"Amasien" soll sich als Superkontinent rund um den Nordpol formieren.
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Wien. Der nächste Superkontinent wird in 50 bis 200 Millionen Jahren über dem Nordpolarmeer entstehen. Zumindest wenn es nach dem US-Geoforscher Ross Nelson Mitchell von der Universität Yale geht. Seinen Berechnungen zufolge werden sich bis dahin alle gegenwärtigen Kontinente zu einer einzigen Landmasse rund um den Nordpol gruppieren.
Bereits im 18. Jahrhundert sahen Forschungsreisende, dass die durch den Atlantik getrennten, einander gegenüber liegenden Küsten Afrika und Südamerikas wie ein Puzzle in einander passen würden. Der deutsche Geowissenschafter Alfred Wegener entwickelte Anfang des 20. Jahrhunderts die Theorie der Kontinentalverschiebung, die eine Grundlage für das heute verwendete Modell der Plattentektonik wurde.
Lösung des Rätsels
Auf der Basis gegengleich übereinstimmender Küstenkonturen und verwandter Fossilien auf unterschiedlichen Kontinenten entwickelte Wegener die Idee eines Urkontinents, der zerbrochen und dessen Teile auseinander gedriftet waren. Zur Stützung der Theorie führte er die Ähnlichkeit von Gesteinsformationen in Indien, Madagaskar und Ostafrika an: Ein Gebirgszug in Südafrika schien seine Verlängerung in einem ähnlich aufgebauten Gebirge in Argentinien zu haben.
Ein Superkontinent ist in der Geologie eine zusammenhängende Landmasse von allen oder zumindest beinahe allen Kontinentalkernen der Erde. Der bekannteste ist die im Perm und der Trias bestehende Pangaea. Obwohl die Grenze zum Großkontinent fließend ist - auch Europa, Asien und Afrika werden bisweilen als Superkontinent Afrika-Eurasien bezeichnet - gilt Pangaea gilt als der jüngste echte Superkontinent. Er soll sich vor rund 300 Millionen Jahren dort formiert haben, wo heute Westafrika liegt. Bisher waren Geologen davon ausgegangen, dass der nächste Superkontinent entweder am selben Ort im Atlantischen Ozean entstehen und diesen wie eine Ziehharmonika schließen, oder aber sich auf der anderen Seite des Erdballs über dem heutigen Pazifischen Ozean bilden würde.
Mitchell und sein Team aus New Haven, Connecticut, haben nun jedoch den Magnetismus jahrmillionenalter Felsen unter die Lupe genommen, um zu errechnen, wohin dieser deren Standorte hinziehen werde. Und sie haben vermessen, wie der Erdmantel unter der Erdkruste die Kontinente auf der Oberfläche verschiebt, und die Ergebnisse zueinander in Relation gesetzt.
Den Forschern zufolge wird der neue Superkontinent, den sie "Amasien" nennen, nicht auf der Höhe des Äquators, sondern in einem Winkel von 90 Grad zu Pangaea über der Arktis liegen. "Zuerst schließen sich Nord- und Südamerika zusammen. Dann bewegen sie sich gemeinsam nordwärts, wo sie mit Europa und Asien auf der Höhe des heutigen Nordpols kollidieren", schreibt Mitchell in "Nature". Er sieht die Bewegung als Teil eines Musters, wonach Pangaea im 90-Grad-Winkel zu seine Vorgängerin Rodinia entstanden ist, und Rodinia wiederum in einem 90-Grad-Winkel zu Nuna lag, die vor zwei Milliarden Jahren existierte.
Das "Orthoversion" genannte Modell könnte ein geologisches Rätsel lösen. Bekannt waren die unterschiedlichen Konfigurationen von Superkontinenten. "Aber wir wussten nicht wirklich, ob die Verschiebungen Methode haben", sagt Peter Cawood, Geologe an der St. Andrew’s University in Edinburgh in "Science".
Wenn alle Kontinente zu einer Landmasse vereint sind, treten spezielle klimatische Bedingungen auf: Etwa gibt es mehr Trockengebiete im Landinneren. Ein Beispiel sind heute die Trockengebiete in Zentralasien mit der Wüste Gobi. Auch die Entstehung von Arten wird durch den Übergang eines großen in mehrere kleinere Kontinente beeinflusst. Etwa ist die Ausbreitung von Landtieren auf einem einzigen Kontinent einfach - erst die Aufspaltung in mehrere Kontinente führte zur Isolation der Beuteltiere in Australien von den übrigen Säugetieren. Aufgrund ihrer Implikationen die Biologie "ist es fundamental für unsere Kenntnis der Geschichte der Erde, die Kontinentalbewegungen zu verstehen", sagt Cawood: "Felsen sind ein Fenster zur Geschichte."