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Regierungsbildung in Israel schwieriger als erwartet

Von Mosche Meisels

Politik

Jerusalem · Die Hoffnung des israelischen Wahlsiegers Ehud Barak, noch diese Woche seine Koalitionsregierung vorzustellen, hat einen Dämpfer erhalten. Die Verhandlungen mit den potentiellen | Partnern gestalten sich schwieriger als ursprünglich angenommen, was den designierten Premier veranlaßte, eine Verschnaufpause einzulegen, um die Situation zu überdenken und neue Möglichkeiten zu | prüfen.


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Drei Wochen nach seiner Wahl steht er damit unter wachsendem Zeitdruck, nachdem er innerhalb von 45 Tagen seine neue Regierung und ihr Aktionsprogramm der Knesset vorstellen muß.

Barak hat die ursprünglich geplante Bildung einer großen Koalition von 80 aus 120 Abgeordneten längst aufgegeben. Selbst eine kleine Koalition, die sich auf 66 Volksvertreter von acht Fraktionen

stützt, besteht vorläufig nur auf dem Papier, nachdem die anvisierten Partner ihre Forderungen kontinuierlich in die Höhe treiben und den zukünftigen Regierungschef zu erpressen versuchen. Baraks

Rechnung, die zehn arabischen Abgeordneten würden ihm vorbehaltlose Unterstützung angedeihen lassen, ist nicht aufgegangen. Sie fordern als Gegenleistung Anerkennung, Jobs im öffentlichen Dienst,

gleichberechtigte Mitgliedschaft in allen parlamentarischen Gremien und sogar Ministerposten.

Baraks Hauptproblem ist gegenwärtig die gegenseitig Lahmlegung der tragenden Säulen seiner zukünftigen Koalition. Die linksliberale Merez-Partei, die über zehn Mandate verfügt, und die

linkskonservative Shinui Fraktion (sechs Abgeordnete) lehnen es eindeutig ab, mit der ultra-orthodoxen Shas-Partei, die immerhin über 17 Stimmen verfügt, an einem Tisch zu sitzen. Jedoch will Barak

auf keinen Fall auf die Koalition mit dieser wichtigen Partei verzichten, die hinsichtlich der Rückgabe besetzter Gebiete an Syrien und die Palästinenser kompromißbereiter ist, nachdem das geistliche

Oberhaupt der Shas, Rabbi Ovadia Josef, die besetzten Gebiete keinesfalls als göttliches Vermächtnis an Israel einstuft und für den Frieden mit den arabischen Nachbarn bereit ist, dieses Opfer zu

bringen. Bisher verliefen alle Versuche Baraks, die linksliberale Verweigerung gegenüber Shas aufzuweichen und Merez zu einer flexibleren Einstellung zu bewegen, praktisch ergebnislos. Inzwischen ist

die prinzipientreue Merez-Partei bereit, auf aktive Kabinettsteilnahme zu verzichten, wird aber die Regierung parlamentarisch unterstützen. Damit will sie bereits lancierten Anschuldigungen

entgegentreten, sie gefährde durch ihre sture Haltung die Wiederbelebung des Friedensprozesses, innenpolitische Reformen und die Verabschiedung einer Verfassung. Dies veranlaßte Barak, mitzuteilen,

er erwäge sogar die Bildung einer Regierung, die sich auf 61 Abgeordnete stützt und schließe nicht die Möglichkeit einer Minderheitsregierung aus, die von Merez und den arabischen Parteien geduldet

werde.

Die innenpolitische Lage wird zunehmend verwirrender und schwieriger. Die Chancen für eine Koalitionsbeteiligung der bisherigen Regierungspartei Likud nähern sich dem Nullpunkt. In dieser Partei sind

nach der Wahlniederlage und der Abwahl von Benjamin Netanyahu Diadochenkämpfe ausgebrochen. Noch-Außenminister Ariel Sharon ließ sich zum Interims-Vorsitzenden wählen und betrachtet sich als

geeigneter Kandidat für den Premierposten, falls es zu Neuwahlen kommen sollte. Junge Nachrücker aus dem zweiten und dritten Parteiglied wittern Morgenluft und sehen ihre Chance gekommen, die alte

Garde der Verlierer zu verdrängen. Nun hat auch der Oberbürgermeister von Jerusalem, Ehud Olmert, seine Spitzenkandidatur zum Parteivorsitz angemeldet.