Zum Hauptinhalt springen

"Im Leben keine Reprisen machen"

Von Stefan Janny

Reflexionen
Tengg: "Man lernt, dass Reichtum nicht bloß heißt, Geld zu haben, sondern, dass auch ausreichend Zeit nötig ist, um den materiellen Wohlstand zu genießen." Foto: Newald

Angestellte Manager haben Zusatzstress und - vielleicht - das Pech politischer Zurufe. | Alleinentscheider "agieren vorsichtiger" als die Führungsriege gemeinsam. | Nur Aufgaben, die Relevanz für das Gemeinwesen haben. | "Wiener Zeitung": Sie waren im Laufe Ihrer Karriere unter anderem als Sanierer tätig. Infolge der Wirtschaftskrise geraten zunehmend mehr Unternehmen in Probleme. Würde es Sie nicht reizen, wieder einmal einen Sanierungsjob zu übernehmen?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Hansjörg Tengg: Natürlich erinnern mich beispielsweise die Probleme der Immofinanz-Gruppe ein wenig an meine Aufgabe bei der Sanierung Residenz Realbesitz AG. Wenn ich in den Zeitungen über solche Fälle lese, kommt gelegentlich ganz kurz ein gewisses Kribbeln hoch, aber ich kann mich diesbezüglich dann sehr schnell wieder beherrschen. Denn man soll im Leben keine Reprisen machen. Außerdem sind mir die Sanierungsjobs und auch die Aufgabe als Liquidator des Konsum eigentlich immer eher zufällig zugewachsen.

Bei max.mobil (heute T-Mobile Austria) war es dann allerdings das Gegenteil: nicht die Sanierung oder Liquidation eines bestehenden Unternehmens, sondern der Aufbau eines neuen.

Man könnte sagen, dass ich eigentlich weder ein Sanierer noch ein Liquidator war, sondern eigentlich jemand, der Sonderaufgaben des Managements übernommen hatte. Da passt auch der Aufbau des ersten privaten Mobilfunknetzes in Österreich hinein. Und in kleinerem Rahmen ist mir das dann mit meiner eigenen Firmengruppe auch sehr gut geglückt.

Im Gegensatz zu Ihren früheren Aufgaben spielt sich diese Tätigkeit allerdings weitgehend abseits des öffentlichen Interesses ab. Gibt es da gewisse Entzugserscheinungen?

Ich habe mich den Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit, die in manchen Funktionen notwendig war, nicht ungern gestellt. Aber wenn man das über einige Jahre so intensiv erlebt hat, wie das bei der Konsum-Liquidation oder beim Aufbau von max.mobil der Fall war, kann man auch sehr gut leben, ohne permanent in der Öffentlichkeit zu stehen. Die dauernde mediale Aufmerksamkeit ist ja auch eine Belastung. Und ich bin heute sehr zufrieden, als eigenständiger Unternehmer mit guten Partnern ein interessantes Feld zu beackern, das wenig Öffentlichkeit hat, weil es sehr speziell ist und sich nicht an den Massenkunden wendet.

Am bekanntesten ist wahrscheinlich noch am ehesten Ihr Engagement bei der Strombörse EXAA.

Ja, allerdings ist das materiell betrachtet eines der kleinsten. Meine Haupttätigkeit steht in Zusammenhang mit der Smart Technologies GmbH.

Unsere Überlegung war, dass die Vollliberalisierung der Energiemärkte Ende der neunziger Jahre im Hintergrund zahlreiche neue IT-Lösungen braucht, an deren Entwicklung wir mitwirken wollten. Mich hat das auch über die rein geschäftliche Möglichkeit hinaus interessiert. Ich wollte immer Aufgaben wahrnehmen, die Relevanz bei der Gestaltung des Gemeinwesens haben. Eine Hosenknopffabrik hätte mich nie interessiert. Deshalb bin ich nach dem Studium in die Energiewirtschaft gegangen. Die Jahre, die ich mit Sonderaufgaben des Managements verbracht habe, waren eigentlich Ausreißer. Jetzt bin ich wieder in die Energiewirtschaft zurückgekehrt und nehme an der Gestaltung dieser Liberalisierung teil.

Die Tätigkeit des Unternehmers ist, wenn das Geschäft läuft, zugleich auch finanziell einträglicher als der Job eines angestellten Managers.

Es gibt durchaus einige Manager, die mehr mit nachhause nehmen, als man in der Unternehmenskategorie, in der ich heute tätig bin, verdient.

Aber nicht sehr viele.

In Österreich sind das vielleicht eher die Ausnahmen. Ich würde es so formulieren: Ich habe mir mein Ziel erfüllen können, dass ich im Schnitt zumindest so viel verdiene wie ein Vorstandsmitglied eines größeren Unternehmens. Geld ist aber nicht alles im Leben, denn was ich an meiner Tätigkeit als Unternehmer besonders schätze, ist die Stressfreiheit.

Viele Unternehmer empfinden aber gerade jetzt ihre Tätigkeit als besonders aufreibend: Auftragsrückgänge wegen der Wirtschaftskrise, schwierige Gespräche mit den Hausbanken über die Verlängerung von Finanzierungen und Ähnliches mehr.

Das mag sein. Ich bin allerdings in der glücklichen Lage, dass wir eigenfinanziert und nicht von Banken abhängig sind. Und als Unternehmer ist man - anders als angestellte Vorstände - nicht diesen nahezu permanenten Querelen, Intrigen und Machtspielen ausgesetzt. Denn in den meisten Vorständen gibt es irgendwelche Ehrgeizlinge, Inkompatibilitäten und persönliche Gerangel zwischen Alphatieren. Außerdem stellt sich als Vorstand alle paar Jahre die Frage, ob der eigene Vertrag verlängert wird. Das alles hat man als Unternehmer nicht.

Für manche Manager kommt als Negativfaktor auch noch der Umgang mit politischem Einfluss dazu .

Genau. Besonders schlimm ist es dann, wenn das Ganze noch durch den politischen Einfluss überlagert wird. Das alles vermeidet man, wenn man selbständig ist. Denn hier in meinen Unternehmen gibt es keine Parteipolitik, hier gibt es keine Machtkämpfe und kein Gerangel, sondern reine Sachorientierung und angenehmes Zusammenarbeiten. Das ist im fortgeschrittenen Alter eines Managers nicht nur für den persönlichen Komfort wichtig, sondern auch für die Gesundheit. Es ist ein wesentlich entspannteres Arbeiten. Dazu kommt, dass man über sein Zeitbudget selbst disponieren kann.

Man lernt mit der Zeit, dass Reichtum eigentlich nicht bloß heißt, genügend Geld zu haben, sondern dass auch ausreichend Zeit nötig ist, um den materiellen Wohlstand zu genießen.

Dieses schöne Bild des Unternehmer-Daseins gilt allerdings nur, wenn das Unternehmen gut läuft.

Natürlich. Aber selbst, wenn es einmal schwieriger wird, dann kämpft man ausschließlich mit den Schwierigkeiten; kämpft für sich selber, für das eigene konkrete Interesse und hat nicht die sonstigen Negativfaktoren des Drucks. Man muss sich zum Beispiel keine Gedanken machen, ob der eigene Vorstandsvertrag verlängert wird.

Wenn man als Manager Fehler macht, kann es einen vielleicht den Job kosten. Aber in der Regel ist es das Geld anderer Leute, das verloren geht. Wenn man als Unternehmer Fehler macht, ist es das eigene Geld.

Darüber denke ich nie nach. Ich habe auch das Geld jener Unternehmen, an denen ich nicht beteiligt war, immer wie mein eigenes behandelt. Und jetzt, da ich Haupteigentümer von Unternehmen bin, denke ich meistens überhaupt nicht daran, dass das eigentlich mein Geld ist. Ich mache da praktisch keinen Unterschied. Die einzige Ausnahme sind wahrscheinlich größere risikoreiche Investitionen. Wenn man selbst der Hauptgesellschafter ist und weiß, dass einen das Projekt, wenn es in die Hose geht, unter Umständen viel Geld kosten oder vielleicht sogar in ernstliche Bedrängnis bringen kann, ist man vielleicht noch etwas vorsichtiger.

Wenn man Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft ist, die einem nicht gehört, geht man mit einem Projekt, das nach seriöser Beurteilung lukrativ erscheint, in die Gremien, redet vielleicht mit den Hauptaktionären, schildert alle Pro und Kontras und lässt sich das vom Aufsichtsrat absegnen. Wenn es dann doch schiefgeht, ist es gemeinsam beschlossen gewesen. Pech gehabt.

Sie haben mit der Liberalisierung der Energiemärkte eine unternehmerischer Chance gesehen. Derzeit schlägt das Pendel in die entgegengesetzte Richtung und Liberalisierungen werden von manchen Politikern wieder kritisch gesehen. Kann das mittelfristig nachteilige Rückwirkungen auf Ihr Geschäft haben?

Als politischer Mensch, der sich liberalem Denken verpflichtet fühlt, betrachte ich diese Diskussionen mit Interesse und auch einer gewissen Besorgnis.

Aber ich glaube nicht, dass die Liberalisierungen und Privatisierungen der vergangenen Jahre zurückgenommen werden. Zum einen geht das rein technisch vielfach nicht, und zum anderen sehe ich in gewisser Weise den Widerstand sogar schwinden. Heute ist etwa in der E-Wirtschaft eine Managergeneration am Werk, die schon unter den Bedingungen der Liberalisierung angetreten ist. Für die ist die Liberalisierung Managementrealität und die leben das.

Der Wettbewerb in der österreichischen E-Wirtschaft ist allerdings trotz Liberalisierung nicht allzu intensiv.

Wir gehören zu jenen, die gemeinsam mit dem Regulator mitgeholfen haben, die Marktregeln zu schaffen und die Liberalisierung auf den Weg zu bringen. Jeder Kunde kann heute jederzeit seinen Lieferanten wechseln. Wenn die Möglichkeiten dann nicht - weder von den Konsumenten noch den einzelnen Anbietern - voll ausgeschöpft werden, ist das vielleicht bedauerlich, aber man muss es zur Kenntnis nehmen.

Der Regulator hat jedenfalls dafür gesorgt, dass die Durchleitungsgebühren in den Netzen für alle gleich sind, und hat sie auch runtergeschraubt. Wir sind heute in den Kosten relativ gut und neutral, da wird niemand behindert. Und bei den reinen Energiekosten war der Wettbewerb anfänglich durchaus lebhaft, aber natürlich sind nicht alle Teilnehmer an einem solchen Wettbewerb gleichermaßen interessiert.

Sie benutzen ein iPhone. Mit welchem der zwei österreichischen Anbieter telefonieren Sie, mit Orange oder T-Mobile?

T-Mobile. Ich habe das Glück gehabt, in der spannendsten Zeit, die es gab, in der Telekommunikation tätig sein zu dürfen. Es war toll, das erste private Mobilfunknetz aufzubauen. Ich bin quasi max.mobil treu geblieben. Auch, wenn ich mit der Deutschen Telekom nicht viel Freude hatte, sind sie wenigstens technisch innovativ geblieben. Ich hatte meinen ersten Blackberry von ihnen und jetzt benutze ich das iPhone, mit dem ich sehr zufrieden bin.

Zur PersonHansjörg Tengg (*1947 in Innsbruck) studierte nach der Matura an der Technischen Universität Graz. Seine berufliche Karriere begann der Diplomingenieur 1976 bei den Grazer Stadtwerken. 1986 wurde er in den Vorstand der Donaukraftwerke AG berufen, 1991 wechselte er in die Geschäftsführung der Verbundplan GmbH. 1992 übernahm Tengg die Sanierung der angeschlagenen Residenz Realbesitz AG. Ab 1995 fungierte er als Liquidator des insolventen Konsum Österreich. Von 1996 bis 1999 leitete er als Vorsitzender der Geschäftsführung der damaligen max.mobil GmbH. Seit 1999 ist Tengg Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der Wiener Smart Technologies GmbH, die sich mit der Entwicklung von Software für Energiemärkte befasst. Zudem gehört Tengg dem Aufsichtsrat des teilstaatlichen Energieunternehmens Verbund an und präsidiert den Aufsichtsrat des Entsorgungsunternehmens Saubermacher AG.