Zum Hauptinhalt springen

Gefangen in der Meinungsmühle

Von Christoph Rella

Kommentare

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Eine der nach wie vor noch viel zu wenig ergründeten Geißeln der Postmoderne ist die sich dank Smart- und Internet-Technologie permanent bietende Möglichkeit, nicht nur alles, was auf dieser Erde irgendwo gedacht und in der Folge gepostet wird, in Echtzeit und auf Knopfdruck mit einem kurzen "Ploink" ins Gesichtsfeld geliefert zu bekommen, sondern auch dieses Gedachte um eigene Wahrnehmungen zu ergänzen und postwendend wieder in den Äther zu blasen. Wer einmal - ob verschuldet oder unverschuldet - Opfer dieser Meinungsmühle geworden ist, dem ist es, wie die Farce rund um Olympia in Japan zeigt, fast unmöglich, derselben ohne Schaden zu entgehen.

Denn während sich der Shitstorm oft nach wenigen Tagen wieder legt, finden sich Institutionen, Personen oder auch Marken, die aufgrund einer Fehlleistung oder oft auch nur eines Gerüchts zu Trägern einer globalen Debatte werden, für lange Zeit in einer Auslage wieder, die magnetisch alle Aufmerksamkeit an sich zieht. Verstärkt wird dieses Phänomen durch die Pandemie, die dazu beigetragen hat, dass Player, die gestern als erfolgreich und vertrauenswürdig galten, heute virtuell am Pranger stehen. Impfstoffhersteller können davon ebenso ein Lied singen wie Ärzte oder Gesundheitspolitiker.

Neu ist auch, dass ganze Staaten und mächtige Weltverbände unter die Räder kommen. Jedenfalls sind Japan und das IOC, die schon seit mehr als einem Jahr um die Rettung der Sommerspiele ringen und dafür auch aus dem Online-Off attackiert werden - und sei es vielleicht auch nur aus Kalkül -, nicht zu beneiden. Sollte am Ende die Absage stehen, wird man dafür nicht nur das Coronavirus verantwortlich machen können.