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Wir werden älter - aber nicht mehr lange!

2 Min
Die Lebenserwartung steigt. Doch ein stressiger, rastloser Alltag könnte sie wieder verkürzen.
© Illustration: WZ, Quelle: Adobe Stock

Den Faktoren, die uns länger leben lassen, stehen immer mehr lebensverkürzende Belastungen gegenüber.


Könnten junge Menschen heute weitaus länger leben als ihre Eltern, ja vielleicht sogar den Tod besiegen? Der US-amerikanische Tech-Unternehmer Bryan Johnson wünscht sich etwas in dieser Art: Dazu nimmt der 47-Jährige mehr als 50 Pillen täglich, überwacht laufend seinen Herzschlag und unterzieht sich experimentellen Behandlungen. Akribisch nutzt er, wie er in Interviews sagt, „Möglichkeiten von Wissenschaft und Technologie“, um das Ablaufdatum seines Körpers hinauszuzögern.

Vorbilder gibt es: So fand die Französin Jeanne Calment den Jungbrunnen wie von selbst. Die Rekordhalterin des biblischen Alters lebte 122 Jahre. Die in Arles geborene Südfranzösin dürfte dabei einen angenehm entspannten Lebensstil geführt haben, der ihr erlaubte, ihren Hobbys wie Tennis, Radfahren, Schwimmen und der Opernkunst nachzugehen. Calment gilt bis heute als die älteste Person, die jemals gelebt hat, sie verstarb im August 1997.

Dass Entspannung, Pausen und regelmäßige Bewegung das Leben verlängern können, bestätigt die Wissenschaft. Das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung ist jedoch wohl einer verbesserten Lebensqualität und medizinischen Fortschritten insbesondere in Industriestaaten geschuldet. Während etwa in Österreich die durchschnittliche Lebenserwartung von in der Generation der Baby-Boomer im Jahr 1960 geborenen Frauen bei 71,9 Jahren und bei Männern bei 65,4 Jahren lag, können im Jahr 2000 geborene Vertreter:innen der Gen Z schon mit durchschnittlich 81,1 und 75,1 Lebensjahren rechnen.

Stress lässt die Kurve abflachen

Aber Achtung: Obwohl die Kurve nach wie vor nach oben zeigt, flacht sie allmählich ab. Forscher:innen berichten, dass der Anstieg der Lebenserwartung ein Plateau erreicht. Ein US-Team hat demografische Daten der besonders langlebigen Bevölkerungen Australiens, Frankreichs, Hongkongs, Italiens, Japans, Südkoreas, Spaniens und der Schweiz im Zeitraum von 1990 bis 2019 analysiert und festgestellt, dass eine radikale Erweiterung der Lebensspanne zumindest im 21. Jahrhundert nicht zu erwarten sei. Vor wenigen Wochen präsentierte die Harvard Medical School in Boston die Gründe dafür: Umweltfaktoren, chronische Krankheiten und Stress verkürzen das Leben, wie man anhand von Gehirnscans von einer Studie mit 50.000 Personen zeigen konnte. Laut einem Bericht im Fachjournal "Nature" verursachen diese Faktoren Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atemwegsbeschwerden.

Ein stressiger Lebensstil, ungesunde Ernährung, Übergewicht und Lebensstil-bedingter Diabetes schon in der Kindheit, Mangel an Bewegung und zu wenig Zeit im Freien sowie Umweltgifte wie Pestizide oder Feinstaub machen mittlerweile immer mehr Menschen chronisch krank. Selbst die Jüngsten sind betroffen: Laut dem aktuellen Gesundheitsbericht für Kinder und Jugendliche des Sozialministeriums sind schon unter den 7- bis 10-Jährigen jeder dritte bis vierte Bub und jedes vierte bis fünfte Mädchen übergewichtig oder adipös. Hinzu komme eine Vernachlässigung sozialer Kontakte, Schlaf und Bewegung durch hohe Bildschirmzeiten.

Für Bryan Johnson sind das schlechte Nachrichten, denn allein der Stress, den sich der Multimillionär mit seinem rastlosen Streben nach einem möglichst langen Leben macht, dürfte eher dazu beitragen, es zu verkürzen. Zumindest in der wissenschaftlichen Theorie.


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Infos und Quellen

Gesprächspartnerin

Birgit Weinberger, Leiterin des Instituts für Biomedizinische Alternsforschung der Universität Innsbruck.

Daten und Fakten

Die Lebenserwartung steigt im Allgemeinen mit dem Wohlstand, der Qualität der medizinischen Versorgung und einem verbesserten Lebensstil und variiert von Land zu Land und von Weltregion zu Weltregion. So liegt laut Statistik Austria die durchschnittliche Lebenserwartung von Personen, die im Jahr 2023 in Österreich geboren wurden, bei 84, 2 Jahren und bei Männern bei 79,4 Jahren.

Auf der Liste des CIA World Factbook (2023) zur weltweiten Lebenserwartung steht Österreich nach Ländern wie Schweiz, Schweden, Italien, Frankreich oder Norwegen aber nur an 25. Stelle, während der Kleinstaat Monaco Klassenbester ist: Hier wird die durchschnittliche Frau 93,6 und der durchschnittliche Mann 85,8 Jahre alt. Auf dem zweiten Platz reiht Singapur mit 89,3 und 83,8 Jahren.

In unserem Nachbarland Deutschland leben die Menschen hingegen vergleichsweise kürzer. Hier werden Frauen 84,2 und Männer 79, 6 Jahre alt, womit sich das Land hinter Großbritannien und vor den USA einreiht. Die Vereinigten Staaten belegt Platz 48 auf der CIA-Rangliste, mit 82,9 Lebensjahren für Frauen und deren 78,5 für Männer.

Erwartungsgemäß bleiben ärmere Regionen und Staaten in Krisengebieten wegen mangelhafter Versorgung zurück. So liegt in afrikanischen Ländern wie Liberia, Südafrika oder Kamerun die Lebenserwartung bei einem Maximaldurchschnitt von 68,2 Jahren für Frauen und 63,5 für Männer. An letzter Stelle steht bei 227 Plätzen Afghanistan mit 55,7 und 52,5 Lebensjahren (Nicht alle Länder im Ranking sind Mitglied der Vereinten Nationen, die 193 Staaten zählt).

Quellen

Das Thema in anderen Medien

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