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Gut gewischt ist halb gewonnen

Von Klaus Hofmann

Reflexionen

Kaum eine andere Teamsportart hat einen so markanten Bewegungsablauf wie Curling: Erst gibt der Stoßer in einer Art Telemark dem Spielstein die Richtung vor - und dann wischen die Mitspieler, was das Zeug hält, damit er sein Ziel erreicht.


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Viele denken automatisch an Eisstockschießen, wenn von Curling die Rede ist. Doch unterscheidet die beiden Sportarten mehr als sie verbindet: Abgesehen davon, dass ein Sportgerät auf dem Eis in eine Zielposition befördert wird, gibt es keine Gemeinsamkeiten. Spielregeln, Bewegungsabläufe, taktische Elemente und das "Eisgeschoss" selbst sind grundlegend verschieden angelegt. Während Eisstockschießen ein alter Volkssport ist und historisch gesehen einem Brauchtum zugerechnet wird, das sich eigentlich nur in Gegenden mit zufrierenden Gewässern verbreitete und nur im Winter gespielt wurde und wird, ist Curling ein moderner, olympischer Sport, der ganzjährig spielbar ist. Es ist dem Boulespiel und dem Boccia ähnlich. Zwei Mannschaften zu je vier Spielern versuchen, ihre Curlingsteine näher an den Mittelpunkt eines Zielkreises auf einer Eisbahn zu spielen als die gegnerische Mannschaft. Wegen der vielen taktischen Raffinessen wird Curling auch als "Schach auf dem Eis" bezeichnet.

Einfache Spielregeln

Zuerst wird ausgespielt, wer das Spiel beginnen muss. Die nachfolgenden Ends (Durchgänge) beginnt immer dasjenige Team, welches das vorige End gewonnen hat. In jedem End kann nur ein Team Punkte holen. Gezählt werden die Steine, die am Schluss des Ends mindestens teilweise im Haus (den farbigen Zielkreisen) liegen. Ein Team besteht aus vier Spielern: dem Lead sowie den Nummern zwei, drei und vier. Die Nummer vier wird meistens vom Skip (dem Mannschaftskapitän) gespielt. Jeder Spieler hat zwei Steine, die er abwechselnd mit seinem direkten Gegenspieler stößt.

Das Spielfeld heißt "rink" und ist knapp 46 m lang. An beiden Enden befinden sich farbige Zielkreise, und knapp dahinter liegen die Abspielplätze, die sogenannten "hacks", von wo aus die Steine abgespielt werden. Die Steine sind aus Granit und wiegen fast 20 Kilo. Die Besen sind meist aus Carbon gefertigt und dadurch extrem leicht. In den meisten Vereinen können die Spielgegenstände günstig ausgeliehen werden.

Curling polarisiert

Bei der Bewertung des Sports scheiden sich die Geister, denn entweder mag man Curling oder nicht - ein Dazwischen gibt es nicht. So sind dann auch Argumente der Kritiker nachvollziehbar, die dieser Sportart die Existenzberechtigung bei Olympia absprechen: Curling könne wirklich jeder noch so Unsportliche ausüben, man brauche weder Ausdauer, noch sonst irgendwelche körperlichen Voraussetzungen, weder jahrelanges hartes Training, einfach nichts um den Sport auszuüben, was ihn irgendwie uninteressant macht.

Bei den Curlingbegeisterten hingegen wird gerade die Tatsache, dass Curling wirklich von jedem ausgeübt werden kann, als ein gelungenes Beispiel sozialer Integration ins Treffen geführt. Denn ganz ungezwungen, frei von Voraussetzungen, fänden sich Menschen zum gemeinsamen Sport zusammen, denen nicht bedingungsloses Kämpfen um jeden Punkt an erster Stelle steht, sondern eben der gemeinschaftliche Aspekt.

Um dem Geheimnis von Curling auf die Spur zu kommen, hat sich das "Wiener Journal" ein kostenloses und wohl deshalb gut besuchtes Schnuppertraining der beiden Wiener Curlingvereine in der Stadthalle angesehen. Die einführenden Informationen zum Sport waren kurz und lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Curler werden ist nicht schwer, Curling hat einfache Spielregeln, Curling ist für jeden erschwinglich. Und schon ging es (zunächst noch vorsichtig) aufs Eis. Mit handelsüblichen Straßenschuhen ist man übrigens relativ sicher auf dem Eis unterwegs. Und so kann nach einer kurzen Gewöhnungsphase ans "Eisgehen" bereits mit einfachen Übungen begonnen werden.

Gleiten wie die Profis

Erster Prüfstein hierbei ist dann der sachgemäße Umgang mit dem "slider". Diese Gleitsohle wird an einen Schuh gebunden und dient dem Spieler zum anfänglichen Gleiten in Telemarkmanier. Das Bewegen auf dem Eis wird damit etwas abenteurlicher und sollte nur noch sehr bedacht erfolgen. Doch auch daran gewöhnt man sich schnell. Im nächsten Schritt erfolgt der Umgang mit den Steinen. Dass bei Könnern immer alles leichter aussieht, als wenn man selbst ran muss, trifft hier eindeutig zu. Es gehört ein großes Maß an Geschicklichkeit und Konzentration dazu, die Steine wirklich zielgenau zu positionieren. Anfangs landen sie nämlich meist irgendwo. "Für den ersten Tag aber gar nicht so schlecht", meinen die Profis des Vereins schmunzelnd. Nachdem das Gleiten und das Spielen der Steine erfolgreich eingeübt wurde, geht es ans charakteristische Wischen. Der Sinn dahinter: Das Eis wird erwärmt und dadurch die Gleitfähigkeit des Steines merklich erhöht. Und wer einen ganzen Nachmittag lang Curlingsteine stößt und wischt, stellt fest: Absolut schweißfrei ist das auch nicht, wenn man es ernsthaft betreibt.

Curling ist also durchaus eine nette Alternative zu anderen Eissportarten, problemlos und ohne viel Aufwand zu spielen. Und am wichtigsten: Spaß, gemeinschaftliches Beisammensein und Sportlichkeit stehen an oberster Stelle.

InfoÖsterreichischer Curling Verbandwww.curling-austria.at E-Mail: austrian-curling-association@web.de Curling für Österreich Christian LosWindmühlengasse 162111 Tresdorfwww.cfoe.at Tel: 0664/5459573Vienna Curling Club (VCC)Harald MarglBreitenleer Strasse 234/3/21220 Wienwww.viennacurling.at Tel: 0699/11360895 und 0699/11864207OCC WienSeitenberggasse 63/7481160 Wienhttp://ottakring.cc.co.at