Zum Hauptinhalt springen

Totale Verwirrung in den Schubladen

Von Georg Friesenbichler

Kommentare
0

Der Fall Zypern zwingt zu einigen Neudefinitionen - und er demonstriert das Fehlen des Hausverstands als Symptom.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die allgegenwärtigen Krisen würfeln die Inhalte der diversen Schubladen ganz ordentlich durcheinander. Beispielsweise konnte man bisher das Wort "Enteignung" zuverlässig in dem Kasterl der antikommunistischen Gottseibeiuns-Klischees finden. Mit einigem Recht, hat doch schon Karl Marx von der Expropriation der Expropriateure, also der Enteignung der Enteigner, geschrieben - freilich hat er dies im ersten Band des "Kapital" nicht als Forderung formuliert, sondern als "geschichtliche Tendenz" beschrieben.

Zurzeit lernen wir indes, dass der Eingriff ins geheiligte Privateigentum, wenn er nicht vom Proletariat durchgeführt wird, sondern im kapitalistischen Rahmen bleibt, auch in die Lade der Gesundungsmaßnahmen gehören kann. Enteignung wird nun als Medikament empfohlen für einen Zustand des "Aufgeblähtseins", in diesem Falle des Bankenwesens. Dabei hatten die Zyprioten bisher naiverweise angenommen, ihr Blähbauch sei ebenso ein Zeichen des Wohlstandes wie bei anderen kleinen Ländern, etwa Luxemburg oder Malta.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat denn auch prompt das eigene Land angesprochen gefühlt, als der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble die Zyprioten zum Ändern ihres "Geschäftsmodells" aufforderte. Asselborn vermutet hinter der Äußerung nicht etwa den Wunsch, vergangene Fehlentwicklungen zu korrigieren, sondern ein Hegemoniestreben Deutschlands, weil es die kleinen Länder als Finanzstandorte ausschalten wolle.

Dass man das Wort "Geschäftsmodell", bisher in der Schublade für Unternehmenskonzepte gelagert, jetzt auch für Staaten anwenden darf, zeigt im Übrigen einmal mehr, wie sehr der Staat mit einem Konzern verwechselt wird. Der erste Lösungsversuch für das Zypernproblem sah denn auch nach üblicher Unternehmensstrategie aus: Einsparen auf Kosten der Kleinen. Jedem am Verhandlungstisch hätte allerdings klar sein müssen, dass die Idee, auch die kleinen Sparer zu schröpfen, nicht nur zu Protesten auf Zypern selbst, sondern auch zur Verunsicherung der Sparbuchinhaber in ganz Europa führen musste.

Aber der Hausverstand ist offenbar in Werbespots besser aufgehoben als in den Köpfen der Eliten. Dass die Wähler ihnen nicht mehr vertrauen, ist daher nur logische Folge. Das Agieren der Politik wird bestenfalls hingenommen. Ein Teil der Unzufriedenen erhofft sich von Rechtsaußen etwas anderes als Macht- und Geldgeilheit - vergeblich, wie in Österreich gerade vorgeführt wird. Also wendet sich das Publikum jedem zu, der nicht in die übliche Politikerschublade passt, ob er Beppe Grillo heißt wie in Italien oder Frank Stronach hierzulande.

Diese Stimmung hat der österreichische Liedermacher Sigi Maron schon in den 70er Jahren im Refrain seiner "Ballade von ana hoatn Wochn" zusammengefasst: "Leckts mi am Oasch" singt sein Publikum heute noch begeistert mit. Der Komiker Grillo hat unter dem Motto "Vaffanculo", was so ziemlich das Gleiche aussagt, sogar eine politische Bewegung gegründet. Deren Erfolg zeigt, wie weit das Misstrauen bereits verbreitet ist.