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Quo vadis, New Deal?

Von Katharina Schmidt

Politik

Erste dunkle Wolken trüben die koalitionären Flitterwochen - aus der ÖVP wird quergeschossen.


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Wien. Kurz, nur ganz kurz, waren alle Augen auf die SPÖ gerichtet. Nach der mit Anlauf verpatzten Bundespräsidentenwahl brauchten die Sozialdemokraten knapp zwei Wochen, um ihren zuvor schon angezählten Parteivorsitzenden in aller Öffentlichkeit zum Rücktritt zu bewegen. Auf Werner Faymann folgte Christian Kern, auf Stillstand der New Deal - und prompt ist es wieder die ÖVP, auf die nun alle Augen gerichtet sind.

Denn streng genommen war die Niederlage des schwarzen Kandidaten Andreas Khol bei der Bundespräsidentenwahl größer -und zwar um 7023 Stimmen - als jene Rudolf Hundstorfers. Dennoch blieb es merkwürdig still um ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner - es schien, als konzentriere sich die Volkspartei darauf, erste Reihe fußfrei die Querelen beim Koalitionspartner zu genießen. Die Erleichterung war Mitterlehner deutlich anzumerken, als der neue Bundeskanzler Kern seine Idee des koalitionären New Deal mit unverbrauchtem Elan und deutlichen Signalen in Richtung Wirtschaft präsentierte. Als Beobachter hatte man den Eindruck, dass Mitterlehners Bekenntnis zu einer neuen Tonalität zwischen Rot und Schwarz nach Monaten des gegenseitigen Blockierens und Ausrichtens aus vollem Herzen kam und sein "Ich will" im Nationalrat nicht nur der Angst vor dem endgültigen Ende der ehemaligen Großparteien geschuldet war.

Doch eine Woche später ist es nun wieder die Volkspartei, die für erste Risse in diesem idyllischen Bild sorgt. Konkret: Teile der Volkspartei. Denn gegen die Fliehkräfte, die von Bünden und Ländern ausgehen, kann auch - oder gerade - die neue Einigkeit des Parteichefs mit dem Koalitionspartner wenig ausrichten. Allen voran wäre da einmal Reinhold Lopatka. Der Klubchef hatte noch vor Kerns Angelobung versucht, diesen mit öffentlich vorgehaltenen Managementfehlern zu desavouieren. Kern konterte, indem er Lopatka (nicht direkt, aber deutlich genug) zu den "politischen Selbstmordattentätern, die sich einsam in einer Telefonzelle in die Luft sprengen" zählte.

Auch Mitterlehner warnte vor Querschüssen, daraufhin war kurz Ruhe - bis der ÖVP-Klubobmann mit eigenen Kandidatinnen für den Rechnungshof-Präsidenten vorpreschte. Dabei hätten die beiden Regierungsparteien nach der Absage von Irmgard Griss am Montag noch bis Freitagmittag Zeit gehabt, einen gemeinsamen Kandidaten aus dem Ärmel zu zaubern. Lopatka wollte aber offenbar nicht - und hat mit Helga Berger eine Kandidatin ausgesucht, mit der auch große Teile der FPÖ-Abgeordneten mitgehen können.

Und dann war da noch die Sache mit den Asylzahlen, die die neue Art zu kommunzieren - nach dem Motto: zuerst intern besprechen, dann eine gemeinsame Linie nach außen tragen - gleich einmal ordentlich beschädigt hat.

"Ein schwerer Kommunikationsfehler"

War bisher immer von knapp über 20.000 eingebrachten Anträgen die Rede, sprach der Kanzler am Dienstag von 11.000. Daraufhin wurde er von Innenminister Wolfgang Sobotka per Aussendung zurechtgewiesen - ein Kommunikationsmittel sehr alten Stils, zumal Mitterlehner Kerns Ausführungen nach dem Ministerrat bestätigt hatte. Erst zwei Tage später beendete Sobotka in einer Pressekonferenz die Verwirrung, indem er neue stiftete und eine dritte Zahl von knapp 19.000 ins Spiel brachte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, aber neben dem Klubchef ist die niederösterreichische ÖVP, aus der Sobotka gerade eben erst auf die Bundesebene gehievt wurde, wohl einer der größten Gegner des New Deal. Dies vor allem deshalb, weil Landeshauptmann Erwin Pröll zu den mächtigsten Gegenspielern Mitterlehners zählt.

"Mitterlehners Problem ist, dass er an mehreren Fronten kämpfen muss - ein Krieg, der schwer zu gewinnen ist", sagt auch Karin Cvrtila vom Meinungsforschungsinstitut OGM. Die Debatte rund um die Asylzahlen bezeichnet sie als einen "schweren Kommunikationsfehler", will aber den New Deal noch nicht abschreiben.

Denn was wäre die Alternative? Dass die ÖVP bei Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt auf Platz drei hinter FPÖ und SPÖ landen würde, dürfte wohl auch jenen Schwarzen klar sein, die sich nichts sehnlicher als einen Urnengang wünschen. Und dass es dann automatisch zu der von Mitterlehners Kontrahenten ersehnten Neuauflage von Schwarz-Blau kommen könnte, ist auch nicht gesichert. Denn auch wenn sich Kern auf Bundesebene Rot-Blau nicht vorstellen mag: Wenn die SPÖ vielleicht schon am kommenden Parteitag Ende Juni das FPÖ-Embargo aufhebt und klare Kriterien für eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen aufstellt, wird zumindest theoretisch der Spielraum für Koalitionen auf Bundesebene größer. Und das sollte wiederum den Neuwahl-Befürwortern in der ÖVP zu denken geben.

Thronfolger Kurzschweigt und wartet ab

Mitterlehner, der schon durch sein gutes Einvernehmen mit seinem früheren Spiegelminister Rudolf Hundstorfer stets akzeptable Vertrauenswerte hatte, werde im Windschatten Kerns sein Image wohl weiter aufpolieren können, meint Cvrtila.

Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass sich der stets als Nachfolger und Spitzenkandidat für 2018 gehandelte Sebastian Kurz derzeit in nobler Zurückhaltung übt, obwohl in Sachen Integration einiges zu tun wäre. Solange Mitterlehner nicht stürzt, tut Kurz gut daran, sein Potenzial nicht durch unliebsame öffentliche Äußerungen zu verbrennen. Von einem Scheitern des New Deal - ob jetzt oder in eineinhalb Jahren - würde er persönlich jedenfalls profitieren. Dass das auch auf seine Partei zutrifft, darf bezweifelt werden.