Sozialminister Mückstein plant Pilotprojekte für "Community Nurses" in Gemeinden ab Herbst.
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Im Pflegehaus der Barmherzigen Schwestern in Wien-Mariahilf wurde beim Besuch von Kanzler und Vizekanzler am Tag der Arbeit die Gelegenheit gleich genützt, die Regierungsspitze aufmerksam zu machen, was für Pflegeeinrichtungen besonders vordringlich ist: Mehr Ausbildungsmöglichkeiten, mehr Pflegepersonal für die Betreuung und eine "adäquate Bezahlung", wie Geschäftsführerin Jana Bockholdt sagte. Am Mittwoch wird die Pflegereform, eines der zentralen Vorhaben der türkis-grünen Bundesregierung, Thema bei einer Videokonferenz zwischen Soziallandesräten und Sozialminister Wolfgang Mückstein sein.
Die Corona-Krise hat die Reform um mehr als ein Jahr verzögert, eine Arbeitsgruppe hat heuer im Februar einen Bericht mit Schwerpunkten vorgelegt. Eines der Hauptziele ist, dass es im zersplitterten Pflegewegen eine stärkere Zusammenführung und ein bundesweit einheitliches Pflegeangebot geben müsse, vor allem mit einheitlichen Kosten für die jeweiligen Leistungen.
Seither ist die Ungeduld von betroffenen Sozial- und Pflegeeinrichtungen gestiegen, auch die Bundesländer wollen Klarheit. Mückstein hat im Vorfeld gegenüber der "Wiener Zeitung" durchblicken lassen, was seine ersten Schritte für den Start der Umsetzung heuer sein werden. Einige Schwerpunkte hätten sich als "prioritär herauskristallisiert", heißt es. Dazu zählt der Ressortchef die verbesserte Unterstützung für pflegende Angehörige, die weitere Umsetzung der Demenzstrategie, Pilotprojekte für "Community Nurses" zur besseren Beratung und Vernetzung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen sowie "Maßnahmen im Bereich Personal und Ausbildung". Laut einer Studie werden bis 2030 rund 100.000 Vollzeit- und Teilkräfte für die Pflege zusätzlich gebraucht.
Auf Details legt man sich im Sozialministerium öffentlich nichts fest, eine Totalreform ist keine vorgesehen. Mit dem Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe zur Pflege sei der "Grundstein für eine Weiterentwicklung und Optimierung der Pflege in Österreich gesetzt", wird betont. Rund 75 bis 80 Prozent der 460.000 Bezieher von Pflegegeld in Österreich werden daheim betreut. Grundsätzlich sollen pflegende Angehörige stärker unterstützt werden. Der Bericht sieht dafür den Ausbau mobiler Pflegedienste vor. Eine verstärkte Förderung soll die Inanspruchnahme erleichtern. Offen ist unter anderem die Frage eines Bonus für die Pflege daheim, wie von der ÖVP vorgeschlagen. Im Bericht der Arbeitsgruppe werden außerdem mehr teilstationäre Pflegeangebote an Tagesrandzeiten und Wochenende angeregt.
Künftige Finanzierungist ungeklärt
Angehen möchte Mückstein noch heuer die Einrichtung sogenannter Community Nurses als regionale Anlaufstellen für Information und Beratung, damit Betroffene rascher Auskünfte und Unterstützung bei Pflege erhalten. Diese Stellen sollen über Unterstützungsangebote für die Pflege daheim bis hin zu Rechtsfragen Auskunft geben. Von Fachleuten wird gewarnt, dass dies zu einer zusätzlichen bürokratischen Struktur führen könnte. Im Regierungsabkommen sind als Ziel bis 2024 derartige Community Nurses für 500 Gemeinden vorgesehen, Mückstein will mit Pilotprojekten ab Herbst beginnen. Damit wolle man "einen wesentlichen Beitrag zur niederschwelligen und bedarfsorientierten Versorgung" von Menschen, die Pflege und Betreuung brauchen, leisten.
Von Länderseite wird vor allem auch auf eine Klärung der künftigen Finanzierung der Pflege gedrängt. So wurde im Büro des Wiener Sozialstadtrates Peter Hacker (SPÖ) zur "Wiener Zeitung" die Bedeutung des Pflegefonds betont, in den der Bund 350 Millionen Euro jährlich zusätzlich zu den steigenden Pflegekosten zuschießt. Im Sozialministerium lässt man sich alles offen, die Finanzierung ist nicht unter den Schwerpunkten für unmittelbare Maßnahmen aufgelistet. Vom Sozialminister gibt es ein Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit Ländern, Städten und Gemeinden.
SPÖ drängt auf Pflegeoffensive
Druck für eine Pflegeoffensive macht auch die SPÖ. Konkret fordert SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner bis Ende Juni einen "Corona-Tausender" für Pflegekräfte. Ein SPÖ-Pflegepaket sieht auch eine Schwerarbeiterpension für Pflegekräfte vor. Das ist eine Form der Frühpension ab 60 für Beschäftigte, die eine bestimmte Zeit vor ihrem Ruhestand in besonders belastenden Berufen tätig waren. Allerdings würden Frauen, die mehrheitlich im Pflegebereich arbeiten, vorerst kaum davon profitieren, da das reguläre Pensionsantrittsalter bis zur schrittweisen Erhöhung ab 2024 - außer bei Beamtinnen - noch bei 60 Jahren liegt.
Die SPÖ will auch die Ausbildung zur Pflege attraktiver gestalten. Dazu zählen insgesamt mehr Ausbildungsplätze, wobei die öffentliche Hand besonders gefordert sei. Außerdem müsse die Ausbildung zur Pflegekraft in Österreich kostenlos sein. Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit in Österreich müsse man Umsteigerinnen und Umsteigern bei einer Pflegeoffensive "den roten Teppich ausrollen", so Rendi-Wagner. Daher müsse es einen "Umstiegsbonus" geben von "mindestens 500 Euro pro Monat" geben, fordert die SPÖ.
Arbeitsminister Martin Kocher hat erklärt, dass im Zuge der Joboffensive der Regierung insgesamt 7.400 Ausbildungsplätze für Arbeitslose in Pflegeberufen unterstützt werden. Dabei ist auch ein Ausbildungsbonus möglich, aber deutlich niedriger als von der SPÖ gefordert: 120 bis 180 Euro monatlich zusätzlich sind aus Mitteln des Arbeitsmarktservice möglich. In Wien wird im Rahmen einer Pflegestiftung ein Bonus von 400 Euro gezahlt, wo bis 2024 rund 4400 Ausbildungsplätze geschaffen werden.