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Zucker und Koffein: Die Menge macht das Gift

5 Min
Sie sind bunt und schmecken: Doch Eistees und Softdrinks können abhängig machen.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Egal ob Eistee, Softdrink oder Energy Drink, wir greifen liebend gern zu stark zuckerhaltigen Erfrischungen. Und wenn es unser:e Lieblings-Influencer:in empfiehlt, kann es doch gar nicht schlecht sein. Oder?


Durst. Paul ist auf dem Weg zu seinem Freund und hat so richtig Durst. Noch schnell einen Sprung in den Supermarkt, denn ein Drink muss her. Und davon gibt es jede Menge: Bunte Verpackungen, ebenso bunter Inhalt – die Auswahl bei diesem Angebot an Eistees und Softdrinks fällt schwer. Oder auch nicht: Paul greift zu einem Softdrink, der gerade sein „Must-have-Elixier“ ist. Die Kunststoffflaschen sind eisblau, tomatenrot oder grasgrün, die Schrift in fetten Großbuchstaben ist nicht zu übersehen: „Prime Hydratation” der Influencer Logan Paul und KSI. Was da eigentlich alles drinnen sei, hat ihn einmal seine Mutter gefragt. Er wüsste es nicht, hat er geantwortet. Es ist ihm auch egal, denn Logan Paul ist einer seiner All-Time-Faves. Er solle aber nicht so viel davon trinken, meinte seine Mutter warnend, denn er sei dann immer so hibbelig. Paul weiß, dass sie damit recht hat, doch er weiß nicht, warum er sich so fühlt.

Der Kick des Süßen

Der Rapper CapitalBra war 2021 einer der ersten, dem es gelang, aus Eistee ein neues Statussymbol für Jugendliche zu machen. 2022 hat TikToker Emir Bayrak die Limonade Emyo auf den Markt gebracht. Im vergangenen Jahr folgte der Twitch-Streamer Montanablack alias Marc Eris mit dem Energydrink Gönrgy, der österreichische Getränkehersteller Rauch bewarb mit Youtuber Julien Bam eine „Julien Bam“-Eistee-Kollektion. BraTee, Dirtea, Sugar Mami, Prime ..., es gibt inzwischen unzählige Softdrinks von Celebrities oder zumindest von ihnen beworbene. Ihre Inhaltsstoffe, die Paul so hibbelig machen: Zucker, Zucker, Zucker, Koffein in großen Mengen, Taurin, Aminosäuren und manchmal Süßstoffe statt Zucker. Eines haben alle diese Getränke gemein: Sie schmecken süß. Und jeder mag doch Süßes – Influencer:innen sowieso. Durstlöscher sind diese süßen Getränke jedoch nicht, wie Paul glaubt, denn der viele Zucker verursacht noch mehr Durst, statt diesen zu löschen. Außerdem enthält er eine Menge zusätzlicher Kalorien, die wiederum dazu beitragen, dass das Übergewicht unter Jugendlichen zum bedenklichen Gesundheitsrisiko wird.

„Zucker ist ein Bestandteil unserer Ernährung und gibt schnelle Energie, weil der Blutzuckerspiegel rasch ansteigt“, erklärt Ursula Pabst, Ernährungswissenschaftlerin und Expertin fürs Abnehmen. „Es ist ein Kick, der schnell spürbar ist.“ Und der süße Geschmack hat den Beigeschmack des Vertrauten: Das beginnt schon als Baby mit der Muttermilch. „Manche Menschen haben eine genetische Veranlagung, Süßes zu lieben“, sagt Diätologin Dejana Simić. Auch gebe es einen Zusammenhang mit der Erziehung: „Wurden wir als Kind mit Süßem belohnt, wenn wir brav waren? Oder haben wir etwas Süßes bekommen, wenn wir traurig waren?“ Das beeinflusst unser Ess- und Trinkverhalten.

Süßstoff als Krücke

Aber die Vorliebe für Süßes ist laut Simić auch evolutionär zu begründen, denn „wir wissen, dass alles, was in der Natur süßlich schmeckt, nährstoffreich ist“. Aber nicht alles, was süß ist, bringt dem Körper Energie, etwa Süßstoffe. Sie werden nicht nur in Softdrinks als Zuckerersatz verwendet. Sie sind synthetisch hergestellte oder natürliche Ersatzstoffe, die die Zucker-Süßkraft erheblich übertreffen. „Die braucht der Körper gar nicht und sie sind eher als Krücke zu sehen, wenn man von Zucker wegkommen will, oder wenn man gesundheitsbedingt auf Zucker verzichten sollte wie etwa Diabetiker“, sagt Pabst.

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Doch es ist nicht allein der hohe Zuckergehalt in seiner Erfrischung, der Paul so zappelig macht: In Prime Energy etwa ist mit 200 Milligramm der Koffeingehalt doppelt so hoch wie in Red Bull. In einer Dose DirTea erreicht man schon fast die von der WHO (World Health Organisation) empfohlenen 50 Gramm Zucker pro Tag. 50 Gramm sind rund 14 Stück Würfelzucker. Viel Zucker und eine hohe Menge an Koffein: „Das sind zwei Substanzen, die gemeinsam die Leistungsfähigkeit erhöhen sollen. Der Zucker gibt den Brennstoff, also die Energie. Und das Koffein sorgt dafür, dass man leistungsfähiger ist, im Sinn von wacher und konzentrierter“, sagt Pabst. Personen, die regelmäßig sehr viel Koffein konsumieren, brauchen nach einiger Zeit ihre hohe Dosis Koffein, um überhaupt normal leistungsfähig zu sein. „Wenn sie das Koffein nicht zu sich nehmen, leiden sie an Müdigkeit und Abgeschlagenheit“, meint Pabst. „Einigen Softdrinks ist nicht nur Koffein hinzugefügt, sondern auch grüner Tee und Ginseng. Das sind alles stimulierende Substanzen“, sagt Simić. Jugendliche hätten ein sensibleres Herz-Kreislauf-System: „Da kann es schon sein, dass sie das Gefühl bekommen, ängstlicher oder panischer zu sein, da der plötzliche Schub all dieser Inhaltsstoffe zu Herzrasen führen kann.“ Also Finger weg von den hippen süßen Softdrinks?

Alternativen, aber ohne Influencer:innen

Das muss nicht unbedingt sein: „Die Menge macht das Gift“, fasst Pabst zusammen. Dem schließt sich Simić an: „Wenn man ein- bis zweimal die Woche seinen Eistee oder Softdrink des Lieblings-Influencer zu einer Pizza trinkt, dann ist sicherlich nichts dagegen einzuwenden.“ Jedoch zwei Liter am Tag so nebenbei, dazu vielleicht noch ein Cola, kann gesundheitliche Folgen haben. „Wasser wäre das gesündeste“, sind sich die beiden Diätologinnen einig. Wer aber unbedingt Geschmack in seinem Getränk braucht, solle sich den Tee lieber selbst zubereiten und ein paar Stevia-Blätter für die Süße hinzufügen. Eigentlich wäre die gesunde Alternative so einfach… wäre da nicht die Werbung mit den All-Time-Faves-Influencern für Paul.


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Infos und Quellen

Gesprächspartnerinnen

  • Ursula Pabst absolvierte ihr Studium der Ernährungswissenschaften in Wien und wird ihr zusätzliches Studium der Angewandten Ernährungstherapie/Diätologie 2024 abschließen. Gemeinsam mit ihrer Schwester Julia Pabst führt sie ein Institut, in dem sie Menschen zu vielfältigen Ernährungsfragen beraten. Seit 2008 hat Ursula Pabst ihre eigene Praxis. Sie gibt regelmäßig Tipps im österreichischen Fernsehen und Radio, in Magazinen und Tageszeitungen.

Ein Foto von Ursula Pabst.
Ernährungswissenschaftlerin Ursula Pabst.
© Fotocredit: Miriam Mehlmann
  • Dejana Simić schloss ihre Ausbildung zum Ernährungscoach (Precision Nutrition Canada) 2020 ab, Ernährungswissenschaften (BSc) an der Universität Wien 2021 und ihre Ausbildung zur Diätologin (BSc) am FH Campus St. Pölten 2022. Seit 2023 ist sie Diätologin bei >resize. Simić liegt die Nachhaltigkeit am Herzen: „Die zentrale Frage ist immer, wie können wir gesunde Ernährung tatsächlich machbar machen, sodass ein echter Lifestyle-Change möglich ist (weg von Hungern, Verboten, „bis zum Sommer durchhalten“ oder „ab Montag aber…“). Die Antwort ist immer eine individuelle. Ein Step-by-step-Lernprozess, der niemals auf Perfektion aus ist, sondern auf Fortschritt.“

Ein Foto von Dejana Simić.
Diätologin Dejana Simić.
© Fotocredit: Privat

Daten und Fakten

  • Der Inlandsabsatz von Eistee lag im Jahr 2022 bei rund 1,15 Millionen Hektoliter. Dies entspricht einem leichten Plus gegenüber dem Jahr davor. Im Jahr 2020 waren Eistee und Sirup auf Rang 6 im Vergleich der umsatzstärksten Kategorien alkoholfreier Getränke. Angeführt wurde das Ranking von Energy Drinks und Cola/Limonaden.

  • Die Kammer für Arbeiter und Angestellte Steiermark brachte eine Eistee-Untersuchung heraus, in der 20 verschiedene Produkte vom Verein für Konsumenten-Information (VKI) geprüft wurden. Fazit: Bis zu zehn Stück Würfelzucker befinden sich in einem halben Liter Eistee. Im Schnitt sind es sechs Stück Würfelzucker im halben Liter. Eistee wird klassisch unterwegs getrunken und meist eine Flasche auf einmal. Die Tees werden vor allem in 0,5-Liter-Flaschen verkauft. Der Koffeingehalt der Tees reicht von 26,9 bis 199 Milligramm pro Kilo. Mit 99,5 Milligramm enthält ein halber Liter Club Mate Eistee somit die Hälfte der empfohlenen Einzeldosis bzw. ein Viertel der maximalen Tagesdosis Koffein. Zum Süßen werden verschiedene Zuckerarten verwendet, Saft und Saftkonzentrate sowie Süßungsmittel. Der höchste Zuckergehalt findet sich in Arizona Pomegranate Green Tea mit 8,2 Gramm pro 100 Gramm, gefolgt von Clever Eistee Pfirsich mit 7,5 Gramm pro 100 Gramm. Im Schnitt enthalten Eistees fünf Gramm pro 100 Milliliter, also rund 25 Gramm pro halber Liter, was rund sechs Stück Würfelzucker entspricht.

Quellen

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