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Vorwahl-Volksfest in Wrzesnia. | Politiker in ungewöhnlicher Pose. | Wrzesnia. In der zentralpolnischen Stadt Wrzesnia mit ihren knapp 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern werden seit zwölf Jahren so genannte Vorwahlen durchgeführt. Bei diesem in Europa einzigartigen Ereignis handelt es sich um ein rein virtuelles Votum, die Stimmabgabe hat mit den regulären Wahlen nichts zu tun. Für viele ist die Probewahl dennoch nicht ohne Bedeutung - soll Wrzesnia doch ein genaues Abbild der vorherrschenden Stimmung in Gesamtpolen bieten. Wobei die Resultate der letzten Probewahlen nicht mehr mit den tatsächlichen Wahlausgang korrespondierten. Daher riefen PiS (Recht und Gerechtigkeit), die laut Umfragen nach der PO derzeit zweitstärkste Partei, und die konservative Liga der Polnischen Familien (LPR) zum Boykott der Veranstaltung auf.
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Politiker-Verrenkungen
Der Bevölkerung jedenfalls ist das Fest wichtiger denn die Wahl. Nicht einmal 15 Prozent der Wahlberechtigten gingen am Sonntag zu den Urnen. Weit mehr waren auf den Straßen und Plätzen, um sich Schmalzbrote und Luftballons zu holen oder Flugblätter in die Hand drücken zu lassen. "Wenn sie sich ihren Wählern so anbiedern und auf der Bühne im Tanz verrenken, um Volksnähe zu zeigen, dann können Politiker richtig leid tun", meint die 52-jährige Maria Chestochowska. Sie erinnert sich, wie Präsident Aleksander Kwasniewski vor fünf Jahren auf der Bühne im Park von Wrzesnia getanzt hat.
Auch diesmal sind die meisten Spitzenkandidaten zu den Vorwahlen gekommen. Der selbst ernannte Bauernführer Andrzej Lepper preist sich und seine Partei Samoobrona (Selbstverteidigung) zwischen den Darbietungen einer Volkstanzgruppe, Marek Borowski von der Sozialdemokratie Polens bemalt Kinder mit Körperfarben.
Donald Tusk, Präsidentschaftskandidat der Bürgerplattform (PO), wurde es zu bunt. Er zog für sein Treffen mit potenziellen Wählerinnen und Wählern einen Park dem überfüllten Hauptplatz vor. In Wrzesnia hat die wirtschaftsliberale PO mehr als 25 Prozent der Stimmen bekommen. In Umfragen liegt sie bei mehr als 30 Prozent, gefolgt von der konservativen Partei PiS, die auf etwa 27 Prozent kommt und den Abstand zur PO verringert. Bekämen die zwei möglichen Koalitionspartner bei der Parlamentswahl am kommenden Sonntag tatsächlich so viele Stimmen, hätten sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Sejm.
Mehr Emotionen weckt aber die Präsidentschaftswahl am 9. Oktober. Der Popularität von Donald Tusk verdankt die PO ihre guten Umfragewerte. Zuletzt sagten Umfragen Tusk einen Sieg schon im ersten Wahldurchgang voraus. Doch Lech Kaczynski (PiS) holt auf: Tusk liegt nur noch 14 Prozent voran.