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Vor Jahrestagung läuft Debatte über Kapitalaufstockung.
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Washington. Den langen Schatten von Dominique Strauss-Kahn abzuschütteln wird schwierig: Von 23. bis 25. September ist Christine Lagarde erstmals Gastgeberin der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington.
Wenige Tage vor ihrer Premiere zieht ihr Vorgänger alle Aufmerksamkeit auf sich: Am Sonntag will Dominique Strauss-Kahn im Interview mit dem französischen Fernsehen über die Vorwürfe, ein Zimmermädchen zu Sex gezwungen zu haben, sprechen. Das Strafverfahren war im August eingestellt worden.
Lagarde dürfte andere Sorgen haben. Seit die ehemalige französische Finanzministerin am 5. Juli die Nachfolge angetreten hat, ist das globale Wachstum eingebrochen - und die Euro-Schuldenkrise dramatisch eskaliert. Somit rückt der IWF als globale Finanzfeuerwehr wieder in den Mittelpunkt. Auf dem alten Kontinent wird Lagarde freilich vorgeworfen, dazu beitragen zu haben, dass Europas Banken in den Seilen hängen: Sie hatte mit der Aussage für Furore gesorgt, dass die europäischen Institute 200 Milliarden Euro an Kapital benötigen, um ihre Investitionen in den Problemländern abzuschreiben.
In Washington wird Kritik, dass Lagarde damit für Verunsicherung gesorgt habe, zurückgewiesen. Sie sei "vielleicht direkter als ihr Vorgänger", die generelle IWF-Einschätzung habe sich aber nicht gewandelt, so ein Insider.
Auch in früheren Berichten habe sich Kritik an der Tatenlosigkeit der Europäer in Bezug auf ihre Banken gefunden: "Was soll man tun, wenn Europa Stresstests durchführt und das Hauptproblem - die Staatsanleihen - ausklammert", so der Vorwurf aus dem Fonds. Das sei "wie ein Belastungs-EKG ohne Joggen".
Sondertopf gut dotiert
Der Kapitalbedarf von 200 Milliarden Euro stammt aus dem IWF-Finanzstabilitätsbericht, der im Detail am Mittwoch, dem 21. September, vorgelegt werden wird. Der Ausblick für die Weltwirtschaft ist schon einen Tag früher an der Reihe.
Es ist kein Geheimnis, dass beide Berichte düster ausfallen werden. Die Zuspitzung der europäischen Schuldenkrise gilt beim IWF mittlerweile als Risikofaktor Nummer eins.
Anders als früher sind es nicht mehr Entwicklungsländer, in denen der Fonds die größten Notkredite vergeben hat, sondern Griechenland, Rumänien und die Ukraine. Der Fonds drängt nun, dass Europa rasch seine am 21. Juli beschlossenen Euro-Rettungsmaßnahmen umsetzt.
In Washington wird unterdessen wieder über eine Quotenerhöhung diskutiert. Ein Sprecher sagte dazu, diese Debatte über eine Anhebung werde laufend geführt. Die IWF-Mittel werden sicher ausreichen, heißt es zur "Wiener Zeitung". Immerhin gibt es einen Spezialtopf, der von rund 40 großen Ländern und Nationalbanken dotiert wird: Über die "New Arrangements to Borrow" (NAB) können notfalls bis zu 590 Milliarden Dollar lockergemacht werden.
Bevor der IWF weitere Reformen in Angriff nimmt, muss noch die vor neun Monaten beschlossene Kapitalaufstockung verdaut werden: 85 Prozent der Mitgliedstaaten müssen zustimmen, bisher haben nur 15 Prozent das Okay der nationalen Parlamente eingeholt. Die Reform von 2006 hat ganze zwei Jahre bis zur Umsetzung benötigt.
Die Tendenz ist, dass die großen Schwellenländer mehr Einfluss erhalten sollen. Von ihnen - also Ländern wie China, Indien, Brasilien - erwartet sich die IWF-Chefin, dass sie mehr für das Wachstum der Weltwirtschaft tun. "Die Schwellenländer müssen eine stärkere Rolle des Nachfragens übernehmen, um die globale Erholung voranzutreiben", schrieb Lagarde in einem Kommentar. Die globale Nachfrage müsse künftig von Ländern mit Exportüberschüssen ausgehen.