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El Salvador steht vor Machtwechsel

Von WZ-Korrespondentin Christine Leitner

Politik

Rechte Großpartei formiert Allianz gegen Sozialismus. | Opposition setzt auf Wandel. | San Salvador. Seit dem offiziellen Endes des Präsidentschaftswahlkampfs am Mittwoch herrscht in El Salvador angespannte Ruhe. Am kommenden Sonntag, zwei Monate nach den Parlamentswahlen, sind die 4,2 Millionen wahlberechtigten Salvadorenser dazu aufgerufen, über ihren Präsidenten der künftigen fünf Jahre zu entscheiden. Nach den Abschlusskundgebungen der beiden Großparteien scheint das Rennen um das Präsidentenamt doch noch einmal spannend zu werden.


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Die aufstrebende Linkspartei "Nationalen Befreiungsfront Farabundo Marti" (FMNL) beendete mit einer Großveranstaltung die Kampagne für ihren Präsidentschaftskandidaten Mauricio Funes vor einer Menge von 200.000 Menschen, der Kandidat Rodrigo Ávila von der rechten "National-Republikanischen Allianz" (Arena) hielt seine letzte große Rede vor den vollen Rängen des Stadions Cuscatlán in San Salvador.

Laut Politologen und Meinungsforschern zeichnet sich ein deutlicher Sieg für die Linkspartei ab. Der jüngsten Umfrage der Universität Centroamericana zufolge liegt der linke Präsidentschaftskandidat Mauricio Funes mit 49,3 Prozent in der Wählergunst deutlich vor seinem rechten Kontrahenten Rodrigo Ávila.

Kann die FMLN bis zum 15. März ihren prognostizierten Vorsprung von 18 Prozent halten, dann wäre Funes der erste linksgerichtete Präsident El Salvadors seit dem Ende des Bürgerkriegs vor siebzehn Jahren. Funes würde sich auch nahtlos in eine immer länger werdende Reihe ideologisch gleichgesinnter Staatschefs in Lateinamerika fügen, die von Venezuelas Hugo Chavez über Brasiliens Lula da Silva bis Evo Morales in Bolivien reicht. Genau da hakt auch Rodrigo Ávila ein, wenn er vor Chavez´ "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" warnt, der auch schon nach Ecuador, Bolivien und Nicaragua übergeschwappt sei.

Der 49-jährige Mauricio Funes, auf dem die Hoffnungen der Linken ruhen, gilt indes als gemäßigter Sozialist. Wenngleich Mauricio Funes selbst nie als marxistischer Guerillakämpfer tätig war, so ist seine persönliche Geschichte doch von den blutigen Vorkommnissen des Bürgerkriegs gezeichnet. Denn 1980 wurde sein älterer Bruder, ein Studentenführer, von der Polizei entführt und ermordet.

Von seinen Anhängern wird der Journalist Funes schon jetzt als "Barack Obama El Salvadors" gefeiert. Schließlich hat auch Funes in seinem Wahlkampf auf Veränderung gesetzt und seinen Landsleuten im Fall seiner Wahl eine bessere Zukunft versprochen: Mit der Verbesserung des Gesundheitssystems, einem Privatisierungsstopp und dem Kampf gegen Kriminalität und Korruption will Funes sein Land, das immer noch an den Folgen des verheerenden Bürgerkriegs leidet, zum Aufschwung verhelfen.

Als gutes Omen wollen es zumindest seine Anhänger sehen, dass der erste Präsident Lateinamerikas, der nach der Inauguration des demokratischen US-Präsidenten gewählt wird, aus El Salvador kommt.

Trotz seines großen Rückstands in den Umfragen will sich der 45-jährige Arena-Kandidat Rodrigo Ávila vor dem Urnengang nicht geschlagen geben. In seinem Wahlkampf warnte der ehemalige Abgeordnete und Polizeichef vor den zu erwartenden Sanktionen aus Washington für eine linksgerichtete Regierung. Das bislang US-treue El Salvador, das als einziges Land Lateinamerikas im Zuge George W. Bushs "Koalition der Willigen" Soldaten im Irak stationiert hat, ist mehr denn je auf die Devisen salvadorensischer Auswanderer in den USA angewiesen. Immerhin macht das Geld, das monatlich von den Emigranten an Verwandte in El Salvador überwiesen wird, rund 18 Prozent des nationalen Bruttosozialprodukts aus.

Größere Parteien für Arena-Kandidaten

Ávila könnte auch noch vom Rückzug aller anderen größeren Parteien Salvadors aus dem Präsidentschaftswahlkampf profitieren. Denn sowohl die Führer der "Partei der Nationalen Versöhnung" (PNC) und der "demokratisch-revolutionären Front" (FDR) als auch die der Christdemokraten (PDC) haben Wahlempfehlungen für Ávila abgegeben, um die historische Machtübernahme der Linken in El Salvador noch zu verhindern.