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Wie wir zurück zu mehr Wachstum kommen könnten

6 Min
Georg Renner schreibt jede Woche einen sachpolitischen Newsletter. Am Samstag könnt ihr den Beitrag online nachlesen.
© Fotocredit: Georg Renner

Die zwölf Empfehlungen für Koalitionsverhandler:innen von Christoph Badelt sollten besser heute als morgen umgesetzt werden.


Für Menschen, die Studien und Statistiken mögen – und, wenn du das hier liest, zähle ich dich da natürlich fix dazu – ist es eine spannende Woche! Die Alterssicherungskommission hat ihr Gutachten zur langfristigen Entwicklung des Pensionssystems vorgelegt, die Statistik Austria die Statistik zum vergangenen Schuljahr 2023/24 (mit neuen Rekordzahlen bei den außerordentlichen Schüler:innen, die nicht ausreichend Deutsch können, um dem Unterricht zu folgen) und die Wachstumszahlen bzw. den Mangel an solchen für das dritte Quartal.

Österreichs Wirtschaft steckt in der Rezession fest

Lassen wir Pensionen und Schulen für heute einmal beiseite – wir kommen ein andermal auf sie zurück, versprochen – und bleiben wir kurz bei den Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung, zur Konjunktur. Statistik-Generaldirektor Tobias Thomas hat da am Mittwoch ein eher düsteres Bild gezeichnet: „Österreichs Wirtschaft steckt in der Rezession fest. Im 3. Quartal 2024 ging das Bruttoinlandsprodukt zum sechsten Mal in Folge zurück und verringerte sich im Vergleich zum Vorjahresquartal um 0,6 %. Besonders betroffen ist mit einem Minus von 3,7 % erneut die Industrie, die weiterhin unter der globalen Konjunkturflaute leidet.“

Grafisch schaut das so aus:

Österreichs Wirtschaft schrumpft
© Screenshot

Die senkrechten blauen Striche zeigen hier, wie viel die österreichische Wirtschaft, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahrs gewachsen ist. Kurz gesagt: Je weiter die Striche nach oben zeigen, desto besser, je weiter sie nach unten zeigen, desto schlechter. Exemplarisch sehen wir das beim Absturz während der Covid-Zeit 2020/21 und der Erholung danach.

Seit mittlerweile sechs Quartalen, also seit April 2023, schrumpft Österreichs BIP – unser Wohlstand ist deutlich weniger geworden. Im realen BIP pro Kopf liegen wir jetzt nur noch auf dem Niveau von 2017. Ein Entwicklung, die in ähnlicher Form alle Länder trifft, die stark von der Auto- bzw. Auto-Zulieferindustrie abhängen, wie die Statistik Austria ausführt.

Wenn man einen kleinen Lichtblick sehen will: Die Schrumpfung im dritten Quartal ist deutlich geringer ausgefallen als in den dreien davor – und auch die Insolvenzwelle schwächt sich, vielleicht entgegen dem Eindruck, den man angesichts der Nachrichtenlage manchmal hat, gerade ab. Aber das ist natürlich insgesamt eine sehr unbefriedigende Situation.

Jahresbericht des Produktivitätsrats

Ich bin heute aber nicht (nur) hier, um Doom and Gloom zu verbreiten und den Eindruck zu machen, dass wir den globalen Trends hilflos ausgeliefert sind. Denn eine Studie habe ich euch noch verschwiegen: Auch der Produktivitätsrat – ein Gremium, das die Republik in Sachen Produktivität (duh), Wachstum und Konkurrenzfähigkeit berät, hat vor ein paar Tagen seinen Jahresbericht vorgelegt.

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Ein Kopf auf gelbem Hintergrund

Einfach Politik.

Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.

Jeden Donnerstag

Das ganze ist ein relativ technisches, komplexes Dokument. Drei Gedanken sollten wir daraus mitnehmen: Erstens, dass Österreich bei der Digitalisierung sowohl auf Seite der Infrastruktur als auch auf jener der Anwendungen Potenzial hat. Zweitens, dass rechtliche Voraussetzungen und Netzinfrastruktur für die Wende Richtung günstiger, erneuerbarer Energie noch nicht bereit sind. Und drittens, dass wir bei relativ hohem Aufwand für Bildung zu viele Kinder – und damit auch Potenzial für bessere Arbeitskräfte – zurücklassen.

Und weil Produktivitätsrats-Vorsitzender Christoph Badelt (der ehemalige WU-Rektor und Wifo-Chef ist gleichzeitig auch Vorsitzender des Fiskalrats) genau weiß, was die Republik und ihre Regierungsverhandler:innen jetzt brauchen, hat er aus der Analyse, was unseren Wohlstand hemmt, zwölf Empfehlungen destilliert, die besser heute als morgen umzusetzen wären:

  1. Die Bundesregierung soll die Rahmenbedingungen für Innovation und Investitionen durch ein wettbewerbsfähiges Steuer- und Abgabensystem sowie den Abbau von Bürokratie verbessern. Dazu gehört auch die Entwicklung einer umfassenden industriepolitischen Strategie in Abstimmung mit europäischen Initiativen.

  2. Um die Digitalisierung zu beschleunigen, soll die entsprechende Infrastruktur mit schnellen Internetzugängen ausgebaut und eine neue Digitalisierungsoffensive für Unternehmen gestartet werden. Dabei stehen besonders die Förderung von KI, Cloud Computing und Datenanalyse im Fokus, mit dem Ziel, bis 2040 in einigen digitalen Geschäftsfeldern zur Weltspitze aufzuschließen.

  3. Kleine und mittlere Unternehmen sowie Neugründungen sollen durch gezielte Maßnahmen bei der Digitalisierung unterstützt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Digitalisierung des Gründungsprozesses und der klaren Definition und Messung von Zielen und Effekten.

  4. Die digitalen Kompetenzen sollen durch verbesserte digitale Bildung, spezielle Lehrerausbildung und mehr Ausbildungsplätze im Bereich Internet und Kommunikationstechnologie (IKT) gestärkt werden.

  5. Die Energieversorgung soll durch den Ausbau der Infrastruktur für CO2-neutrale Energie und die Anpassung der Gasinfrastruktur gesichert werden. Innovative Netzkonzepte und Maßnahmen zur Kostensenkung sollen dabei helfen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

  6. Für den Umbau des Energiesystems müssen klare rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen und der Reformstau bei ElWG, EEG und EABG beseitigt werden. Dazu gehören schnellere Genehmigungsverfahren, regulatorische Grundlagen für innovative Lösungen und rechtliche Grundlagen für Carbon Capture-Verfahren.

  7. Die Finanzierung der Energieinfrastruktur soll durch angepasste Netzentgelte und eine optimierte Infrastruktur sichergestellt werden. Neue Finanzierungsmöglichkeiten sollten geprüft werden.

  8. Der Umbau des Energiesystems soll als zentrale Forschungsmission etabliert werden, mit zusätzlichen Förderungen für neue Energietechnologien und Speicherlösungen. Die Digitalisierung soll dabei als Querschnittsmaterie in allen Bereichen integriert werden.

  9. Der Zugang zu Bildung soll für alle Menschen unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund verbessert werden. Dies umfasst qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung, besondere Unterstützung benachteiligter Schulen und den Abbau früher Selektion im Bildungssystem.

  10. Das Arbeitskräfteangebot soll durch flexiblere Arbeitsbedingungen, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie den Abbau negativer Arbeitsanreize mobilisiert werden. Zusätzlich soll die Gesundheit am Arbeitsplatz stärker gefördert werden.

  11. Die Zuwanderungspolitik soll durch vereinfachte Bewilligungsverfahren und bessere Anerkennung ausländischer Qualifikationen effizienter gestaltet werden. Österreich soll sich aktiv an innovativen Migrationskonzepten beteiligen und die Integration qualifizierter Arbeitskräfte fördern.

  12. Unternehmerische Potenziale sollen durch gezielte Förderung von Gründerinnen, spezielle Trainingsprogramme für junge Menschen und verbesserte Rahmenbedingungen für ausländische Gründer gestärkt werden. Dabei soll besonders auf die Bedürfnisse von Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund eingegangen werden.

Also: Jetzt bräuchten wir dann Produktivität bei entsprechenden Reformen.


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Infos und Quellen

Genese

Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.

Quellen