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Palin punktet als Hardlinerin, ist aber ein Greenhorn in der Bundespolitik

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Jung, hübsch, weiblich. Rein optisch bildet Sarah Palin einen klaren Kontrast zu US-Präsidentschaftskandidat John McCain. Das ist strategisch gut, denn idealerweise soll ja der fürs Amt des Vizepräsidenten kandidierende "running mate" komplementär zum Frontmann sein und dessen Schwächen ausgleichen. | Dass nun aber John McCain durch Palin die Herzen enttäuschter Clinton-Anhänger zufliegen, oder ihm Fans jugendlicher Politik huldigen, ist unwahrscheinlich - wenn auch in einigen Fällen nicht ausgeschlossen. "Zu leicht durchschaubar, als dass es etwas bringen würde", war von amerikanischen Analysten am Tag der Nominierung Palins zu hören.


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Doch die Gouverneurin bringt mehr als nur ihr Äußeres in die politische Beziehung ein. Sie ist weniger ein Signal an die Konkurrenz, als an die eigene Partei. Denn der weithin als liberal geltende McCain hat sich bisher damit schwer getan, beim harten konservativen Kern und der starken religiösen Basis der Republikaner zu punkten.

Diese Lücke füllt die fünffache Mutter voll aus: Sie ist Mitglied der Waffenliga, für die Todesstrafe, gegen die Homo-Ehe und hält Erd-erwärmung für eine natürliche Entwicklung.

Zudem ist sie gegen Abtreibung, was sie auch persönlich dadurch unterstrich, dass sie ein Kind trotz frühzeitiger Erkennung einer Behinderung austrug. Diese Einstellung bringt Popularität bei der christlichen Wählerschaft mit sich - zumal sie eigenen Angaben zufolge auch regelmäßig den Gottesdienst besucht. Nach ihrer Nominierung erklärte jedenfalls Evangelikalenführer James Dobson, er sei jetzt voll an Bord.

Mit dieser Unterstützung schadet es auch nicht, dass Palins 17-jährige Tochter demnächst ein unehelich gezeugtes Kind zur Welt bringen wird. Im Gegenteil: Dies werten viele Wähler als konsequentes Eintreten gegen die Abtreibung - auch wenn Palin eine starke Befürworterin einer Erziehung an Schulen zu sexueller Abstinenz ist.

Mehr helfen als schaden dürfte ihr auch die Teilnahme an Miss-Wettbewerben, oder die Ablichtung im Negligée auf der Titelseite eines Hochglanzmagazins. Viel riskanter ist da schon die politische Unerfahrenheit der 44-Jährigen. Bis 2003 war sie noch Bürgermeisterin einer 6000-Seelen-Gemeinde im kalten Alaska. Dort ist sie seit gerade einmal zwei Jahren Gouverneurin (und hat gegen sich bereits eine Untersuchung wegen Amtsmissbrauchs laufen). Hauptangriffspunkt ihrer Gegner wird es daher wohl sein zu fragen: "Was, wenn die Stellvertreterin tatsächlich stellvertreten muss?" Wäre sie ebenso bereit, "Commander in chief" zu sein und die größte Macht der Welt zu führen, wie John McCain, der bei seinem Amtseid bereits 72 Jahre alt wäre? **

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