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Jede Wette: Sie ist besser als Er

Von Hilde Weiss

Frauentag
Hilde Weiss ist Journalistin und Übersetzerin. Veröffentlichungen auch in mehreren deutschen Zeitungen.

Unser Wortschatz ist mitunter feministischer, als angenommen wird - ein kleiner etymologischer Streifzug zum Frauentag.


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Respekt: Die Frau, "die Herrin", ein Wort aus dem 9. Jahrhundert (althochdeutsch frouwa), kommt vom germanischen Wort frawjon für Herr und der indoeuropäischen Wurzel per- für vorne, erster und ist folglich eng verwandt mit der First Lady, der Fürstin, "der Herrscherin" ("der Vordersten"), mit Fronleichnam, "dem Leib des Herrn" (ursprünglich ein Wort für Hostie), der Fron, "dem Herrendienst", und den Lastern, denen man frönt, dient, wie einem Herrn.

Und die Herrin ist, entstanden aus dem Komparativ von hehr, "die Hehrere", wobei hehr ursprünglich grau hieß, grauhaarig und dadurch früher auch erhaben und ehrwürdig. Unter Hausfrau verstand man ursprünglich Hausherrin, unter Jungfrau junge Herrin und ebenso unter Fräulein "kleine", also junge Herrin. Frauenzimmer war ein Ausdruck für die Zimmer adliger Frauen, dann für das sich dort aufhaltende Gefolge, was uns - nicht leicht zu glauben, aber wahr - zur Dame bringt, denn das Zimmer, "das Gezimmerte", kommt vom germanischen Wort temra für Bauholz und der Wurzel dem- für zusammenfügen, bauen, die über die lateinischen Wörter domus für Haus und dominus für Hausherr auch zum Domizil führt, zur Dominanz, zur Dame, zur Domina, "der Hausherrin", zur Madonna und zu Madame und Mademoiselle.

Ähnlich der Herrin kommen die italienische Signora und Signorina, die spanische Señora und Señorita und die portugiesische Senhora und der Senhorita vom lateinischen Wort senior für älter, reifer, wie auch der Monsieur, der Grandseigneur, der Monseigneur, der Monsignore, die Senatoren, der Sire und der Sir, denen sie sprachlich um nichts nachstehen.

Weib, ein Wort aus dem 8. Jahrhundert (germanisch weiba, althochdeutsch wib), war früher eine neutrale Bezeichnung für Frau. Erst im Lauf der Zeit ist es - gegenüber den Begriffen Frau und Dame - zur Bedeutungsverschlechterung gekommen.

Heikler: Mädchen, "Mägdchen", heißt junge Magd ("kleine Magd"), wobei Magd schon im Germanischen ein Begriff für junge Frau und Dienerin war. Noch heikler: Auch Dirne, "Dierne", war, eng verwandt mit dem Dienen, im Germanischen ein Ausdruck für junge Frau und Dienerin, "Knechttochter". Schon im späten 15. Jahrhundert verschlechterte sich die Bedeutung zu Hure, gleichzeitig wurde aber auch die Bedeutung junge Frau neutral beibehalten, wie auch beim Dirndl, ursprünglich Dirndlkleid. Die Mutter geht über das Germanische auf das indoeuropäische Wort mater und weiter auf die Lautgebärde ma- für Mutterbrust, Mutter (Mama) zurück, eng verwandt mit dem Mieder, früher Müder, und über das Lateinische mit der Matrone, die dem Patron sprachlich ebenbürtig ist. Oft ist frau noch immer man, "Mann", vom germanischen Wort manon für Mensch und Mann - eigentlich ganz normal, bedenkt man, dass Frau "Herrin" heißt, zwar abgeleitet von der männlichen Form, aber um nichts geringer. Im Übrigen kommen Frauen in unserem Wortschatz mitunter auch ziemlich gut weg: Geschwister zum Beispiel, eine Kollektivbildung zu Schwester, heißt "alle Schwestern". Und das Siezen kommt vom Pronomen sie, während Erzen, "mit Er anreden", abwertend und beleidigend ist.