Analyse: Präsident Hassan Rohani startet Europa-Tour nach Italien, in den Vatikan und nach Frankreich.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Teheran/Rom/Paris. Der Atom-Deal zwischen den fünf UN-Vetomächten (Großbritannien, Frankreich, USA, China und Russland) plus Deutschland und dem Iran am 14. Juli hat die Perser einen weiteren großen Schritt aus der internationalen Isolation kapituliert. Mehr als 15 europäische Spitzenpolitiker, darunter mit Präsident Heinz Fischer das erste EU-Staatsoberhaupt seit 2004, waren seither im Iran.
Auf den Tag genau vier Monate später reist mit Hassan Rohani an diesem Wochenende erstmals seit einem Jahrzehnt wieder ein amtierender iranischer Präsident auf Staatsbesuch nach Europa. Neben Italien und dem Vatikan steht unter anderem auch Frankreich auf der Agenda des als gemäßigt geltenden 66-jährigen Klerikers, der 2013 zum 7. Präsident gewählt wurde. Ab 14. Juni wird Rohani, dessen Tochter übrigens in Österreich lebt, mit Italiens Premier Matteo Renzi, Präsident Sergio Mattarella, Papst Franziskus und dem französischen Staatspräsidenten François Hollande zusammentreffen. Ziel der inner-iranisch vor allem bei den Hardlinern nicht unumstrittenen Reise ist die Verbesserung der politischen, kulturell-wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Westen.
Im Besonderen sollen zwischen Teheran und Paris Milliardenverträge wie etwa mit den Großkonzernen Peugeot und Total ausgehandelt werden. Peugeot möchte seine größte Niederlassung im Nahen und Mittleren Osten demnächst im Iran eröffnen.
Wirtschaft hat Vorrang
Wirtschaftlich muss sich Rohani ohnehin dringend etwas einfallen lassen: Die Öl- und Gasexporte haben wegen der internationalen Sanktionen einzigartige Tiefstwerte erreicht. Auch der Ausbau der Raffinerien geht nicht so zügig voran, wie die Iraner das erhofft hatten. So hat man im Iran das Phänomen, als Ölgigant Benzin für den eigenen Bedarf importieren zu müssen. Letztlich ist es für alle internationalen Geschäfte hemmend, dass der Iran vom Swift-System für Finanztransaktionen abgeschnitten wurde und sämtliche westliche Großbanken keine neuen Geschäfte mehr mit Teheran eingehen.
Voraussetzung für eine Normalisierung aber ist, dass die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) Teheran in ihrem Abschlussbericht Mitte Dezember bescheinigt, die Nuklearaktivitäten eingeschränkt und transparente Kontrollen ermöglicht zu haben. Das würde den Weg für die Aufhebung der schmerzhaften westlichen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran ebnen. Die Aufhebung der nuklearbezogenen westlichen Strafmaßnahmen soll dann, wenn alles nach Plan läuft, ab Jänner 2016 über die Bühne gehen. Trotz all dieser Entwicklungen sind die ultrakonservativen Kräfte im Inneren der Islamischen Republik skeptisch: Sie, die auch dem Atomkommen per se sehr kritisch gegenüberstehen, stoßen sich am "Anbiederungskurs" der Regierung. Außerdem warnen sie knapp vier Monate vor den wichtigen Wahlen des Parlaments und des Expertenrates, wo sie derzeit noch solide Mehrheiten haben, vor einer "grauslichen Verwestlichung des schiitischen Gottesstaates".
Rohani lässt sich von solchen Zwischenrufen nicht beeindrucken und wird alle Hebel in Bewegung setzen, um schnell wieder eine Rehabilitierung des Golfstaates auf dem Finanzmarkt zustande zu bringen. Einen kleinen Dämpfer hat Rohani in puncto Affinität für den Westen vor seiner Europatour letzte Woche allerdings einstecken müssen. Irans Oberster Geistlicher Führer, Ayatollah Ali Khamenei, hat per Erlass den Import von allen US-Gütern, die auch im Iran verfügbar sind, verbieten lassen. Außerdem wurde die US-Fastfood-Kette KFC bereits wenige Stunden nach ihrer Eröffnung im Iran von den Sittenwächtern geschlossen. Khameneis Credo lautet: nur nicht zu viel USA und Europa in den iranischen Alltag.
Die Perser erwarten sich nach dem Deal jedenfalls eine sichtbare Verbesserung ihres Alltags. Dazu gehört eine Reduktion der Inflation und der Arbeitslosigkeit, sowie eine Senkung der Lebensmittel- und Mietpreise. Die Islamische Republik hat aufgrund der westlichen Wirtschaftssanktionen in Zusammenhang mit dem Atomstreit die schwierigsten vier Jahre seit ihrer Gründung 1979 hinter sich. Bis sie sich davon erholt, werden laut Experten ab dem Zeitpunkt, wo Teheran international wieder rehabilitiert ist, mindestens fünf Jahre vergehen.