Zum Hauptinhalt springen

Diversion statt Strafe

Von Matthias G. Bernold

Wirtschaft

Rückschau auf knapp drei Jahre Diversion wurde bei einer Podiumsdiskussion Mittwochabend im Dachgeschoss des Wiener Ringturms gehalten. Über den Nutzen der Einrichtung waren sich die Experten einig - die Vorschläge zu möglichen Verbesserungen hingegen divergierten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Seit dem Jahr 2000 hat die Staatsanwaltschaft auch bei erwachsenen Verdächtigen die Möglichkeit von einer Anzeige abzusehen und stattdessen eine der vier diversionellen Maßnahmen - Außergerichtlicher Tatausgleich (ATA), gemeinnützige Leistung, Geldbuße oder Probezeit - zu verhängen. Vorteile dabei: Die raschere Erledigung, keine Vorstrafe für den Täter und - beim ATA - eine direkte Wiedergutmachung des Täters beim Opfer. Roland Kier, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Soyer, Embacher und Bischof, hält zwei Punkte am derzeitigen Modell für änderungswürdig: Den "unscharfen" Begriff der minderschweren Schuld (§ 90a Abs. 2 zi. 2) als Voraussetzung zur Diversion und die Drucksituation, in die Verdächtige geraten, wenn sie ein Angebot zur Geldbuße erhalten: "Oft scheint die Staatsanwaltschaft nach dem Motto ,probieren wir's, ob er zahlt' vorzugehen." Darauf, dass der Sachverhalt - wie im Gesetz gefordert - hinreichend geklärt sei, würde zu wenig geachtet. Auch Richter Wolfgang Jedlicka konstatierte "zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe". Dass Diversion überwiegend in Form von Geldbußen stattfindet, rieche nach Geldbeschaffung. Diskussionsleiter Udo Jesionek erinnerte in diesem Zusammenhang an die fehlende Zweckbindung der Geldbußen für die Verbrechensopferhilfe.

Geldbeschaffung

Christian Pilnacek, Legist im Justizministerium, wies den Vorwurf der Geldbeschaffung zurück: "Die Geldbußen wurden eingeführt, um die Strafverfügungen zu ersetzen. Auch damals musste ein Geldbetrag geleistet werden - heute sind Leute aber nicht mehr vorbestraft." Im Übrigen würde die Geldbuße überwiegend bei Verkehrsdelikten und Ladendiebstählen angewendet. Andere Diversion-Instrumente seien hier nicht zielführend.

Michael Königshofer vom Verein Neustart (vormals Bewährungshilfe, Anm.) kritisierte den sinkenden Anteil des ATA an den diversionellen Maßnahmen: "Der ATA ist das beste Instrument, weil er den Geschädigten prominent ins Zentrum rückt." Demgegenüber verwies Staatsanwältin Michaela Schnell auf Probleme beim ATA - etwa, dass die Geschädigten gegenüber dem Schädiger oft "überzogene Forderungen" erheben würden.