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Politologe Klaus Poier analysiert die Ausgangslage für die steirische Landtagswahl.
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Sie hat ihn an die Macht gehievt, nun will sie ihn ablösen: Landauf, landab, wirbt die steirische SPÖ mit der Plakatparole "Schichtwechsel" um die Abwahl von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP). In einem knappen Monat wird sich für die Sozialdemokraten zeigen, ob der Slogan Früchte trägt: Am 24. November wird in der Steiermark der Landtag gewählt.
Die SPÖ startet mit ihrem Spitzenkandidaten und Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer zwar von der Pole-Position aus, doch ist die ÖVP der eigentliche Titelverteidiger. Mit 29,3 Prozent lag die SPÖ bei der Landtagswahl 2015 noch knapp vor ÖVP (28,5) und FPÖ (26,8). Dem Urnengang folgte aber das große Staunen: Der damalige Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) befürchtete einen Absprung seines Koalitionspartners ÖVP zur FPÖ. Er überließ seinem Stellvertreter Schützenhofer sein Amt, um Rot-Schwarz zu sichern, und zog sich aus der Politik zurück.
Nun verfügt die steirische ÖVP über den bei Landtagswahlen so wichtigen Amtsinhaberbonus - und auch der bundesweite Trend spricht für sie: Während parteiinterne Turbulenzen SPÖ und FPÖ zusetzen, eilt die ÖVP von Wahlsieg zu Wahlsieg. Politologe Klaus Poier, Professor am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz, hält daher einen ÖVP-Wahlsieg für wahrscheinlich: "Im Vergleich zu Bundeswahlen lässt sich die Lage aber schwerer einschätzen, da auf Landesebene nur sehr wenige Umfragen gemacht und publiziert werden."
Fragezeichen Freiheitliche
Ungewiss bleibt, wie sich die Turbulenzen der FPÖ im Bund in der Steiermark niederschlagen. "Die steirische FPÖ war bisher in zwei Bereichen erfolgreich: Sie sprach frühere ÖVP-Wähler am Land und ehemalige SPÖ-Wähler in den Industriegegenden an", erklärt Poier. Ob SPÖ und Volkspartei aufgrund der diversen FPÖ-Affären diese Wähler zurückgewinnen können und die Freiheitlichen ein Mobilisierungsproblem wie bei der Nationalratswahl haben, sind daher die großen Fragen.
Knifflig könnte die Koalitionsbildung werden. Nachdem ÖVP, FPÖ und Grüne im September überraschend Neuwahlen ausgerufen hatten, kritisierte Voves in einem offenen Brief Schützenhöfer. Dieser habe mit dem "Koalitionsbruch" das Miteinander aufgekündigt, so Voves. Eine erneute Koalition mit der ÖVP solle die SPÖ nicht anstreben. An Schützenhofer gerichtet, unterzeichnete er den Brief mit: "Dein enttäuschter Freund Franz Voves."
Ist nun die Schiene Richtung Schwarz-Blau gelegt? "Das war vermutlich eine emotionale Reaktion. Ich glaube nicht, dass Voves dauerhaft an dieser Meinung festhält", so Poier. Er schätzt Schwarz-Blau als auch Schwarz-Rot als realistische Optionen ein: "Die steirische SPÖ ist verstimmt. Aber das Gesprächsklima zwischen allen Parteien ist auf Landesebene wesentlich besser als auf Bundesebene."
Das verflixte Grundmandat
Schwarz-Grün dürfte in der Steiermark keine Chance haben: Selbst bei einem starken Plus beider Parteien ist eine Mehrheit wohl unerreichbar. Die Grünen dürfen aufgrund des allgemeinen Trends mit Gewinnen rechnen, sagt Poier. Doch startet die Partei von einem niedrigen Niveau aus: 2015 kam sie auf 6,7 Prozent.
Rechnerisch möglich könnte eine Dreierkoalition zwischen ÖVP-Grünen-Neos sein. Dafür müssen die Pinken eine spezifisch steirische Hürde überspringen, um erstmals in den Landtag einzuziehen. Anders als bei der Nationalrats- und den anderen Landtagswahlen gibt es keine landesweite Prozenthürde, stattdessen müssen Parteien in einem der vier Wahlkreise ein Grundmandat erringen. Im größten Wahlkreis Graz und Umgebung und in der Obersteiermark war es 2015 für rund sechs Prozent zu haben. In der Oststeiermark mussten dafür rund acht, in der Weststeiermark rund elf Prozent erzielt werden.
Für Kleinparteien wie die KPÖ und Neos ist das herausfordernd. Sie fokussieren sich auf den Wahlkreis Graz und Umgebung: "Graz unterscheidet sich von der Zusammensetzung der Wahlbevölkerung von der restlichen Steiermark. Die Stadt ist sehr urban, es gibt viele Studenten. Hier können die Grünen, Neos und KPÖ ihre Stimmen machen", so Poier.
Rund zehn Prozent erzielten die Neos im Wahlkreis Graz und Umgebung bei der Nationalratswahl 2019, Poier hält ihren Einzug in den Landtag für wahrscheinlich. "Es wird für sie aber schwieriger als bei der der Nationalratswahl, wo sie mit Beate Meinl-Reisinger eine in den Medien stark präsente Spitzenkandidatin hatten. Bei der Landtagswahl fehlt nun ein solcher Kandidat."
Knapp könnte es für die KPÖ werden: Mit 6,44 Prozent erreichte sie 2015 im Wahlkreis Graz und Umgebung ihr Grundmandat. Die Partei habe durch starke Kandidaten und eine bürgernahe Politik, etwa im Wohnbereich, einige Stammwähler gewonnen, sagt Poier: "Auch in bürgerlichen Gegenden war es schick, kommunistisch zu wählen." Auszuschließen sei ein erneuter Einzug daher nicht. "Doch wird es für die KPÖ dieses Mal schwerer als bei vergangenen Wahlen." Die wieder erstarkten Grünen könnten der Partei die entscheidenden Stimmen kosten.
Streitthema Spitäler
Ein spezifisch steirisches Thema in diesem Wahlkampf ist die Spitalspolitik, sagt Poier. Die rot-schwarze Landesregierung will Spitäler schließen und im neuen Leitspital Liezen in der Obersteiermark zusammenfassen. "Dort, wo ein Spital geschlossen werden soll, kommt es zu regionalen Protesten", sagt Poier. Davon wollen vor allem FPÖ und KPÖ profitieren: Bei einer von den beiden Parteien initiierten Volksbefragung im Bezirk Liezen stimmten 63,7 Prozent gegen das Projekt. Das Ergebnis ist rechtlich nicht bindend, die Landesregierung will an dem Projekt festhalten.
Dass solche länderspezifischen Themen die Wahlen entscheiden, bezweifelt Poier: "Häufig ist es der Bundestrend, der die stärkere Wirkung erzeugt." Dieser Trend arbeitet gegen den von der SPÖ gewünschten "Schichtwechsel".
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