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Serbien: Einigung in letzter Minute

Von WZ-Korrespondent Christian Wehrschütz

Europaarchiv

Vier-ParteienKoalition geplant. | Umstrittener Parlamentspräsident vor Rücktritt. | Belgrad. In Serbien haben sich die Reformparteien im letzten Moment doch noch auf die Bildung einer neuen Regierung geeinigt. Seit den Wahlen Ende Jänner wurde erfolglos verhandelt. Wäre eine Regierung bis Montag nicht zustande gekommen, hätte wieder gewählt werden müssen.


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Wie die Kompetenzverteilung in der neuen serbischen Regierung genau aussehen wird, war am Freitag noch nicht bekannt. Sicher ist, dass es eine Koalition aus vier Parteien sein wird. Es sind dies die pro-europäischen Parteien DS und G17-Plus sowie das nationalkonservative Zwei-Parteienbündnis von Vojislav Kostunica: Der bleibt Premier, und seine Partei stellt weiter den Innenminister. Doch die DS von Präsident Boris Tadic wird den Verteidigungsminister und die Mehrheit des Kabinetts stellen. Außerdem soll sie den militärischen Geheimdienst kontrollieren; die Geheimpolizei leitet künftig ein Parteiloser. Tadic wird einer Art nationalem Sicherheitsrat vorsitzen, der die Arbeit der Geheimdienste kontrollieren soll.

Am Kampf um die Macht-Ministerien drohte die Koalition zu scheitern. Deren Kontrolle ist wegen der Fahndung nach dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic wichtig. So hat Brüssel vor einem Jahr Gespräche mit Serbien über eine EU-Annäherung auf Eis gelegt, weil Mladic noch immer in Freiheit ist. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen ist nun in Aussicht gestellt, so bald die neue Regierung steht. Im Gegenzug verlangt Brüssel, glaubhafte Anstrengung von Belgrad bei der Suche nach Mladic. Dazu zählten ausdrücklich auch Änderungen an der Spitze der Sicherheitsapparate, weil Kostunicas Mannschaft offensichtlich nur wenig Neigung zeigte, Mladic auch tatsächlich zu finden.

Kritik von EU und USA

Die Koalitionsvereinbarung in Belgrad sieht auch vor, dass der ultranationalistische Parlamentspräsident Tomislav Nikolic abgewählt wird. Er wurde erst vor wenigen Tagen mit Hilfe von Kostunicas Partei gewählt. Dies und Nikolics offenes Eintreten für Großserbien haben EU und USA massiv kritisiert. Erweiterungskommissar Olli Rehn sagte, Serbien habe mit der Wahl von Nikolic einen Schritt 20 Jahre zurück getan. Und die Nummer Drei der US-Diplomatie, Nicolas Burns, beschuldigte bei einer Konferenz in Zagreb die Ultranationalisten, für die Kriege und Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien verantwortlich zu sein.

Gleichzeitig befürwortete Burns klar die Unabhängigkeit der albanisch dominierten Provinz Kosovo. Einen entsprechenden Resolutionsentwurf haben USA und EU im UNO-Sicherheitsrat eingebracht. Offensichtlich gehen die USA davon aus, dass Russland die Resolution nicht durch ein Veto blockieren wird. Endgültige Klarheit darüber wird wohl erst das Gespräch von US-Außenministerin Condoleezza Rice demnächst in Moskau bringen. Die USA sind jedenfalls entschlossen, die Unabhängigkeit des Kosovo durchzuziehen. Nach inoffiziellen Angaben dürfte sich China der Stimme enthalten und die große Mehrheit der nicht-ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates ebenfalls für die überwachte Unabhängigkeit des Kosovo votieren.