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Dünner geht es nicht mehr

Von WZ-Korrespondent André Anwar

Wissen

"Wundermaterial" Graphen fasziniert die Wissenschaft. | Bahnbrechende Experimente mit zweidimensionalen Kohlenstoffkristallen. | Stockholm. Der Physiknobelpreis geht an Andre Geim und Konstantin Novoselov. Die beiden in Manchester lehrenden russischen Physiker haben das superdünne "Wundermaterial" Graphen entdeckt.


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"Oh shit, wie aufregend, das ist völlig crazy, dachte ich mir, als der Anruf aus Stockholm kam", sagt Konstantin Novoselov. Der mit 36 Jahren ungewöhnlich junge Physik-Nobelpreisträger erhält den auf 10 Millionen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotierten Preis zusammen mit seinem Kollegen Andre Geim (51). Die beiden gebürtigen Russen werden für die Entdeckung von Graphen ausgezeichnet, erklärte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm die Preisvergabe.

Graphen könnte das Plastik der Zukunft sein

Die Nobelpreisjury nennt Graphen dabei "Wundermaterial". Es habe ähnliches Potenzial wie die Erfindung von Plastik. Es ist superdünn und dabei extrem widerstandsfähig und besteht aus nur einer Lage von Kohlenstoffatomen.

Zum Vergleich: Ein Millimeter gewöhnliches Graphit (etwa in Bleistiften) enthält drei Millionen Schichten Graphen. Geim und Novoselov haben entdeckt, dass Kohlenstoff in dieser dünnen Form außergewöhnliche und in der Zukunft in weiten Bereichen anwendbare, Eigenschaften hat, die aus der Quantenphysik herrühren, erklärte die Nobelpreisjury.

Etwas weniger kryptisch äußerte sich Geim zur Entdeckung von Graphen im Graphit: "Wir wissen noch nicht, wofür Graphen wirklich anwendbar ist. Aber ich hoffe, dass es einmal genauso unser Leben verändern kann wie Plastik", erklärte er am Dienstag per Telefon.

Als wichtig gilt etwa die Leitungsfähigkeit. Graphen leitet Elektrizität genauso gut und ist dabei stabiler als das grobe Kupfer. Graphen ist von seiner Struktur so dicht, dass nicht einmal das kleinste Gasatom sich durchzwängen kann, von "Verrostung" ganz zu schweigen. Dennoch ist das Wundermaterial so dünn, dass es fast durchsichtig ist. Das spart Platz und Geld. In der Zukunft soll es Mikroelektronik noch kleiner und schneller machen. Zudem kann es Plastik leitend und wärmeresistent machen.

Entdeckung wurde erst 2004 publiziert

Geim hatte bereits im Jahr 2000 mit dem Briten Michael Berry den Ig-Nobelpreis für skurrile Forschungen erhalten. Der Name ist ein Wortspiel mit dem englischen Begriff "ignoble" (schändlich, lächerlich). Sie hatten damals einen lebenden Frosch in einem starken Magnetfeld schwerelos erscheinen lassen.

Geim und Novoselov gelang die erstmalige technische Isolation einer atomdünnen, aber stabilen Schicht Graphen aus dem Graphit mit gewöhnlichem Klebeband. Ungewöhnlich für die diesjährigen Preisträger ist auch, dass die Entdeckung noch nicht lange zurückliegt. Sie beschrieben ihre Entdeckung in einer wissenschaftlichen Zeitschrift erst 2004.

Seither untersuchen Wissenschafter in der ganzen Welt das Material. Auf die Frage von Journalisten, warum die Entdeckung so früh geehrt werde, antwortete der Sprecher des Komitees scherzhaft: "Wir werden sonst immer kritisiert, dass nur extrem alte Personen die Nobelpreise kriegen und sie gar nicht mehr genießen können. Nun sind sie also zu jung?"

Die beiden Preisträger gaben sich gelassen. "Eigentlich wollten wir heute einer Gruppe gähnender Forscher neue Messungen präsentieren. Nun muss ich mich bei ihnen entschuldigen und erklären, dass wir beide den ganzen Tag beschäftigt sein werden", sagte Konstantin Novoselov.

Beide Preisträger sind in der Sowjetunion geboren und arbeiten seit mehreren Jahren gemeinsam an der britischen Universität Manchester. Der Vizepräsident der Russischen Akademie der Wissenschaften, Gennadi Mesjaz, reagierte auf die Entscheidung der Nobeljury mit einer großen Portion Patriotismus: "Ich bin entzückt. Das russische Genie kann sich auch in Manchester durchsetzen."

Die Auszeichnungen werden traditionsgemäß am 10. Dezember überreicht, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.