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Ist der "Säbel" stumpf geworden?

Von Wolfgang Libal

Politik

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Der serbische Regierungschef Zoran Zivkovic, der Nachfolger des am 12. März ermordeten Zoran Djindjic, konnte mit seinem ersten Besuch in Brüssel und Berlin zufrieden sein. Sowohl der für die Sicherheitspolitik der EU zuständige Javier Solana wie der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, zeigten sich beeindruckt von den Maßnahmen der serbischen Regierung gegen das organisierte Verbrechen und allgemein von der Stabilisierung der Verhältnisse in Serbien und sagten dem Regierungschef aus Belgrad ihre Unterstützung bei dem Weg Serbiens in die EU zu. Dieser wird allerdings noch sehr mühselig sein und geraume Zeit in Anspruch nehmen.

Denn mit der Stabilität im Lande ist es nach Aufhebung des Ausnahmezustandes und Beendigung der Aktion "Sablja" (was soviel wie "Säbel" bedeutet), bei der der Polizei umfassende Vollmachten bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens gegeben wurden, noch nicht weit her. Das gilt vor allem für die Vernetzung der Wirtschaft mit der Unterwelt. Der Gouverneur der serbischen Nationalbank Mladjan Dinkic hat das klar ausgesprochen, als er sagte: "Der richtige Kampf gegen das wirtschaftliche Verbrechen wird unter dieser Regierung nicht beginnen können, deren einzelne Mitglieder mit dem wirtschaftlichen Verbrechen in Verbindung sind". Erst eine neue Regierung werde da energischer vorgehen können.

Im Zusammenhang mit dieser Äußerung erregte eine Erklärung des Vorsitzenden des Parlamentes der Autonomen Provinz Vojvodina, Nenad Canak, Aufsehen, der sich öffentlich für einen verhafteten Drogendealer mit den Worten einsetzte, dieser sei ein außergewöhnlich tapferer und ehrlicher Mensch, der sich bei der Beseitigung des Milosevic-Regimes große Verdienste erworben habe.

Nicht nur im Kampf gegen das Wirtschaftsverbrechen, sondern auch in der Frage vorzeitiger Parlamentswahlen ist das Parteien- und Regierungsbündnis DOS offensichtlich gespalten. Verfassungsmäßig vorgesehene Neuwahlen ins Parlament sind erst für Ende 2004 vorgesehen, aber es ist keineswegs sicher, dass nicht der Zerfall der jetzigen Regierung vorzeitige Neuwahlen notwendig machen wird.

Dafür setzt sich im übrigen die Gruppe "17 plus" ein, der nicht nur Dinkic, sondern auch Miroljub Labus angehören, der im vergangenen Jahr bei den serbischen Präsidentenwahlen gegen Vojislav Kostunica angetreten ist und viele Stimmen erhalten hatte. Die Gruppe "17 plus" ist eine Vereinigung von Wirtschafts- und Finanzfachleuten, die großes Ansehen genießt und die sich dieser Tage als politische Partei konstituiert hat. Ihr werden bei den kommenden Parlamentswahlen gute Chancen eingeräumt. Sie hat sich im Übrigen für eine Auflösung der Verbindung mit Montenegro und für einen selbstständigen Weg Serbiens in die EU ausgesprochen.

Nimmt zu all dem noch die Rücktrittsdrohungen von Regierungsmitgliedern wie dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Nebojsa Covic und Justizminister Vladan Batic, dann versteht man, dass ein weiteres Regierungsmitglied, der stellvertretende Regierungschef Cedomir Jovanovic erklärt: "Wir sind in eine dramatische Spaltung der politischen Szene angelangt".

Und politische Beobachter sprechen davon, dass der "Säbel" stumpf geworden ist.