Taiwan setzt symbolischen Akt der Souveränität. | China fühlt sich provoziert und warnt vor "Desaster". | Taipeh/Wien. Es kriselt wieder zwischen den beiden Seiten der Straße von Formosa im chinesischen Meer. Taiwans demokratisch gewählter Präsident Chen Shui-bian hatte am Montag den Nationalen Wiedervereinigungsrat suspendiert und Richtlinien für eine politische Wiedervereinigung außer Kraft gesetzt.
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Die Reaktion Pekings ließ nicht lange auf sich warten. Die Kommunistische Partei Chinas sprach am Dienstag von einem Schritt, der ein "Desaster" zur Folge haben werde, und von einer "Provokation", die den Frieden und die Stabilität der gesamten Region bedrohen könnte. In der Erklärung wurden auch die USA, die traditionelle Schutzmacht Taiwans, zum Eingreifen aufgefordert, um weitere Aktionen zu verhindern, die zur Abspaltung der Insel führen könnten.
Tatsächlich hat der Schritt Chens den Verbündeten in eine schwierige Situation gebracht. Angesichts des Atom-Streits mit dem Iran und der Unberechenbarkeit des nordkoreanischen Regimes sind die USA auf die Zusammenarbeit mit der Veto-Macht China angewiesen. Ganz zu schweigen von der ungeheuren ökonomischen Anziehungskraft des Reiches mit 1,2 Milliarden Einwohnern. Eine Eskalation der Situation in Südostasien kommt der Regierung von US-Präsident George W. Bush daher im Moment äußerst ungelegen.
Daran ändert auch nichts, dass Taiwan mit seiner einseitigen Ankündigung lediglich einen unfreundlichen Akt der anderen Seite beantwortet hat: 2005 verabschiedete nämlich der chinesische Volkskongress ein Anti-Sezessionsgesetz, das den Einsatz militärischer Gewalt für den Fall vorsieht, dass sich der Insel-Staat für unabhängig erklären sollte.
Tatsächlich hat die Frage des völkerrechtlichen Status der 22-Millionen-Einwohner-Insel seit mehr als fünf Jahrzehnten das Zeug dazu, China und die USA in einen Krieg zu treiben. Wiederholt entsandte Washington Kriegsschiffe in die Region, um seine Schutzmachtrolle für Taiwan, das sich in den 90er Jahren zu einer vollwertigen Demokratie entwickelte, zu demonstrieren.
Chens jüngster Schritt, den Nationalen Wiedervereinigungsrat sowie die Richtlinien für eine politische Wiedervereinigung zu entsorgen, haben vor allem symbolischen Charakter, der den Anspruch auf volle Souveränität unterstreichen soll. Und genau das zu verhindern, gehört zu den vorrangigen Zielen der chinesischen Politik. Bis heute wendet Peking erstaunliche Energien auf, Staaten von der Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zu Taiwan abzuhalten. Mit beträchtlichem Erfolg.