Zum Hauptinhalt springen

Schlechte Verbindung

Von WZ-Korrespondent Fabian Kretschmer

Politik

Der ägyptische Mobilfunkkonzern Orascom hat drei Millionen Nordkoreaner mit Handys versorgt. Nach der Gründung eines regimeeigenen Mobilfunkunternehmens steht der größte ausländische Investor in Nordkorea vor dem Aus.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Seoul. Naguid Swaris muss sich gefühlt haben wie ein kalifornischer Siedler während des Goldrauschs: 24 Millionen potenzielle Kunden boten sich dem Orascom-Vorsitzenden in Nordkorea, einem weißen Fleck auf der Unternehmer-Landkarte, von der digitalen Revolution links liegen gelassen. Die Zweifler und Skeptiker konnten den 61-Jährigen kaum von seinem Vorhaben abbringen, schließlich hatte der Kopte bereits im kriegszerrütteten Irak und Algerien investiert, nur kurz nachdem dort die letzten Bomben gefallen waren. 2008 bauten die Ägypter Nordkoreas Mobilfunknetz aus dem Nichts auf. Wenig später folgte ein zweites Netz für die Expats und Diplomaten im Land, die zusätzlich auf ihren Handys im Internet surfen und Auslandsgespräche führen können. Telefonierende Spaziergänger gehören seitdem längst zum Stadtbild Pjöngjangs, auch für die Händler des Landes sind Handys unverzichtbarer Teil ihrer Arbeit geworden, um die Logistik ihrer Waren zu koordinieren und Preise festzulegen. Und die Ausländer in Nordkorea nutzen ihre Smartphones, um Schnappschüsse von Kim-Il-sung-Statuen zeitgleich in den sozialen Medien Instagram, Twitter und Facebook zu posten.

Profit in Won gehalten

Bis dato verzeichnet der Mobilfunkanbieter Koryolink, der zu drei Vierteln von Orascom und zu einem Viertel vom Ministerium für Post und Telekommunikation gehalten wird, nahezu drei Millionen Kunden - und landete so als eine der wenigen ausländischen Investitionen in den schwarzen Zahlen. Genau das wird dem Unternehmen jedoch nun zum Verhängnis.

Seit einigen Monaten bereits steht Orascom vor dem Problem, wie es seine Gewinne aus dem Land bekommt. Der Profit wird nämlich derzeit in nordkoreanischen Won gehalten, einer Währung, die international nicht gehandelt wird - und außerhalb der Landesgrenzen auch komplett nutzlos ist. Allein aus logistischen Gründen würden sich die Ägypter wohl kaum in Won auszahlen lassen wollen: Würde man deren Profit nämlich in 5000-Won-Noten türmen - den höchstdotierten Scheinen in Nordkorea -, dann würde dieser absurde Geldstapel problemlos die Skyline Pjöngjangs überragen. In anderen Worten: Man bräuchte mehrere Cargo-Container, um die Gewinne überhaupt physisch aus dem Land zu schiffen.

"Geschäfte in Won zu machen bedeutet letztendlich, dass man Nordkorea quasi über den Wert der Profite entscheiden lässt", weiß der Reuters Korrespondent James Pearson, der in seinem aktuellen Buch "North Korea Confidential" die boomende Privatwirtschaft im Kim-Regime dokumentiert hat. Beim Währungstausch werden die Dinge in Nordkorea jedoch kompliziert.

585 oder 7,2 Millionen?

Tatsächlich würden sich Orascoms Anteile laut des künstlich hochgehaltenen Dollar-Wechselkurses auf stolze 585 Millionen Dollar belaufen. Der tatsächliche Wert des Won lässt sich jedoch nur akkurat mithilfe des Schwarzmarkt-Wechselkurses berechnen, nach dem die Ägypter gerade einmal 7,2 Millionen Dollar ausgezahlt bekämen - also lediglich ein Achtzigstel.

Pjöngjang steht also vor dem Dilemma, sich einerseits die Auszahlung nach seinem selbst propagierten Kurs nicht leisten zu können, schließlich beträgt das jährliche Handelsvolumen des Landes gerade einmal acht Milliarden Dollar. Gleichzeitig würde eine Auszahlung des realen Wertes bedeuten, den Schwarzmarkt-Wechselkurs offiziell anzuerkennen. Diesen duldet das Kim-Regime bislang nur auf niedriger Ebene, etwa wenn Fabrikbesitzer oder Betreiber privater Bauernhöfe die Löhne ihrer Arbeiter festlegen. Auch in einigen Läden in der Hauptstadt Pjöngjang werden die Warenpreise bereits ganz offen zu Schwarzmarktkursen im Dollar-Äquivalent angepriesen.

Warum Nordkorea den ägyptischen Investoren nun dennoch Steine in den Weg legt, habe laut Buchautor Pearson mehr "mit individueller Gier" zu tun statt mit einer "zentralen Strategie". Zum Entsetzen der ägyptischen Orascom hat das Kim-Regime jüngst ein staatseigenes Mobilfunkunternehmen als Konkurrenz zu Koryolink gegründet, das bei einer bevorstehenden Zwangsfusionierung den Mehrheitsanteil der Ägypter zunichtemachen würde. Orascom hat praktisch die Kontrolle über sein Investment verloren.

Für Ausländer mag es paradox erscheinen: Obwohl Nordkorea händeringend Erfolgsgeschichten ausländischer Investoren braucht, um die benötigten Devisen ins Land zu bekommen, scheint der totalitäre Staat gleichzeitig alles dafür zu tun, internationale Unternehmen zu vergraulen. Wen dieser scheinbare Widerspruch überrascht, der hat die Logik des Regimes nicht verstanden.

Neue Mittelschicht

"Die Propaganda möchte einem zwar weismachen, dass Nordkorea ein geschlossener, zentralistischer Staat sei, dessen Entscheidungen direkt von Kim Jong-un ausgehen. Tatsächlich jedoch ist das Land innerlich zerrissen", sagt Pearson. Die Trennlinien verliefen innerhalb der Partei, dem Militär und dem Kabinett, die alle konkurrierende Interessen verfolgen. Wirtschaftswachstum scheint nicht bei jedem Akteur zur Priorität zu zählen.

Dass dieser dennoch stattfindet, lässt sich jedoch auch dank der unternehmerischen Pionierleistung der Ägypter ablesen. Wenn nämlich mittlerweile jeder achte Nordkoreaner ein Handy besitzt, heißt das auch, dass ein großer Teil der Bevölkerung ausreichend Bargeld für die vergleichsweise teuren Tarife hat. "Wir reden hier längst nicht mehr von einer Parteielite, sondern der aufsteigenden Mittelschicht", sagt Pearson: "Seit Jahren wissen wir bereits von dieser neuen Klasse, doch Orascom hat ihre Existenz endlich bewiesen."