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Steiniger Weg an Europas Spitze

Von Walter Hämmerle

Politik

Den Wirtschaftsstandort Österreich bis 2010 in die Top 3 Europas bringen: So lautet die Zielvorgabe für die "Wirtschaftspolitische Agenda der ÖVP", einer Gruppe von rund 500 Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft. Dass dabei auch an so manchem österreichischen Tabu gerüttelt werden soll, machte der "Schirmherr" der Initiative, Böhler-Uddeholm- Generaldirektor Claus Raidl, gestern bei einer Präsentation gemeinsam mit IHS-Chef Bernhard Felderer und WIFO-Experte Karl Aiginger deutlich. Allerdings: Die Frage der Umsetzung sei dann natürlich eine "politische Frage", so Raidl.


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Die Reformüberlegungen kreisen dabei um die Themen Wachstum, Arbeit und Entlastung. Von Bundeskanzler Wolfgang Schüsseln habe man dabei die "ausdrückliche Freiheit erhalten", ohne Scheuklappen an die Problemstellungen heranzugehen, so Raidl. Im Herbst sollen die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zu den drei Themen dem Kanzler dann übergeben werden.

Mehrjährige Selbstbindung der Regierung notwendig

Internationale Beispiele hätten gezeigt, dass das Ziel einer nachhaltigen Senkung der Abgabenquote nur gelinge, wenn sich die Regierung einer "mehrjährige Selbstbindung bei den Ausgaben" unterwerfe, erklärte IHS-Chef Felderer. Zudem bedürfe es einer klaren Verantwortungsteilung zwischen den Gebietskörperschaften. Vor allem die milliardenschwere Wohnbauförderung, deren Mittel vom Bund eingehoben aber von den Ländern verteilt werden, sei ein Musterbeispiel, wie es nicht sein sollte. Bedarf sieht er dementsprechend auch für ein öffentliches Rechnungswesen, das eine bessere Kontrolle der Gebietskörperschaften sicherstellt.

Im Rahmen einer Steuerreform müsste auch die unterschiedliche Besteuerung von Kapital und Arbeit sowie die Angleichung der Steuersätze an die tatsächlichen Abgaben vorgenommen werden. Regelungen wie etwa die günstige Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehalts würden de facto zu einer geringeren Steuerleistung führen, als die gesetzlichen Steuersätze vermuten ließen.

Im Rahmen einer umfassenden Aufgabenreform des Staates werde man auch das öffentliche Dienstrecht umbauen müssen, ist Felderer überzeugt. Dabei führe wohl an einer Annäherung an das private Dienstrecht kein Weg vorbei. Der in solchen Forderungen schlummernden Konfliktkonstellationen - etwa mit der streitbaren Gewerkschaft Öffentlicher Dienst - ist sich der IHS-Chef deutlich bewusst.

Bei der Sozialstaatsreform geht es für Felderer darum, kontraproduktive Anreizsysteme auszuschalten. Dies sei bei der Pensionsreform mit der Einführung des Pensionskontos gelungen. Nun müsse jedoch auch beim Gesundheitssystem "etwas getan werden".

Ohne Wachstum geht gar nichts

Strategisches Ziel aus wissenschaftlicher Sicht müsse ein Wirtschaftswachstum von 2,5, besser aber 3 Prozent des BIP sein, erläuterte WIFO-Experte Aiginger. Nur bei einem solchen Wachstum könne es gelingen, die angepeilten Ziele - Steigerung der Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer, Sicherung der sozialen Sicherungssysteme und Senkung der Abgabenquote auf unter 40 Prozent - bis 2010 auch tatsächlich zu erreichen. Angesichts einer nun schon seit drei Jahren andauernden schlechten Wirtschaftslage mit Wachstumsraten unter oder um die 1 Prozent kein leichtes Unterfangen, wie auch Aiginger offen eingesteht.

Aus der Sicht Aigingers ist der Weg zum Ziel "Top 3" gepflastert mit folgenden Maßnahmen: Einer Forschungs- und Ausbildungsoffensive, Investitionen in die Infrastruktur, einer Aufgabenreform sowie der generellen Vorbereitung auf eine ständig alter werdende Gesellschaft.

Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen Forschung und Wachstum komme dabei einer Forschungsoffensive eine besondere Bedeutung zu. Ziel müsse es sein, den Anteil von Wissenschaft und Forschung am BIP bis 2010 auf 3 Prozent zu heben. Im Moment komme man hier gerade einmal auf 1,96 Prozent. Der Staat allein könne dies jedoch nicht finanzieren. Deshalb regte Aiginger die Gründung eines "nationalen Zukunftsfonds" zur Forschungsfinanzierung an.

Punkto Ausbildung rät Aiginger zu einer Qualifizierungsoffensive unter dem Aspekt des lebenslangen Lernens. Dies sei auch ein Schlüssel zur Hebung der Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer.

Leider jedoch, so bemerkte Aiginger abschließend, "wirken Reformen nicht so schnell, wie es Politiker gerne hätten."