel“
Wie die Tageszeitung Kurier Anfang der Woche kolportierte, will nun der Rechnungshof des Landes Niederösterreich die Finanzen der Gemeinde Grafenwörth prüfen. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) spricht von einer „sehr schlechten Optik”. Der Wind hat sich gedreht. Noch im Juni gratulierte sie ihrem Parteifreund Riedl zur Verleihung des „Goldenen Igel”, einer Auszeichnung für die gute Pflege öffentlicher Grünräume. Nun steht Riedl wegen fragwürdiger Widmungen, dutzender Grundstücksdeals und erstaunlich günstigen Kaufpreisen in der Kritik.
Bisher schweigt Riedl. Ein Grundstück für eine Waschmaschine lässt sich schwer erklären.
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Infos und Quellen
Genese
630 Euro. So viel hat der Bürgermeister von Grafenwörth für ein Grundstück bezahlt. Das beachtliche Geschäft brachten unsere Recherchen im Grundbuch vergangene Woche zutage. Wir mussten die Summe dreimal lesen, um sie zu glauben. Seither wollen wir wissen, wie Riedl so günstig an eine Liegenschaft kommt.
Gesprächspartner:innen
Sandra Bauer, Bereichsleiterin der Konzernkommunikation der Swietelsky AG
Alfred Riedl, Bürgermeister von Grafenwörth und Präsident des Österreichischen Gemeindebundes
Franz Brunthaler, Baumeister bei der Karl Sedlmayer Ges.m.b.H.
Quellen
Grundbuch
Firmenbuch
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
noe.orf.at: Mikl-Leitner zu Riedl: „Sehr schlechte Optik“
nön.at: Reaktionen aus dem Grafenwörther Gemeinderat: Vom Abwarten und Absägen
Nön.at: Gemeindebund-Chef Riedl für Meinl-Reisinger "korrupt"
kurier.at: Alfred Riedls Grundstücksgeschäfte: Jetzt prüft auch noch das Land
Der Standard: Bausünde oder Seeparadies
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Kurier: Abgründe am künstlichen See