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Wie Schlafmuster deine Gesundheit beeinflussen können

5 Min
Wer ausreichend und gut schläft, kann das Krankheitsrisiko massiv reduzieren.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images

Wie gut oder schlecht man schläft, verrät frühzeitig Anzeichen für spätere Erkrankungen wie Parkinson oder Demenz. Die WZ hat nachgefragt, was das für die Vorsorge bedeutet und sich Tricks zur Schlafhygiene geholt.


Stell dir folgendes vor: Paul, 30 Jahre alt, zwei kleine Kinder, seine Frau ist in Karenz und er hat einen stressigen, fordernden Job. Pauls Alltag ist hektisch und anstrengend. Jede Nacht legt sich Paul todmüde ins Bett, doch anstatt einzuschlafen, kreisen seine Gedanken um den nächsten Tag und Sorgen bringen ihn um die wohlverdiente Ruhe. Und wenn dann noch die Kinder ständig aufwachen, ist die Nacht für ihn sowieso gelaufen.

Die chronische Müdigkeit zerrt an seinen Nerven und beeinträchtigt seine Lebensqualität. Pauls Lebenssituation ist exemplarisch für viele junge Eltern, die unter chronischem Schlafmangel leiden und keine Balance zwischen Beruf, Familie und eigenem Wohlbefinden finden. Paul hat beschlossen, dass es an der Zeit ist, etwas an seiner Schlafqualität zu verändern. Wenn schon wenig Schlaf, dann sollte dieser so erholsam wie möglich sein. Außerdem hat er erst kürzlich gehört, dass durch seinen schlechten Schlaf die Gefahr besteht, dass er später ernsthaft erkranken könnte, dass es aber eine Möglichkeit gibt, wie man schon heute erkennen kann, woran man in zwölf Jahren leiden könnte. Paul überlegt also, ein Schlaflabor zu kontaktieren.

Ambra Stefani ist Neurologin an der Medizinischen Universität Innsbruck und stellvertretende Leiterin des dortigen Schlaflabors. Sie untersucht mit ihrem Team die sogenannte Schlafarchitektur mittels Polysomnographie: „Patient:innen übernachten im Schlaflabor, während wir eine Vielzahl von physiologischen Parametern messen, darunter Hirnströme mittels Elektroenzephalographie (EEG), Muskelaktivität, Augenbewegungen, Atmung, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung. Zusätzlich zeichnen wir den Schlaf per Video auf. Diese umfassende Datensammlung ermöglicht es uns, ein detailliertes Bild vom Schlaf und eventuellen Störungen zu bekommen.“ Ein gesunder Schlaf besteht aus verschiedenen Stadien, darunter leichter Schlaf, Tiefschlaf und REM-Schlaf, die sich zyklisch über die Nacht hinweg wiederholen. Diese Stadien haben unterschiedliche Funktionen und sind essenziell für die körperliche und geistige Erholung. „Die Analyse dieser Schlafarchitektur hilft uns zu verstehen, wie gut diese Prozesse bei einem/einer Patient:in ablaufen“, erklärt Stefani.

Schlaf als Frühwarnsystem

Diese Schlafarchitektur hat aber auch Auswirkungen auf mögliche spätere neurologische Erkrankungen. Und genau das hat sich Stefani näher angesehen: „Unsere Langzeitstudie (Anm., zweiter Autor ist Abubaker Ibrahim) hat untersucht, ob bei Patient:innen, die später neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson entwickeln, bereits Jahre vorher Veränderungen im Schlaf erkennbar sind. Schlafdaten von bis zu zwölf Jahren vor der Diagnose wurden analysiert, und wir stellten fest, dass bestimmte Schlafmuster und -strukturen bereits frühzeitig verändert waren.“ Diese Veränderungen im Schlaf könnten also als Indikatoren dienen, um gefährdete Personen zu identifizieren. Dies würde es ermöglichen, präventive Maßnahmen zu ergreifen, lang bevor klinische Symptome auftreten. „Unsere Ergebnisse sind vielversprechend und könnten die Art und Weise, wie wir neurodegenerative Erkrankungen frühzeitig erkennen und möglicherweise verhindern, revolutionieren“, so die Wissenschaftlerin. Medikamente gibt es zwar noch keine, aber es werde rege daran geforscht. Stefani würde sich wünschen, dass eine Schlaflabor-Analyse überhaupt Teil der Vorsorgeuntersuchungen wird.

Hat also Paul aufgrund seines schlechten Schlafs ein erhöhtes Risiko für Demenz oder Parkinson? „Nicht unbedingt, nur wenn seine Schlafstruktur gewisse Parameter aufweist. Schlafmangel über längere Zeit kann sich jedoch negativ auf die Gesundheit auswirken. Dennoch gibt es viele Faktoren, die das Risiko neurodegenerativer Erkrankungen beeinflussen. Fakt ist: Es ist wichtig, dass Eltern mit kleinen Kindern Strategien entwickeln, um ausreichend Schlaf zu bekommen und die Belastung gerecht zu verteilen.“ Es gibt bereits Forschungen, die dies belegen in Zusammenhang zwischen Schlaf und kardiovaskulärer Gesundheit. „Unzureichender oder gestörter Schlaf erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, so Stefani. Schlafapnoe beispielsweise, eine häufige Schlafstörung, ist besonders relevant, da sie zu Sauerstoffmangelphasen führt, die das Herz-Kreislauf-System stark belasten können. „Studien zeigen, dass unzureichender oder gestörter Schlaf das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen kann.“ Zusätzlich führt zu wenig Schlaf zu verminderter Leistungsfähigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und erhöhter Reizbarkeit. Für Paul schließt sich hier der Teufelskreis: Denn je nervöser er aus Müdigkeit wird, umso quengeliger werden seine beiden Kinder.

Empfehlungen für einen gesunden Schlaf

Doch wie viel Schlaf braucht Paul eigentlich? Internationale Leitlinien empfehlen eine Schlafdauer von sieben bis neun Stunden pro Nacht für die meisten Erwachsenen. „Diese Spanne deckt die Bedürfnisse der Mehrheit ab, obwohl es individuelle Unterschiede gibt. Wichtig ist, dass jeder seine optimale Schlafdauer kennt und diese regelmäßig einhält.“ Und am besten bereits vor Mitternacht ins Bett gehen, das hat Paul schon von seiner Mutter gehört: „Es stimmt, dass der Tiefschlaf, der besonders wichtig ist, hauptsächlich in der ersten Nachthälfte stattfindet. Daher ist es vorteilhaft, vor Mitternacht zu schlafen. Ein vollständiger Schlafzyklus, der alle Stadien umfasst, ist entscheidend für die Gesundheit“, erläutert Stefani.

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Für Paul ist das leichter gesagt als getan. Mit zwei kleinen Kindern fällt es ihm schwer, die empfohlene Schlafdauer zu erreichen, dennoch hat Paul erkannt, dass er auf seine Schlafhygiene achten muss. Vielleicht kann ihm der Schlaf-Tracker seiner Smartwatch dabei helfen? Stefani beurteilt diese Idee mit Skepsis: „Diese Geräte sind populär und können nützliche Hinweise auf das Schlafverhalten geben. Allerdings sind nicht alle Geräte validiert, was bedeutet, dass ihre Genauigkeit variiert.“ Das könne zu zusätzlichem Schlafstress führen, wenn die Watch etwas anzeigt, was man nicht erwartet – wie etwa sehr kurze Tiefschlafphasen. „Und dann schläft man erst recht schlecht. Ich empfehle daher, solche Geräte mit Vorsicht zu nutzen und bei ernsthaften Schlafproblemen professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.“

Paul weiß, dass er und seine Frau trotz aller Herausforderungen auf ihre Schlafhygiene achten müssen, um die Balance zwischen beruflichen Pflichten, familiären Verpflichtungen und der eigenen Gesundheit zu finden und auf die Hirngesundheit zu achten. „Um das zu erreichen, kann ich nur raten: gesunde Ernährung, Sport und Schlafrituale für die ganze Familie“, sagt Stefani.


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Infos und Quellen

Gesprächspartnerin

Ambra Stefani ist Neurologin an der Medizinischen Universität Innsbruck. Sie begann ihre Karriere als Forscherin in der Schlafmedizin 2013 an der Medizinischen Universität Innsbruck im Schlaflabor unter der Leitung von Professorin Birgit Högl. Ihre Hauptforschungsinteressen beziehen sich auf Schlaf und Neurodegeneration sowie auf die video-polysomnografische Charakterisierung von motorischen Phänomenen, also die detaillierte Untersuchung und Beschreibung von Schlafmustern und motorischen Phänomenen während des Schlafs. Stefani erhielt 2017 die Zertifizierung als Expert Somnologist – Expertin für Schlafmedizin – durch die European Sleep Research Society. Sie ist Sekretärin der International REM Sleep Behavior Disorder Study Group und der European Restless Legs Syndrome Study Group sowie President elect der International REM Sleep Behavior Disorder Study Group. Ihre Publikationsliste umfasst mittlerweile mehr als 140 peer-reviewte Veröffentlichungen. Bei diesem Verfahren werden die Arbeiten von anderen Fachleuten auf dem gleichen Gebiet (Peers) begutachtet, um die Qualität, Validität und Relevanz der Forschung sicherzustellen, bevor sie in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht werden.

Ein Foto von Ambra Stefani, Neurologin an der Medizinischen Universität Innsbruck und stellvertretende Leiterin des dortigen Schlaflabors.
Ambra Stefani ist Neurologin an der Medizinischen Universität Innsbruck und stellvertretende Leiterin des dortigen Schlaflabors.
© Fotocredit: MUI

Daten und Fakten

  • Chronische Schlaflosigkeit kostet die österreichische Wirtschaft jährlich 2,6 Milliarden Euro. Das ist das Ergebnis einer für mehrere Länder durchgeführten Analyse des Forschungsinstituts RAND Europe im Auftrag des Schweizer Pharmaunternehmens Idorsia. Demnach leidet schätzungsweise jede zwölfte Person an chronischer Insomnie (CID), einer Erkrankung, die verhindert, dass die Betroffenen erholsamen Schlaf finden. Laut den Ergebnissen ist CID (Chronic Insomnia Disorder) jährlich mit zirka 11 bis 18 Tagen Abwesenheit von der Arbeit sowie 39 bis 45 Tagen, an denen trotz Krankheit gearbeitet wird, und damit insgesamt mit 44 bis 54 Tagen Produktivitätsverlust assoziiert. Auf Bevölkerungsebene umgerechnet führen diese aufgrund von CID verlorenen Arbeitstage in Österreich zu einem BIP-Verlust von 0,64 Prozent bzw. jährlich 2,6 Milliarden Euro, ergab die Analyse. (Studie zum Weltschlaftag 2023, der am 17. März stattfindet)

  • Schlafstörungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Tagesfunktionalität der Betroffenen, die häufig unter Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Gereiztheit leiden​ (Medizinische Universität Wien)​. Nur ein kleiner Teil der Betroffenen sucht professionelle Hilfe, was auf einen Bedarf an besserem Screening und mehr Aufklärung hinweist​ (Medizinische Universität Wien).

  • Ein Schlafzyklus besteht aus unterschiedlichen Phasen. Grundsätzlich werden zwei Arten von Schlaf unterschieden: REM-Schlaf und Non-REM-Schlaf. Die Abkürzung REM steht für die englische Bezeichnung Rapid Eye Movement (schnelle Augenbewegungen) und beschreibt das Merkmal, das bei Menschen in dieser Schlafphase beobachtet wird: Die Augäpfel bewegen sich von außen erkennbar schnell hin und her, obwohl die Augenlider geschlossen sind. Während des REM-Schlafs träumt der Schlafende. Deshalb wird diese Phase auch als Traumschlaf bezeichnet. Der Non-REM-Schlaf, bei dem diese schnellen Augenbewegungen nicht auftreten, wird zusätzlich in drei weitere Stadien (N1 bis N3) unterteilt, nämlich Einschlafphase, leichter Schlaf und Tiefschlaf.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien