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Im Grenzstreit wird die Zeit knapp

Politik
Die Nato-Mission KFOR (hier an der Grenze zu Serbien) hat knapp 4.000 Soldaten im Kosovo.
© reu

Treffen des serbischen Präsidenten mit dem kosovarischen Premier brachte keine Einigung.


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Ein "normales Treffen" sei es nicht gewesen. Vielmehr sei es bei der Zusammenkunft des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic mit dem kosovarischen Premier Albin Kurti um "Krisenmanagement" gegangen, berichtete der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach Gesprächen mit den beiden Politikern in Brüssel. Inmitten von Spannungen zwischen den beiden südosteuropäischen Ländern versucht sich die EU als Mediatorin im so genannten Dialog zwischen Belgrad und Prishtina.

Eine Lösung für den jüngsten Streit wurde dennoch nicht gefunden. "Ich gebe nicht auf", kommentierte Borrell. Die Gespräche sollen in den kommenden Tagen fortgesetzt werden. Denn die Zeit wird knapp: Im September will der Kosovo eine Regelung umsetzen, die schon vor Wochen Proteste ausgelöst hatte.

Zwist um Autokennzeichen

Trotz der aufgeheizten Stimmung, die vor allem in sozialen Medien noch geschürt wird, ist eine kriegerische Auseinandersetzung in der Region aber unwahrscheinlich. Der martialischen Sprache enthalten sich die Politiker allerdings nicht. So beklagte Kurti in der Vorwoche in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters die "aggressive Politik" Belgrads. Es dürfe nicht ausgeschlossen werden, dass diese zu einem "Angriff auf den Kosovo auf die eine oder andere Weise" führen könnte, konstatierte er.

Vucic warnt umgekehrt immer wieder vor Attacken auf im Kosovo lebende Serben. Sollte es zu solchen kommen, werde Serbien zu Hilfe eilen. Dass damit auch militärische Unterstützung gemeint sein könnte, schwingt mit.

Daher fordert Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die beiden Länder zur Zurückhaltung auf. Es liege vor allem in der Verantwortung Belgrads und Prishtinas, eine erneute Eskalation zu verhindern, befand er am Mittwoch nach einem Treffen mit Vucic. Gleichzeitig betonte Stoltenberg, dass die Nato-Mission KFOR mit ihren knapp 4.000 Soldaten bereit sei einzugreifen, sollte die Stabilität gefährdet sein.

Zwistigkeiten flammen dennoch regelmäßig auf. Der jüngste Streit entzündete sich vor knapp drei Wochen an neuen Einreiseregeln, die der Kosovo nun eben in Kraft setzen möchte. Es geht dabei unter anderem um eine Vorschrift fürs Ummelden serbischer Autokennzeichen auf Kosovo-Schilder. Außerdem sollen alle serbischen Staatsbürger bei der Einreise ein zusätzliches Dokument vorlegen. Umgekehrt wird eine ähnliche Regelung von serbischen Behörden seit längerem auf Kosovaren angewandt, die Serbien besuchen.

Die Pläne sorgten für Proteste und Grenzblockaden im Norden des Kosovo, wo viele Serben wohnen. Die Lage entspannte sich, als die Regierung in Prishtina die Umsetzung um einen Monat verschob.

Dahinter steckt freilich auch ein anderes Problem. Seit langem müht sich Prishtina um eine staatliche Integration der serbischen Gemeinden. Dort sind Parallelstrukturen entstanden, unterstützt und mitfinanziert von Belgrad, das die Unabhängigkeit des Nachbarn bis heute nicht anerkennt.

Teil der Gespräche in Brüssel war daher die Bildung einer Gemeinschaft der serbischen Gemeinden, die der Minderheit im Kosovo mit seiner mehrheitlich albanischen Bevölkerung mehr Autonomie ermöglichen soll. Das kosovarische Verfassungsgericht stellte aber bereits fest, dass dieses Gebilde nicht mit der Verfassung des Landes konform wäre. Auch ortet Prishtina die Gefahr, dass die Einrichtung der Gemeinschaft Belgrad eine Möglichkeit zur anhaltenden Einmischung im Nordkosovo bieten könnte.

Verweis auf Krieg in Ukraine

Zwar währt der Konflikt schon seit Jahren, doch hat der russische Angriff auf die Ukraine der südosteuropäischen Region wieder etwas mehr Aufmerksamkeit aus dem Westen eingebracht. Der Krieg ist denn auch Thema in den Wortgefechten der Politiker. So warf Kurti im Reuters-Interview Russland, dem sich Serbien verbunden fühlt, vor, Spannungen zu schüren. "Der despotische Präsident Wladimir Putin ist ein Mann des Krieges, und es wäre in seinem Interesse, den Krieg auszuweiten", sagte der kosovarische Premier.

Zuvor hatte wiederum Vucic Kurti vorgeworfen, den Krieg in der Ukraine zu instrumentalisieren. Prishtina wolle sich zum Opfer stilisieren und "die Putin-Karte spielen" - mit Kurti in der Rolle des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, meinte der serbische Staatschef. (czar)