Manche albträumen von der Einpartei-Diktatur, doch am Ende wäre wohl sogar die FPÖ der Lust am Dagegensein zum Opfer gefallen.
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Was-wäre-wenn-Überlegungen sind ein beliebtes Genre: Also darüber zu spekulieren, wie sich der Lauf der Geschichte wohl verändert hätte, wenn an einer bestimmten Weggabelung die Wirklichkeit anders abgezweigt wäre. Daher nun die Frage: Was, wenn Norbert Hofer die Stichwahl "arschknapp", aber eben doch, gewonnen hätte? Der - angesichts von 6,4 Millionen Wahlberechtigten - geradezu lächerlich geringe Abstand von 31.026 Stimmen rechtfertigt eine solche Spekulation durchaus. Würde also Österreich mit dem FPÖ-Politiker Hofer einen anderen Weg einschlagen als den nun vorgezeichneten mit Alexander Van der Bellen? Und gilt dies womöglich - schließlich reden wir von einem Land, das Karl Kraus einst als "Versuchsstation für den Weltuntergang" bezeichnete - sogar auch für Europas Zukunft insgesamt?
Dass uns sogar das nähere Ausland auch 2016 fast alles zutraut, zeigt ein Kommentar der serbischen Tageszeitung "Politika": "Durch die Wahl von Van der Bellen (. . .) sind Spekulationen beendet worden, dass Österreich (. . .) seine politische Ausrichtung als parlamentarische Demokratie aufgeben und sich einer Einpartei-Diktatur des Bundespräsident-Kanzlers zuwenden könnte." Das hat dann doch mehr von einer Karikatur als von einer seriösen Analyse der österreichischen Gegebenheiten.
Der große Unterschied zu früheren Epochen besteht heute darin, dass alle Politik nur noch provisorischen Charakter hat. Keine Entscheidung ist mehr endgültig, Regierungen können Beschlüsse ihrer Vorgänger (und mitunter sogar ihre eigenen) jederzeit revidieren oder anpassen. Beim Bundespräsidenten kommt hinzu, dass er noch dazu kaum über einen eigenständigen Entscheidungsbereich verfügt, sondern auf das Zusammenspiel von Regierung und Parlament angewiesen ist.
Den größten Einfluss hätte deshalb wohl die politische Symbolkraft eines Bundespräsidenten Hofer ausgeübt - in der Europapolitik, in der Flüchtlingspolitik, in der außenpolitischen Orientierung an Russland auf Kosten der USA etc. Möglich, dass dies in weiterer Folge auch zu entsprechenden Wahlergebnissen geführt hätte. Die Symbolkraft Hofers hätte aber vielleicht auch die Gegenseite mobilisiert und motiviert. Das Dagegensein etabliert sich ohnehin zunehmend als stärkste und verlässlichste politische Kraft, schließlich werden vorrangig Regierungen abgewählt und nicht Oppositionsparteien gewählt (und auch bei Van der Bellen war ja da stärkste Motiv, Hofer zu verhindern).
So gesehen wäre die wirkmächtigste Komponente nicht, was Hofer selbst getan, sondern wie er das Verhalten der übrigen Parteien beeinflusst hätte. Hätten etwa SPÖ und ÖVP begonnen, um die Rolle als Juniorpartner der FPÖ zu buhlen, oder hätte ein Bundespräsident Hofer die Frontstellung "alle gegen die FPÖ" weiter zementiert? Wäre Letzteres eingetreten, hätten wohl kaum alle derzeit bestehenden Parteien dieser Allianz überlebt. Aber davon kann ja jetzt auch keine Rede sein. SPÖ und ÖVP können so gesehen froh sein, dass die Mitte noch einmal eine Chance bekommen hat.