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Privatisieren nicht um jeden Preis

Von Helmut Dite

Wirtschaft

"Am Ende des Tages muss die Vollprivatisierung stehen", betonte ÖIAG-Vorstand Peter Michaelis gestern, Dienstag, im Wiener Klub der Wirtschaftspublizisten. Aber: Oberste Priorität habe die Wertsteigerung bei allen Beteiligungen. Weitere Privatisierungen werde es nur geben, wenn auch Wertzuwachs realisiert werden könne. Und: "Sollte sich ein attraktives Szenario bei der Telekom Austria (TA) ergeben, das einen Rückzug von der Börse beinhaltet, würde ich mich nicht scheuen, auch dieses dem Aufsichtsrat zu empfehlen", sagte Michaelis vor den Journalisten.


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Mit der Telecom Italia, die ihre Ausstiegswilligkeit aus ihren beiden österreichischen Telekom-Beteiligungen (TA und Mobilkom) kürzlich bekräftigt hat, seien die Gespräche auf gutem Weg, obwohl die Interessenlage unterschiedlich sei: "Wir wollen nur deutlich über dem Emissionspreis von neun Euro verkaufen, die Italiener sind "sehr stark cash-getrieben", da sie eine hohe Schuldenlast abzubauen hätten. Das führe teils zu Friktionen bei den Verhandlungen. Es seien diverse Szenarien in Entwicklung, mit denen der Ausstieg der Italiener dargestellt werden könne - man habe vereinbart, darüber nichts zu kommunizieren.

Wertmaximierung würde auch als Maßstab gelten, wenn es, wie im Fall voestalpine, um ein Mitziehen bei einer allfälligen Kapitalerhöhung gehe - für die seitens des voestalpine-Vorstandes beim Aufsichtsrat aber noch kein Antrag vorliege. Michaelis sprach sich für eine 50-%-Teilnahme an einer allfälligen Kapitalerhöhung aus, damit würde die staatliche Beteiligungsquote nicht unter 34% sinken, die ÖIAG weiterhin Hauptaktionär bleiben. Die voestalpine-Aktie sieht er deutlich unterbewertet, es gibt ein starkes Kurssteigerungspotenzial. Die ÖIAG dürfe sich nicht dem Vorwurf aussetzen, dieses Potenzial beim profitabelsten Stahlerzeuger Europas, der eine Expansionstrategie fahre, aufs Spiel gesetzt zu haben. Mittel für den Aktienkauf könnte die ÖIAG, die ihre Schulden binnen drei Jahren von 6,18 Mrd. Euro auf nur mehr 2 Mrd. zurückgeführt habe, aus ihrer eigenen Liquidität aufbringen.

Bis spätestens 2004/05 soll die Österreichische Post AG nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten existenzfähig sein, sagte Michaelis, der dort den Aufsichtsratsvorsitz innehat. Bis dahin solle die Post ihr noch aufrechtes Monopol - am Briefsektor - nutzen und auch ihre Immobilienreserven einsetzen. "Die Post könnte noch besser sein als ihr budgetiertes Ergebnis", legte Michaelis dem Vorstand die Latte höher. Er stehe voll hinter dem Konzept der Spartenorganisation, das von der Belegschaftsvertretung massiv kritisiert wird. "Mir ist nicht ganz verständlich, dass die Personalvertretung sich erst jetzt zu Wort meldet", so Michaelis.

Im Falle VA Tech - auch dort präsidiert er den Aufsichtsrat - habe man eine Restrukturierung verlangt, um der angespannten Wirtschaftslage des metallaurgischen Anlnlagenbaus zu entsprechen. Dieses Konzept werde laufend überprüft und nötigenfalls angepasst. Zu der mehrmals kolportierten Ablöse von VA Tech-Chef Erich Becker sagte Michaelis: "Dazu werden sie in der Öffentlichkeit von mir nichts hören". Es sei nicht auszuschließen, dass die Verhandlungen über einen Einstieg des Auslandsösterreicher Gerhard Andlinger, die vor Weihnachten 2001 "wegen unattraktiver Bedingungen" abgebrochen wurden, wieder aufgenommen würden. Derzeit gebe es keine Gespräche. VA Tech könne auch aus eigener Kraft gesunden, aber: "Eine Kapitalzufuhr täte dem Unternehmen gut". Die jüngste Auftragsentwicklung der VA Tech sei jedenfalls sehr zufriedenstellend, was sich auch in einer Verbesserung der Margen und Deckungsbeiträge niederschlage.