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Signale der Demontage?

Von Matthias G. Bernold

Politik

Das Café Dogma: zugesperrt. Das Ernst Kirchweger Haus: verkauft. Das Globus-Haus: ebenso. Die KPÖ: pleite. Österreichs Linke geht nicht nur ihrer Symbole verlustig - sie ist auch zerstrittener als je zuvor. Dutzende politische Bewegungen und Kleingruppen liegen miteinander im ideologischen Clinch. Unterliegt die Linke im letzten Gefecht gegen sich selbst?


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An sich hätte der 33. Parteitag der KPÖ eine Routineangelegenheit werden sollen. Die innerparteiliche Opposition rund um die abtrünnige Gruppe Ottakring war gar nicht erst erschienen. Überkritischer Parteigenossen aus Innsbruck hatte man sich schon ein paar Wochen zuvor entledigt. Eigentlich ein Heimspiel für Walter Baier, den langjährigen KP-Chef.

Es kam aber anders. Der "Baier-Fanclub", wie die Versammlung von internen Widersachern geschmäht wurde, hatte die Rechnung ohne die Bewohner bzw. Aktivisten des Ernst Kirchweger Hauses (EKH) in Wien-Favoriten gemacht. Als sich die Genossen nach dem Mittagessen auf die Plenardiskussion einstimmten, bumperte es unvermittelt an den Türen des Linzer Volkshauses. Draußen rund 15 Jugendliche: "Wir haben etwas zu sagen," wird in den Saal gerufen. Zehn Minuten Redezeit gestehen die rund 150 Delegierten einem Sprecher des EKH zu. Es sollten dann mindestens 20 Minuten und drei Sprecher sein. Der Vorwurf an die KPÖ-Leitung: Die im Jahr 1990 von autonomen Gruppen besetzte - und später in Ernst Kirchweger Haus umbenannte - ehemalige Wielandschule hätte niemals verkauft werden dürfen. Schon gar nicht an einen wie Christian Machowetz, der sich - so der Vorwurf - im Dunstkreis der rechtsextremen Szene befindet und, wie es heißt, in den 70er-Jahren Mitglied der Aktion Neue Rechte (ANR) war. Franz Schäfer von der Partei-Gruppe Dogma, den alle nur "Mond" nennen, ärgert sich über den "Alleingang des Bundesvorstandes": "Der Verkauf bringt mehr Schaden als Nutzen." Als der Verkauf bekannt wurde, seien sofort einige Parteimitglieder ausgetreten, viele seien demoralisiert.

Demoralisiert dürfte viele Delegierte auch die jüngste Veräußerung einer weiteren KP-Immobilie haben: Der Verkauf des traditionsträchtigen Globus-Hauses am Höchstädtplatz, ehemals Sitz von Volksstimme und Globus-Verlag.

Ausverkauf der Symbole? Mit solchen Fragen will sich ein anderer Teil in der KPÖ nicht lange aufhalten. Die Parteileitung verweist auf finanzielle Zwänge nach dem verlorenen Novum-Prozess. "Bedauerlich, aber notwendig", kommentiert etwa Claudia Krieglsteiner von der KP-Margareten und wehrt sich dagegen, das EKH zum einzig sinnvollen linken Projekt hochzustilisieren. Wenig Verständnis für die jungen Wilden hat auch die Gewerkschafter-Fraktion in der Partei. "Schmeiß ma die Deppen raus", wurde da am Parteitag skandiert und ein besonders ungestümer Post-Betriebsrat krempelte sich schon die Ärmel auf, um das anarchistische Schauspiel zu beenden. Weder er noch die im Foyer wartenden Polizeibeamten brauchten jedoch Hand anzulegen - die EKH-ler zogen freiwillig ab.

Trotziges an den Wänden

Den Widerstand gegen die Räumung des Hauses aufzugeben, daran denkt im EKH keiner. An den Hausmauern prangen trotzige "EKH bleibt"-Graffiti - für den 18. Dezember ist eine Demonstration vor dem Westbahnhof geplant. Im "Que(e)r", dem "Politbeisl" des EKH, wo man Wieselburger Bier zum Selbstkostenpreis und eine hervorragende Zwiebelsuppe bekommen kann, reagiert man mit Galgenhumor: Seit der Verkauf ruchbar wurde, reden sich die Gäste schon einmal scherzhaft mit "Kamerad" an. Wie lang das autonome Leben unter dem Dach des EKH noch weiter geht, ist ungewiss. Nur teilweise verfügen die NGOs über schriftliche Mietverträge. Mehrere Gruppen waren von der Hausverwaltung aufgefordert, bis zum 13. Dezember 2004 einen schriftlichen Rechtsmittelverzicht zu unterzeichnen, wofür ein Räumungsvergleich in Aussicht gestellt wurde.

Verlust eines Zentrums

Dietmar, der seit fast zwölf Jahren im EKH lebt, bezeichnet den Verkauf als "Schlag gegen die Linke": "Unsere Energien werden über Jahre gebunden." Martin Wassermair von der Kulturinitiative "Public Netbase" sieht den EKH-Verkauf als prototypisch für den Umgang mit kritischen Institutionen: "Uns wird Schritt für Schritt der Raum genommen, zu arbeiten und uns zu artikulieren".

Allerdings kommen nicht nur äußere Probleme auf die Linke zu. Wie eh und je ist sie ein Konglomerat widerstreitender Meinungen und Interessen. Auffassungsunterschiede betreffen sowohl die Wahl der Mittel als auch das politische und gesellschaftliche Ziel. Noch immer hat der Witz "Treffen sich zwei Linke, spalten sie sich" einen wahren Kern. Heute entzündet sich der Streit etwa an der Haltung gegenüber Israel. Während sich die einen in antifaschistischer Tradition mit dem Staat Israel solidarisch erklären, brandmarken die anderen ihrerseits die Politik Israels als faschistisch und sehen Israel als Handlanger des kapitalistischen Erzbösewichts, der USA, wofür sie wiederum von anderen als "linke Antisemiten" punziert werden. Vorübergehend überdeckt waren alle ideologischen Zwistigkeiten mit der Machtübernahme durch Schwarz-Blau. Auch die internationale Globalisierungsbewegung schweißte zusammen und in Graz durften sich die Kommunisten um Ernest Kaltenegger im Jahr 2000 sogar über einen Wahlerfolg freuen, als sie 21 Prozent der Stimmen abräumten. Mit der Neuauflage von Schwarz-Blau begann die Flamme des Widerstands allerdings zu schwächeln. Und kurz darauf besann man sich der Gegner in den eigenen Reihen.

Kurto Wendt, ehemals Wirt des - seit einem Jahr geschlossenen - Szenelokals "Café Dogma", sieht die kommunistische Bewegung heute "schwer in der Defensive". Trotzdem sei der Konflikt in der Linken aufgebauscht: "In Wahrheit geht es nach wie vor um einen Freiheitskampf gegen den liberalen Kapitalismus." Nachsatz: "Und das ist kein Lercherlschas."