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"Kooperation mit Herkunftsländern entscheidend." | Forderung nach eigenen Flugzeugen und Schiffen. | "Wiener Zeitung": Seit mehr als vier Jahren kümmert sich Frontex um die Sicherung der EU-Außengrenzen. Sind die dadurch dichter geworden?
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Ilkka Laitinen: Im Mai 2005 war ich alleine. Inzwischen haben wir 250 Angestellte und können wesentlich klarere Analysen erstellen, genauere Voraussagen über die weiteren Entwicklungen treffen und haben fast sechs Mal so viele Operationen gleichzeitig laufen als 2006. Für illegale Grenzübertritte und Menschenhandel sind die Grenzen dichter geworden. 2008 hatten wir 160.000 Festnahmen an den EU-Außengrenzen - die Hälfte davon an den Landgrenzen, die andere Hälfte an Seegrenzen und auf Flughäfen. 2009 ist die Anzahl mehr als 20 Prozent zurückgegangen.
Heißt das, dass weniger gekommen sind oder dass Sie nur weniger erwischt haben?
Da wir bessere Erkenntnisse, mehr Schlagkraft aber weniger Festnahmen haben, kann man davon ausgehen, dass die Anzahl der Personen, die nach Europa wollten, zurückgegangen ist. Ein besonders wichtiger Faktor ist die Kooperation mit den Herkunftsländern. Dafür gibt es zwei gute Beispiele: Auf den Kanaren hatten wir 2006 mehr als 30.000 Festnahmen, letztes Jahr waren es nicht einmal 2000. Das ist auf die konsequenten Operationen von Frontex zurückzuführen, vor allem die gemeinsamen Patrouillen mit unseren senegalesischen und mauretanischen Kollegen. Das zweite Beispiel stammt vom Vorjahr, als Italien mit den Libyern Patrouillen entlang der libyschen Küste vereinbart hat. Nach Juni 2009 war die Hauptroute durch das zentrale Mittelmeer de facto blockiert.
Aber schicken die Italiener die Menschen nicht einfach ohne Prüfung ihrer eventuellen Schutzbedürftigkeit zurück und verstoßen damit gegen die Menschenrechte?
Die Italiener leisten den Libyern lediglich technische Hilfe bei der Kontrolle ihrer Küstenlinie. Libyen hat sich zudem bereiterklärt, jene Personen zurückzunehmen, die keine Einreiseerlaubnis für Italien erhalten haben.
Es besteht doch die Gefahr, dass Menschen, die Schutz brauchen, gar nicht mehr dazu kommen, einen Asylantrag zu stellen, weil sie EU-Boden nicht mehr erreichen können.
Frontex trifft nicht die Entscheidung, ob aufgegriffene Menschen zurückgeschickt oder in ein EU-Land gebracht werden. Die gemeinsamen Missionen leitet stets ein Mitgliedsland. Das Problem ist aber ein sehr grundlegendes. Die Menschen, die Schutz suchen, befinden sich oft geografisch an Plätzen, wo die Kontrolle ihrer Schutzwürdigkeit nicht stattfinden kann. Kein Land erkennt Asylanträge an, die nicht auf seinem Territorium gestellt werden - etwa in internationalen Gewässern. Sie können nicht von Grenzschützern erwarten, dieses politische Problem zu lösen. Das ist eine Frage für die Gesetzgeber.
Mit den meisten nord- und westafrikanischen Ländern arbeiten Sie inzwischen zusammen. Woher kommen da noch die Flüchtlinge?
Wenn sie eine Route blockieren, passieren zwei Dinge: Einerseits lässt der Gesamtdruck nach, weil die potentiellen Immigranten keinen Grund mehr sehen, den Schleppern Geld für aussichtslose Reisewege zu bezahlen. Andererseits verteilt sich der verbleibende Druck auf andere Routen. Die Libyen-Route hat sich teils ins südöstliche Mittelmeer in Richtung Griechenland verlagert.
Viele Menschen bleiben einfach in Afrika?
Das ist der Schluss unserer Situationsanalysen.
Sind Sie inzwischen zufrieden mit den Beiträgen der Mitgliedsstaaten, was die Boote und Flugzeuge betrifft?
Wir haben immer noch eine Lücke zwischen den idealerweise durchzuführenden Aktivitäten und der Bereitschaft der Länder, uns mit Ausrüstung zu versorgen.
Sollte Frontex nicht endlich eigene Schiffe und Flugzeuge bekommen?
Es handelt sich bei der Koordination des Grenzschutzes um eine EU-Angelegenheit. Daher bin ich mehr und mehr überzeugt, dass Frontex auch eine Art operationelle Schlagkraft in Form von Überwachungsflugzeugen, Helikoptern und Schiffen braucht.
Wie viele Schiffe und Flugzeuge sind denn für Frontex unterwegs?
Wir können auf höchstens 25 Helikopter, 25 Flugzeuge und 125 Schiffe zurückgreifen.
Der Finne Ilkka Laitinen (47) ist seit 2005 Exekutiv-Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex und bis 2010 im Amt bestätigt.
"Auf den Kanaren hatten wir 2006 mehr als 30.000 Festnahmen, letztes Jahr waren es nicht einmal 2000."