Zum Hauptinhalt springen

Was ist denn an Afrika "typisch"?

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare

17 afrikanische Staaten begehen heuer das 50-jährige Jubiläum ihrer Unabhängigkeit. Vor kurzem gab es aber für den schwarzen Kontinent noch einen weiteren Grund zum Feiern: die erste Fußball-Weltmeisterschaft in Afrika. Das Veranstalterland Südafrika zerfledderte mit dem pannenfrei organisierten Sportfest das arrogante Vorurteil, Afrika errege Aufmerksamkeit nur mit KKK - Krisen, Kriegen, Katastrophen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Als der gebrechliche Nelson Mandela auf einem Cart zur großartigen Schlussfeier rollte, begrüßte ihn tosender Jubel. Dieser Mann hatte 1994 mit dem Weißen-Führer Frederik Willem de Klerk für Afrika Bahnbrechendes geschafft: Konfliktmanagement ohne ausländische Hilfe und durchgreifenden politischen Wandel ohne KKK. So entstand die "Regenbogennation" aus Schwarzen, Mischlingen, Asiaten und Weißen.

Die Fußball-WM verdient eine nüchterne Bilanz. Fußballfans und Touristen gaben 1,5 Milliarden Euro aus. Zur Vorbereitung hatte Südafrika allerdings 2,2 Milliarden in die Infrastruktur und 1,3 Milliarden in hochmoderne Stadien gesteckt. Zieht man den Zuschuss der Fifa von knapp einer Milliarde ab, bleiben 2,5 Milliarden.

Das Sportfest am Kap lenkte allerdings nicht von Afrikas hausgemachten Problemen ab. In 20 von 53 Staaten herrschen Diktatoren und in 15 blutige Konflikte. 6 Millionen Afrikaner sind auf der Flucht, 25 Millionen vegetieren als Vertriebene irgendwo - zusammen sind das 3 Prozent der kontinentalen Bevölkerung. Das bedeutet keineswegs, dass 97 Prozent "gut" leben, sollte aber das Urteil bremsen, dass Somalia, Darfur oder Simbabwe "typisch" für Afrika seien.

Dank WM steigert Südafrika heuer sein Wachstum um 0,4 Punkte auf knapp 4,5 Prozent. Und das Wirtschaftswachstum des Kontinents dürfte sich auf 4,8 Prozent verdoppeln - vorwiegend allerdings nur dank einer Erholung der Rohstoffmärkte. Das verweist auf Afrikas "typische" Hypothek aus der Kolonialzeit: Export von Rohstoffen, nicht aber von Gütern. Alle Welt kauft sich in Bergbau und Erdöl ein, Afrika stellt dazu ein Heer von Handlangern, und korrupte Politiker sorgen dafür, dass es so bleibt.

Zwar passt dieses Schema nicht mehr auf Südafrika, doch ein Aspekt illustriert das Problem. Für den WM-Zuschlag verlangte die Fifa moderne Stadien. Das schuf vorübergehend an die 70.000 Arbeitsplätze für Neubauten, die aber nichts produzieren, sondern Kosten verursachen. Südafrikas nachhaltig verbessertes Image mag diese "weißen Elefanten" wert sein.

Die Mega-Variante dieser Form von Fremdbestimmung illustriert das völlig unbeachtete Niger-Delta. Dort hob BP jahrzehntelang und rücksichtslos Erdöl im Wert von annähernd 450 Milliarden Euro und sicherte das Geschäft mit Milliarden an Schmiergeld. Heute ist das Delta von etwa der halben Größe Österreichs biologisch tot und eigentlich unbewohnbar.

Der Vergleich mit der grell beleuchteten BP-Katastrophe im Golf von Mexiko wirft also die Frage auf, wie fair und differenziert Afrika bewertet wird.

Clemens M. Hutter war bis 1995 Ressortchef Ausland bei den "Salzburger Nachrichten".