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"Es geht darum, Leben zu retten"

Von Martyna Czarnowska

Politik

Was sich in Hamburg bewährt hat, soll bald auch in Österreich möglich werden: Mütter - oder Väter - in Notsituationen können ihr Kind anonym abgeben. Im "Babynest" beim Wilhelminenspital kann damit Säuglingen das Leben gerettet werden, wofür es anderswo möglicherweise zu spät wäre.


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Gesundheitsstadtrat Sepp Rieder scheute nicht vor einem treffenden, wenn auch gewagten Vergleich zurück: "Warum sollte es Frauen verwehrt sein, sich nicht zu ihrer Mutterschaft zu bekennen, wenn es Männern schon seit Jahrtausenden möglich ist, sich nicht zu einer Vaterschaft zu bekennen?" fragte er bei der Präsentation des Projekts Babynest Glanzing.

Denn die Anonymität, die bei der Abgabe eines Kindes beim Wilhelminenspital gewahrt wird, bildet den Angelpunkt der Argumentation. Oft wissen sich Mütter, die sich im Falle einer Kindesweglegung strafbar machen, keinen anderen Ausweg, als ihr Neugeborenes an einem Ort hinzulegen, von dem sie schnell und unerkannt wieder verschwinden können.

Dies können sie zwar beim Wilhelminenspital ebenso tun, doch das Leben ihres Kindes wird dabei nicht gefährdet. Es gehe darum Leben zu retten, betont auch Andreas Lischka. Der Vorstand der Kinderklinik Glanzing, der selbst in Hamburg gearbeitet hat und dort die Einrichtung der "Babyklappe" mitverfolgen konnte, erklärt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" die Hintergründe seines Engagements: "Es gibt immer wieder verzweifelte Situationen, wo Mütter sich nicht in der Lage sehen, ihre Kinder zu versorgen. Diesen Leuten muss man helfen, egal was der Grund dafür ist."

Diese Hilfe erfolgt für das Kind binnen weniger Minuten. Wird ein Säugling in das Wärmebett im Babynest gelegt, lösen Sensoren einen optischen und akustischen Alarm aus, die Pflegepersonen in der Kinderambulanz sind sofort verständigt, ein Rettungsauto holt das Neugeborene ab, gleich danach wird es auf der Säuglingsstation versorgt.

Zuvor hat die Mutter noch die Möglichkeit, einen Fuß- oder Handabdruck ihres Kindes zu machen. Neben einem Merkblatt mit der Notrufnummer findet sich im Babynest auch ein Stempelkissen. Wenn die Mutter das Baby wieder zu sich nehmen will, kann es mittels Abdruck identifiziert werden. Meldet sich die Mutter nicht, kommt der Findling für bis zu acht Wochen in eine Pflegefamilie, nach einem Jahr wird die Adoption veranlasst.

Das Wilhelminenspital ist gut gerüstet für derartige Hilfe, berichtet Lischka. Auch psychologische Betreuung sei möglich; über ein Nottelefon können sich Frauen auch im vorhinein über bestehende Hilfsangebote informieren. Daher verursacht die Einrichtung des Babynests keine zusätzlichen Kosten neben den Baukosten, die die Stadt Wien übernimmt. Die Arbeiten sind im Gange. Es werde wohl nicht mehr lange dauern, so Martin Ritzmaier aus dem Büro Rieder gegenüber der "Wiener Zeitung". Doch das Genehmigungsverfahren sei noch nicht beendet.

Andreas Lischka rechnet mit einer Inbetriebnahme in den nächsten Wochen. Doch auch dann ist die Arbeit an der Unterstützung für Schwangere längst nicht beendet. Anonyme Geburt und anonyme Schwangerenbetreuung wären weitere wichtige Schritte.