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Ja zu Europa, Nein zur Wahl

Von Bettina Figl aus Bukarest

Politik

Die Wahlbeteiligung Rumäniens bei der EU-Wahl dürfte wieder gering ausfallen doch das junge EU-Land setzt nach wie vor viele Hoffnungen in Europa und kämpft gegen Korruption.


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Bukarest. Sie ist weit gereist, spricht fließend Englisch und hat kürzlich den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Die Werbefachfrau und Yogalehrerin Ina Revnic sieht aus wie Audrey Tautou und verkörpert viel von dem, was Rumänien gerne wäre: modern, europäisch, gebildet, erfolgreich. Doch wie viele ihrer Landsleute wird die junge Rumänin am Sonntag nicht zur Wahlurne schreiten, die Beantragung der Wahlkarte sei zu bürokratisch. Schon bei der ersten EU-Wahl Rumäniens im Jahr 2009 war die Wahlbeteiligung mit 28 Prozent gering (europaweit 43 Prozent).

Unerfüllte Hoffnungen

Die Pension Revnics Eltern - einer Chemikerin und eines Ingenieurs - nimmt sich mit je 250 Euro bescheiden aus. Nach wie vor sind Rumänien und Bulgarien die ärmsten Länder der EU, zwei Millionen Rumänen - mehr als zehn Prozent der Bevölkerung - haben das Land verlassen. Für viele hat sich der Traum auf ein besseres Leben durch den EU-Beitritt 2007 nicht erfüllt. Frühestens 2015 wird das Land der Eurozone beitreten, aber nicht nur deshalb fehlen EU-Themen in der öffentlichen Debatte.

Dass beim EU-Wahlkampf innenpolitische Themen dominierten, ist mit den Präsidentschaftswahlen erklärbar, die im Herbst stattfinden. Wer aus diesen als Sieger hervorgeht, gilt als aussichtsreicher Kandidat für das Präsidentschaftsamt. "Wir sind stolz, Rumänen zu sein" und "Wir kämpfen für Rumänien in Brüssel" steht auf den EU-Wahlplakaten der sozialdemokratischen PSD. Die Regierungspartei von Premier Victor Ponta kommt in Umfragen auf über 40 Prozent, nach der EU-Wahl will er einen Kandidaten für die Parlamentswahl nominieren - höchstwahrscheinlich sich selbst. Im Falle seines Wahlsieges würde Rumänien de facto zu einem Einparteienstaat werden, die PSD würde alle wichtigen Ämter im Staat halten. Davor fürchtet sich sowohl Staatspräsident Traian Basescu als auch die zersplittete bürgerliche Opposition. Am Mittwoch hat das Verfassungsgericht (VGH) zwei Klagen abgewiesen, die Basescu und Ponta gegeneinander eingebracht hatten. Ponta hat geklagt, da Basescu im EU-Wahlkampf klare Wahlempfehlungen für das bürgerliche Lager und gegen Pontas PSD ausgesprochen hatte. Zudem hatte sich Basescu im Wahlkampf der ihm nahestehenden, bürgerlichen Bürgerbewegung PMP eingebracht, was der Neutralitätspflicht des Staatschefs widerspreche. Dem Staatschef sei eine politische Positionierung erlaubt, so der VGH, der auch die Klage gegen Ponta aufgrund einer verweigerten Gegenzeichnung einer Ordensverleihung abgewunken hat. Es sind Machtspiele wie diese, denen die Rumänen überdrüssig sind, doch ihr Vertrauen in die EU ist ungebrochen, sie schätzen sie als effizient und wenig korrupt ein.

George Bucur, ein junger Videoproduzent, wird am 25. Mai seine Stimme abgeben. Wenn er mit Freunden über Politik spricht, dann vor allem über die "absurden Protagonisten wie Elena Basescu": Das ehemalige Model ist seit 2009 Rumäniens Vertreterin in Brüssel (Volkspartei). Ihr Vater, Präsident Basescu, beschreibt sie mit den Worten: "Sie ist viel gescheiter, als man glaubt". Oder George "Gigi" Becali, er ist eine Art Berlusconi der rumänischen Politik. Der EU-Abgeordnete und Besitzer Rumäniens bedeutendsten Fußballvereins Steaua Bukarest liegt aufgrund seiner homophoben Äußerungen ("ich würde nie einen homosexuellen Spieler bei meinem Verein akzeptieren") mit Menschenrechtsorganisationen und dem Europäischen Gerichtshof im Clinch. Er sitzt eigentlich für die christdemokratische PNG im Parlament - doch derzeit sitzt er im Gefängnis. Er soll den Staat bei einem Grundstückstausch um knapp 700.000 Euro betrogen haben. "Die Philosophie lautet nach wie vor: ‚Öffentliches Geld ist mein Geld‘", sagt Laura Stefan. Die Juristin arbeitet bei der NGO Expertforum, die sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben hat. Vor Rumäniens EU-Beitritt hat sie mit der damaligen Justizministerin, der EU-Abgeordneten Monica Macovei zusammengearbeitet, die nun für die Liberaldemokraten (PDL) bei der EU-Wahl antritt. Macovei hat damals die Nationale Anti-Korruptionsagentur DNA eingerichtet, die Korruptionsbekämpfung war eine EU-Beitrittsbedingung. Die DNA hat seither 4700 Fälle behandelt, 90 Prozent davon vor Gericht. Knapp 1500 der Angeklagten wurden verurteilt, fast die Hälfte hohe Beamte oder Politiker. Auch der ehemalige Transportminister Relu Fenechiu wanderte wegen Betrugs ins Gefängnis.

Böse Dinge, korrupte Politiker

"In ihren Augen tun wir ihnen böse Dinge an", sagt Stefan. Sie spricht über eine Trendwende, die durch den Strafvollzug bei Politikern stattgefunden habe. Doch da Geld aus Brüssel nicht so leicht in die eigene Tasche wandern kann, ist aus vielen EU-Projekten nichts geworden: Von den 20 Milliarden Euro, die in den sieben Jahren aus dem Strukturfonds zur Verfügung standen, hat sich Rumänien nur ein Drittel abgeholt.

Der aktuelle Anti-Korruptionsbericht der EU stellt Rumänien kein gutes Zeugnis aus: "Korruption ist ist nach wie vor ein systematisches Problem. Obwohl einige Reformen in den vergangenen Jahren umgesetzt wurden, haben sich die Ergebnisse als instabil und leicht umkehrbar erwiesen." Auch Stefan sagt: "Wir haben geglaubt, das Problem würde sich teilweise selbst lösen, wenn eine neue Generation an Politikern an die Macht kommt. Doch die neue Generation ist noch schlimmer".

Die Recherchereise wurde durch das EU-Projekt Eurotours
ermöglicht. https://www.facebook.com/eurotourseu