Zum Hauptinhalt springen

Ende der globalen Armut nur mit großer Anstrengung zu erreichen

Von Brigitte Pilz

Politik

Seit 1990 erscheint jährlich der "Human Development Report" des UNDP (United Nations Development Programme), eine viel beachtete, unabhängige und solide recherchierte Publikation. Die Berichte formulieren klar Verantwortlichkeiten von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Der soeben veröffentlichte UNDP-Bericht 2003 widmet sich den so genannten Millenniums-Entwicklungszielen. Für ihre Verwirklichung wird "business as usual" keinesfalls genügen. Dafür sind die Herausforderungen zu groß.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Weltweit müssen 1,2 Mrd. Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag leben. Das ist als absolute Armut definiert. Die Anzahl dieser Menschen bis 2015 zu halbieren, um nur ein Ziel zu nennen (siehe Kasten "Ziele"), ist eine gewaltige Aufgabe. Sie richtet sich zum einen an die betroffenen Länder. Ohne Wirtschaftswachstum wird es nicht gehen. Dieses allein genügt aber nicht. Gleichzeitig müssen Strategien der Armutsreduzierung umgesetzt werden: Förderung arbeitsintensiver Produktionen und Kleinbetrieben, Investitionen in Basisgesundheit, sauberes Wasser und Bildung für alle, Nichtdiskriminierung von Frauen und anderen Bevölkerungsgruppen, Zugang zu Land für Kleinbauern usw.

"Arme Länder können es sich nicht leisten zu warten bis sie reicher sind, bevor sie in ihr Volk investieren. Das wäre der falsche Weg", sagt Jeffrey Sachs, Sonderberater der UNO. Viele der Lösungen zur Beseitigung von Hunger, weit verbreiteten Krankheiten und Analphabetismus sind bekannt. Selten geht es dabei um teure Hochtechnologien.

Strategische Partnerschaften

Viele arme Länder unternehmen große Anstrengungen, die Weichen in diesem Sinne zu stellen. Zum Beispiel Uganda, ein armes Land im südlichen Afrika, auf Rang 147 (von 175) des Human Development Index (siehe Kasten "HDI"). 1997 hat man begonnen, einen Plan zu entwickeln, um die Armut gezielt zu bekämpfen. (Ein solcher wird von Weltbank und IWF als Voraussetzung für namhafte Entschuldung von vielen Ländern gefordert.) Der Plan ist ambitioniert. Man arbeitet an makroökonomischer Stabilität und an Rahmenbedingungen, die wirtschaftliches Wachstum fördern, ebenso den Export und die Privatwirtschaft. Gleichzeitig sollen nicht nur kleine Nischen der Gesellschaft von höheren Einnahmen profitieren. Die Umsetzung der Pläne wird ohne Unterstützung durch reiche Länder jedoch nicht möglich sein. Denn: Die Ausgaben zur Bekämpfung von HIV/Aids etwa müssen um 83 Prozent erhöht werden, jene für Bildung um 109 Prozent und jene für Gesundheitsvorsorge um 212 Prozent. Es geht aber nicht nur um Entwicklungshilfe. Die Wirtschaft des Landes wird ohne ausländische Investitionen schwer das angepeilte Wachstum erzielen.

Deshalb sprechen sowohl die Millenniumsziele als auch der UNDP-Bericht von strategischen Partnerschaften. Arme und reiche Länder sind dafür verantwortlich, eine gerechte Entwicklung für alle Menschen auf den Weg zu bringen. "Wir fordern keine Blankoschecks", sagte UNDP-Administrator Mark Malloch Brown. "In den neuen Partnerschaften kommt es darauf an, dass beide Seiten Verpflichtungen haben."

Umfassende Analyse

und Aktionsplan

Der UNDP-Bericht 2003 ist die bisher umfassendste Analyse der weltweiten Anstrengungen in diesem Zusammenhang. Er zeigt detailliert auf, wo es noch große Diskrepanzen gibt, welche politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen und welche Mittelzusagen für welche Aufgaben nötig sind.

Die Probleme sind - wie das obige Beispiel der absoluten Armut zeigt - riesig. Um weitere zu nennen:

- Über eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und doppelt so viele keinen zu adäquaten Sanitäreinrichtungen.

- Weltweit schließt eines von fünf Kindern die Grundschule nicht ab, die Mehrheit davon sind Mädchen.

- In vielen Entwicklungsländern breitet sich die HIV/Aids-Seuche ungebremst aus.

- Fast 800 Mill. Menschen leiden an chronischem Hunger.

- Jede Minute stirbt eine Frau während der Schwangerschaft.

UNDP hat 59 Länder identifiziert, die auf Grund ihrer Entwicklungsprobleme höchste oder hohe Priorität haben sollten. Es ist kein Zufall, dass 24 davon von einer hohen HIV/Aids-Rate betroffen sind, in 13 ein bewaffneter Konflikt tobt und 31 extrem hohe Auslandsschulden haben. Viele Länder in Afrika südlich der Sahara gehören dazu, aber auch Länder in Osteuropa und Zentralasien.

Die negativen Trends können nur umgedreht werden, wenn in den armen Ländern der politische Wille dazu vorhanden ist und die reichen Länder weitergehende Verpflichtungen zur Hilfe eingehen. Man hat errechnet, dass es nötig wäre, die finanziellen Mittel dafür von derzeit 57 Mrd. Dollar pro Jahr auf 100 Mrd. Dollar zu verdoppeln. Noch ist man davon weit entfernt. Die Gebefreudigkeit der reichen Staaten hält sich in Grenzen: Auf der Konferenz zur Finanzierung von Entwicklung in Monterrey, Mexiko, im März 2002 wurde versprochen, die Leistungen um 16 Mrd. Dollar jährlich zu erhöhen. Die EU will die öffentliche Entwicklungshilfe bis 2006 von derzeit 0,33 Prozent des BNE (Bruttonationaleinkommen) auf 0,39 Prozent erhöhen. Österreich lag 2002 bei 0,23 Prozent des BNE (2001: 0,29 Prozent), verspricht bis 2006 eine Anhebung der Leistungen für Entwicklungszusammenarbeit auf 0,33 Prozent.

Weitere Notwendigkeiten: die konsequente Streichung uneinbringlicher Schulden der armen Länder; fairere Handelsbeziehungen. OECD-Staaten - allen voran jene der EU und die USA - subventionieren zum Beispiel ihre Landwirtschaft mit 300 Mrd. Dollar pro Jahr, was extreme Ungleichheiten im Wettbewerb schafft.

Hunger und Armut sind kein Schicksal. Sie sind vermeidbar. Technisch sind die Lösungen bekannt. Was vielfach fehlt, ist der politische Wille - im Norden und im Süden.