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Vom Schadenersatz für ein verkürztes Leben

Von Ivo Greiter*

Wirtschaft

Die Rechtsprechung beim Ersatz nicht materieller Schäden hat sich vor allem in den letzten zehn Jahren erheblich weiter entwickelt: Für hinterbliebene Eltern, Ehepartner, Kinder und Lebensgefährten gibt es unter bestimmten Voraussetzungen Schmerzengeld. Diese Weiterentwicklung war möglich, weil mutige OGH-Richter bereit waren, vorauszudenken.


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Wie das einhellige Echo in der juristischen Öffentlichkeit zeigt, wird die Richtung, in der sich die Judikatur fortentwickelt hat, praktisch uneingeschränkt begrüßt. Breiten Raum in der öffentlichen Diskussion nimmt auch die Forderung nach einem Schadenersatz, nach Schmerzengeld für ein verkürztes Leben, also für den verfrühten Tod, ein:

Die Forderung nach Schmerzengeld für ein verkürztes Leben wurde auf dem Seminar der Europäischen Vereinigung der Schadenersatzjuristen (PEOPIL) im Jahre 2001 in Innsbruck erstmals erhoben. Auch beim 2. PEOPIL Schadenersatzseminar vor einigen Wochen, an dem auch Justizminister Dieter Böhmdorfer teilnahm - Schwerpunkte dieser drei-tägigen Fachtagung waren der Stand der Kaprun-Abwicklung in Österreich und den USA sowie die Erfahrungen nach dem Lawinenunglück in Galtür - wurde der Vorschlag neuerlich vorangetrieben.

Das Echo in der juristischen Öffentlichkeit ist beachtlich. So enthält die Festschrift zum 80. Geburtstag von Karl Kohlegger einen Beitrag zu diesem Thema. Der Beitrag wurde im Berliner Anwaltsblatt zur Gänze nachgedruckt.

- In den Tageszeitungen und in juristischen Fachzeitschriften wie Anwaltsblatt, Zeitschrift für Verkehrsrecht und auf der Richterwoche in Kufstein (Mai 2002) wurde ausführlich auf die Forderung nach Zuspruch für Schadenersatz für ein verkürztes Leben eingegangen. Der Beitrag auf der Richterwoche wurde sowohl im Österreichischen Anwaltsblatt als auch in der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Justiz abgedruckt.

- Auf dem Österreichischen Juristentag in Innsbruck (Mai 2003) wurden in der Abteilung Zivilrecht zum Thema "Ersatz des immateriellen Schadens - gegenwärtige Rechtslage und Reform" elf Thesen erörtert, wobei eine These sich mit der Frage beschäftigte, ob der Verlust des Lebens als solcher ersatzfähig ist oder nicht.

- In der achten Auflage des Klassikers "Schmerzengeld in medizinischer und juristischer Sicht" nehmen Danzl u.a. auch zu den Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Entschädigung für den verfrühten Tod Stellung. Die Autoren gehen ausführlich auf diesen Gedanken ein und sehen den Vorschlag vor allem als Anregung an den Gesetzgeber, die Überlegungen bei einer Reform mit zu berücksichtigen.

Ersatzfähiges Leben?

Der umfangreiche Widerhall in der Fachwelt, bei Vorträgen und Seminaren zeigt, dass die frühere Rechtsmeinung, das Leben als solches sei überhaupt nicht ersatzfähig, nicht mehr unbestritten aufrecht ist.

Zwar gibt es - soweit bekannt - in Österreich noch keine rechtskräftige Entscheidung, die sich mit der Frage nach Schadenersatz für das verkürzte Leben auseinander setzt, doch ist derzeit ein Verfahren in Wien anhängig, bei dem es um Schmerzengeld für das verkürzte Leben geht. Das Landesgericht und das Oberlandesgericht haben den Anspruch abgewiesen. Das Oberlandesgericht begründet seine Entscheidung hauptsächlich damit, dass es sich um Ansprüche eines Toten handeln würde: "Wesentlich ist dabei, dass der Zustand, aufgrund dessen ein Schmerzengeld gewährt wurde, bewusst oder unbewusst erlebt wurde. Bewusste oder unbewusste Schmerzempfindungen enden aber mit dem Tod. Der Tod beendet jegliche Erlebnisfähigkeit." Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes ist anhängig. Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass auch der wenige Tage, Wochen oder Monate nach einem Unfall Sterbende "bewusst oder unbewusst erlebt", dass er jetzt bald sterben wird, dass ihm sein ganzes zukünftiges Leben genommen werden wird. Soll die Angst und das eigene Wissen, dass der Unfall meinen Tod nach sich zieht, wirklich weniger wert sein als der Tod meines Hundes, für den ich Schmerzengeld erhalte? Eine Entwicklung unseres Schadenersatzrechtes in Richtung der USA mit überzogener Ausdehnung der Haftung und der Beträge wird für Österreich nicht zu befürchten sein. Es muss ja auch verhindert werden, dass, wie in den USA, ein Arzt, der zufällig in der Nähe eines Unfalles ist, wegläuft, um nicht haften zu müssen. In Österreich läuft der Arzt hin, um zu helfen. Das muss auch in Zukunft so bleiben. n