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So mancher Steuerexperte hat am Montag ein Déjà-vu erlebt. Wenn man die politischen Forderungen nach einer Abschaffung der Erbschaftssteuer samt Begründungen, warum diese sinnvoll sei, verfolgt hat, fühlte man sich kurzfristig in das Jahr 2004 zurückversetzt.
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Schon damals verwiesen Experten und so mancher Politiker darauf, dass das System der Erbschafts- und Schenkungssteuer sehr kompliziert sei, dem Staat verhältnismäßig wenig Ertrag bringe und außerdem leicht umgangen werden könne (zum Beispiel mit Hilfe von Stiftungen oder Sparbüchern).
Folgerichtig sprachen sich damals sowohl die Regierungspartei FPÖ als auch die ÖVP im Vorfeld der großen Steuerreform für eine Abschaffung aller Bagatell-Steuern aus. Zu diesen zählt auch die Erbschaftssteuer.
Gute Argumente für das Streichen gab es bei jeder einzelnen Bagatell-Steuer. Beispiel Kreditgebühr: Eine Steuer auf Kredite ist europaweit einzigartig. Sie ist auch absurd: Warum muss man für eine Schuld, die man aufnimmt, auch noch Steuer bezahlen?
Wenn die Argumente aber so einleuchtend sind, warum gibt es diese Steuern immer noch? Der Grund dafür ist, dass bei einer Steuerreform weniger zählt, ob sie aus Sicht der Fachleute sinnvoll ist. Wichtiger ist, dass man sie politisch gut verkaufen kann.
Dafür muss man eine zahlenmäßig möglichst große Entlastung für eine möglichst große Personengruppe zustande bringen. Die größte Personengruppe erwischt man bei einer Senkung der Lohn- und Einkommensteuer. Oder man muss wirtschaftspolitisch plakativ, etwa über die Standortsicherheit, argumentieren können. Dann landet man ganz schnell bei der Körperschaftssteuer.
Politisches Abwägen
So standen die Regierungsparteien 2004 vor der Wahl: Sie konnten entweder die Bagatellsteuern abschaffen und die Lohn- und Körperschaftssteuersenkungen dafür geringer ausfallen lassen. Oder sie konnten die Abschaffung der Bagatell-Steuern vertagen, und dafür die Steuertarife stärker senken.
Die Abschaffung der Kreditgebühr taugt politisch nicht wirklich als Meilenstein der Entlastung. Wieviele große Kredite nimmt der Durchschnittsbürger schon im Laufe seines Lebens auf? Für die Erbschaftssteuer gilt analog: Wie oft erbt man eigentlich im Leben? Wenig verwunderlich also, dass die Entscheidung zugunsten der Tarifsenkungen ausging.
Egal, wer die nächste Steuerreform nach der Wahl verhandeln wird: an diesem politischen Kalkül wird sich nur wenig ändern. Steuern lassen sich eben nicht unbegrenzt senken im Gegenteil, angesichts steigender Kosten im Sozialbereich muss jeder Spielraum für zusätzliche Steuersenkungen hart erkämpft werden. Und die Entwicklung des Budget-Defizits würde eine nächste Entlastung eigentlich erst nach dem Jahr 2008 erlauben, wenn man das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts noch ernst nimmt. Seite 25