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Experte: Illegale Migration lässt sich ohne Regeln für legale nicht bekämpfen.
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Brüssel/Luxemburg. Frei von Emotionen war die Debatte in der EU auch vorher nicht. Doch das Schiffsunglück vor der Insel Lampedusa heizt die Diskussion um Migration nach Europa weiter an. Und während vor der italienischen Küste weitere Leichen von Flüchtlingen geborgen wurden, setzten die Innenminister der EU bei einem Treffen in Luxemburg den Streit über mögliche Änderungen der Flüchtlingspolitik fort.
Eine neue Ausrichtung ist allerdings nicht in Sicht - zu weit bleiben die Mitgliedstaaten von einer gemeinsamen Linie entfernt. So fühlt sich Italien, das sich wie die Mittelmeerländer Griechenland und Malta seit Jahren mit der Aufnahme tausender Asylsuchender überfordert sieht, von der EU allein gelassen. Es hätte gern mehr finanzielle Unterstützung und Hilfe bei der Grenzkontrolle. In mehreren Ländern wird der Ruf nach neuen Operationen der EU-Grenzschutzagentur Frontex laut. Andere Staaten wiederum wollen an den bestehenden Vorgaben nicht rütteln.
Dazu gehört Österreich. Wien verteidigt die sogenannte Dublin-II-Regelung, wonach das EU-Land ein Ansuchen prüfen muss, in das der Asylwerber zuerst eingereist ist. Dorthin werden die Menschen dann meist abgeschoben. Dies zu ändern sei nicht nötig, erklärte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Ihr deutscher Amtskollege Hans-Peter Friedrich befand ebenfalls: "Dublin II bleibt unverändert, selbstverständlich."
Zwar plädieren beide Staaten für eine "gerechtere Aufteilung" der Flüchtlinge in der EU. Mehr Menschen wollen sie jedoch nicht aufnehmen, da sie schon jetzt genug leisteten. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR hat Deutschland im Vorjahr unter 44 Industriestaaten nach den USA die meisten Asylansuchen erhalten. Österreich kommt an neunter Stelle mit knapp 17.500 Anträgen.
Im Vergleich dazu ist die Zahl der geflohenen Syrer gering. An die 35.000 sind in den vergangenen Monaten in die EU gekommen - vor allem nach Schweden und Bulgarien. Österreich hat heuer etwas mehr als 800 Asylanträge erhalten und hat eine Quote von zusätzlichen 500 in Aussicht gestellt. Dennoch seien laut der Zeitung "Österreich" im Sommer fast 500 syrische Flüchtlinge nach Italien abgeschoben worden.
Die Staaten entscheiden
Dennoch stellen für Rom die Schiffsflüchtlinge eine größere Sorge da. Während es aber mehr europäische Solidarität einfordert, wünschen sich die meisten Mitgliedstaaten keine Ausweitung der EU-Kompetenzen. Es gibt zwar gemeinsam beschlossene Maßnahmen zur Grenzkontrolle und zur Bekämpfung illegaler Migration, aber die meisten Entscheidungen treffen weiterhin die Länder selbst. So hätten die EU-Regeln kaum Wirkung, sagt Yves Pascouau von der Brüsseler Denkfabrik EPC (European Policy Centre). Als Beispiele führt er die Tätigkeit von Frontex und die Vergabe von Visa an. Die Grenzschutzagentur habe nur die Möglichkeit, Operationen - etwa Patrouillen auf See - der Länder zu kooperieren. Das ändere nichts daran, dass die Staaten selbst ihre Kontrollen durchführen und dafür zuständig sind, Flüchtlinge aufzunehmen oder eben nicht. Frontex ist also auf jene Kompetenzen und Mittel angewiesen, die die EU-Staaten gewähren. Bei der Visa-Vergabe wiederum sind die Länder ebenfalls nur zu einem bestimmten Ausmaß an gemeinsame Vorschriften gebunden. Es gibt Standards und Bedingungen, unter denen ein Vermerk abzulehnen ist. "Aber ein Recht auf Visum gibt es nicht", stellt Pascouau klar. Ob es das Dokument ausstellt, entscheidet ein Land selbst.
Gleichzeitig weist der Experte auf einen größeren Zusammenhang hin: "Illegale Migration lässt sich nicht bekämpfen, ohne Maßnahmen für legale Migration zu ergreifen." So hätten sich die Länder lediglich mit Aspekten des Grenzschutzes oder der Sicherheit beschäftigt. Je eingeschränkter aber die Möglichkeiten zur legalen Einwanderung seien, umso mehr Versuche der illegalen Einreise werde es geben.